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ABERMAL (Giftmärchen)

 

Inhalt von Abermal:

   Ein Besucher, der nicht wirklich da war, erzählt eine Geschichte, die er nicht kennen kann?

    In zweiter Hälfte der 60er Jahre des letzten Jahrhunderts fällt einem Jungen von nicht ganz 13 Jahren ein seltsam anziehend wirkender junger Mann auf. Er folgt ihm verstohlen zu einem großen Haus hinter hohen Bäumen und Hecken, beobachtet angestrengt. Richtig einordnen kann er dennoch nichts.
    Anderen Tags sieht er einen alt anmutenden Mann ähnlicher Bannkraft und folgt diesem gleichfalls heimlich. Unbehagliches Gefühl wächst. Schrecken wird zunehmend alltäglich. Hin- und hergerissen von wild springenden Ängsten, bedrängenden Verdachten und wirren Eindrücken bleibt unklar, in was er mit halb kindlichem Abenteuerdrang und Wissensdurst geriet?
    Einerseits weckt der bannende junge Mann und dessen Familienanhang Furcht, andererseits die aufkommende Gefahr fremder Herkunft. Unversehens taucht gefährliche Vergangenheit hoch, verwickelt in bestürzende Ereignisse! In Fänge geheimnisumwitterter Familie des jungen Mannes geraten, scheint so schlimm wie das andere.
    Er muss zwischen Pocken und Pest wählen! Anvertrauen kann er sich niemandem. Was er sah und erfuhr, würde keiner glauben...

(ABERMAL.ZIP 0,99 MB)

Leseprobe:

    Schlag sieben Haustür geöffnet, fuhr ich erschrocken zurück. Wie aus dem Schuhabtreter gewachsen stand dieser merkwürdige Lehrer undurchdringlicher Miene vor mir. Seine Augen stachen geradezu. "Schönen guten Abend!"
    "Äh, ja, guten Abend", stotterte ich heraus, fing mich schnell wieder. "Das tut mir aber leid, wenn sie schon länger gewartet haben. Wie unhöflich von mir. Bitte um Entschuldigung!"
    "Ich bitte sie! Gerade eben erst habe ich meinen Fuß vor diese Tür gesetzt."
    "Dann ist es ja gut. Bitte, kommen sie doch herein! Wir müssen aber ganz nach oben. Die Treppen kann ich ihnen leider nicht ersparen."
    "Das macht mir wirklich nichts aus", versicherte der Besucher.
    Ich ging voraus, damit er auch den Weg ins Dachgeschoss fand, beim Aufstieg innerlich kopfschüttelnd über so viel Pünktlichkeit. Fast schon unnatürlich! Ich käme mit Sicherheit zehn Minuten später. Allein, um meinen Gastgebern Verlegenheiten zu ersparen, falls sie doch noch nicht ganz vorbereitet sein sollten. Außerdem stellte ich mich nicht unmittelbar vor die Tür, wo man unversehens in einen reinrennen konnte. - Na ja! Lehrer, Beamte! dachte ich nur und führte den Besucher in weitere Höhen meines Elternhauses. Oben sank er leichter und gleitender Weise in angebotenen Sessel. Supermodernes Ding, aber erstaunlich bequem.
    "Was bevorzugen sie als Getränk?" Hoffentlich keine Milch! Kälbernahrung gibt's bei mir nicht.
    "Machen sie keine besonderen Umstände. Ich nehme das, was sie auch nehmen."
    "Einen Darjeelingtee, flowery orange-pekoe, high-tippy, dazu japanisches Reisgebäck und als Ergänzung einen hochfeinen Cognac, gut abgelagert?"
    "Ganz, wie sie meinen", versicherte er, lächelte merkwürdig.
    Kochendes Teewasser stand im Küchengelass bereit, weshalb mein Gast kaum über fünf Minuten warten brauchte. Samt Tablett voller Angebot kehrte ich zurück und goss snobistisch Tee in Porzellanschalen. Der Besucher verkostete dampfend heißes Getränk.
    "Das ist wirklich eine ganz ausgezeichnete Teesorte", lobte er nachdrücklich.
    Aber ich wurde eigenartiges Gefühl nicht los, er wolle nur nicht unhöflich erscheinen, entspreche deshalb meinen Bewirtungsmühen. Gespannt wartete ich ab. Draußen wurde es dunkel. Längst ging die Sonne unter. Ende September und schon merklich kurze Tage. Allerdings herrschte noch angenehm warmes Wetter. Altweibersommer aus dem Bilderbuch. Ich schaltete eine Stehlampe an.
    Zurückgelehnt im Sessel, sah mich mein Gast mit seinem durchdringenden Blick an. "Ich hoffe, sie haben viel Zeit. Die Geschichte ist nicht gerade sehr kurz und schnell erzählt. Auch wird sie ihnen merkwürdig vorkommen. Ja sogar unglaubwürdig. Ich kann ihnen aber versichern, dass ich sie nicht zum besten halten will oder ihnen einen billigen Bären aufbinden möchte. Bitte halten sie sich mit Zwischenfragen zurück, weil dies den Fluss unterbricht. Die Antworten werden alle im Verlauf des Erzählten selbst gegeben. Wir werden uns an insgesamt drei Abenden zusammensetzen müssen, mit dem heutigen selbstredend. Ist es ihnen so recht?"
    "Oh, so umfangreich? Aber mir macht das nichts aus. Die Frage ist da vielmehr, ob es ihnen so behagt, Verehrtester?" versicherte ich maßlos erstaunt über angekündigte Zeitlänge. Drei Abende! Ich rechnete eher mit ein bis zwei Stunden, alles Gespräch eingeschlossen. "Dürfte ich dann unsere Unterhaltung zugleich auf ein Langspielband aufnehmen?"
    "Wenn es keine Lästigkeiten ergibt, bittesehr!"
    "Keinesfalls! Das Gerät läuft volle zehn Stunden ohne Unterbrechung und macht fast kein Geräusch."
    "Dann nützen sie das getrost aus", nickte er und lächelte fein.
    Ich verband ein Hochleistungsmikrofon mit dem Videorekorder, legte die erste Fünfstundenkassette in Langspielschaltung ein und überprüfte alles. Dann saß ich wieder meinem Gast gegenüber. - Was kommt mir an dem bloß so bekannt vor? - Dabei konnte ich ihn gar nicht kennen. Nie sind wir einander zuvor über den Weg gelaufen. Er wäre mir aufgefallen. Auf eigentümliche Weise schien er... wie soll ich sagen...? Durchscheinend? Mir fällt kein besseres Wort ein. Dennoch balgte dummes Gefühl, ihm irgendwo oder irgendwann schon einmal begegnet zu sein.
    Seine Stimme schnitt alles Überlegen ab. "Ich werde ein gutes Stück vor der Zeit anfangen, bevor auch sie im Bericht auftauchende Ereignisse erkennen. Allerdings haben sie darin keine ausgesprochene Hauptrolle."
    "Das ist zwar ein wenig enttäuschend für mich," lächelte ich verstehend, "aber sie wollten mir ja auch von meinem Schulfreund und seinem Leben erzählen, nehme ich doch an. Und da müssen andere Dinge und Personen zuletzt eine Hauptrolle gespielt haben."
    Er nickte nur und begann. - Unablässig strömten Worte, hüllten ein und entführten in andere Welt, zugleich in lang verflossene Kindheit und Jugend. Was er sagte, schien zuerst völlig unglaubhaft. Die Geschichte klang abenteuerlich und abseitig. Ich bekam Schwierigkeiten mit seinem Wunsch: Keine Zwischenfragen stellen! An die Wahrhaftigkeit des Erzählten glaubte ich erst, nachdem er unzweideutig Dinge benannte, von denen nur ich und besagter Schulfreund wissen konnten. Niemand sonst bekam jene Unternehmungen und Worte damals mit.
    Er erzählte so, als habe er jeweiligen Personen über die Schulter geschaut oder sogar deren Gedanken gelesen, wenigstens teilweise. Da es hierbei unter anderem auch um mich ging und ich mich im Gesamtverlauf wieder deutlich erinnerte, schwanden fortschreitend alle Zweifel an Richtigkeit erwähnter Abläufe. Er kannte erstaunlicherweise Tatsachen, von denen er einfach nichts wissen konnte. Auch in bezug auf mich irrte er nicht. Ich habe ein gutes Gedächtnis, das bei entsprechenden Anreizen rasch alles hervorholt. Letztlich überzeugt: Dies ist wahr!
    Irgendwann im Verlauf folgender Stunden schlief ich im Sessel ein, schreckte hoch, sah verwirrt herum. - Niemand da! Verschlafener Blick zur Uhr. Fünf Uhr früh vorbei! Gesamte Nacht im Sessel und die Kassette abgelaufen. Kurzes Rückspulen ergab unausgesetzt erzählende Stimme, anscheinend bis zum Bandende aufgenommen.
    Erstaunlich! Dann müsste er erst kurz vor meinem Erwachen gegangen sein? Ebenso erstaunliche Klanggüte. Als sei seine Stimme mit anderer schwach gegeneinander versetzt unterlegt. Wahrscheinlich Eigenart des Hochleistungsmikrofons, selbsttätiger Aussteuerung oder Widerhall von Dachschrägen hier oben, vermutete ich. Auf dem Tisch ein Zettel mit schwungvoller Handschrift: "Bis kommenden Abend um sieben Uhr!" Nicht zu deutendes Zeichen darunter, wohl verkürzter Namenszug.
    Über diese Merkwürdigkeiten mochte ich nicht länger nachdenken, zog mich aus und ging endlich richtig Schlafen.
    Fast Mittag, als ich aufwachte. Danach ungeduldig dem Abend entgegengefiebert, vollkommen unfähig für anderes. Meine Eltern und übrige Hausbewohner erlebten in mir schweigsamen Besucher. Auf Fragen verhielt ich mich fahrig, beantwortete sie entweder gar nicht oder falsch. Gesprächsversuche scheiterten an meiner Einsilbigkeit. Aber man ließ mich in Ruhe, sah mich wie einen Fiebernden an.
    Vielleicht war ich das auch? Lediglich meine Mutter fragte irgendwann besorgt, ob mir etwas fehle? - Ich schüttelte nur den Kopf...

 

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