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Abermal, Kapitel 23, Seite 02

flackert


"Na, wenn du meinst, Mama."

"Genau! Und jetzt solltest du dich ein bisschen beeilen, sonst kommst du zu spät zur Schule. Heute gibt's sogar Bohnenkaffee, statt dieses faden Muckefucks."

"Gibt's das künftig jetzt auch für mich immer?"

"Du bist kein Kind mehr, sondern wirst langsam ein junger Mann. Und wenn wir es uns leisten können, dann gibt es eben auch richtigen Bohnenkaffee."

"Gut! Ich wollte schon irgendwann mal sagen, wie grässlich Ersatzkaffe eigentlich schmeckt, dachte aber, dass wir uns das nicht leisten könnten."

"Das war ja auch vielfach so, Erfried. Du weißt, wie sehr wir in den zurückliegenden Jahren zu knapsen hatten." Eleonore Gundeleit seufzte und ein Schatten verdüsterte ihre Züge. Sie ging aus der Küche. Reinhild musste geweckt werden.

Bessere Stimmung im Klassenzimmer als gestern. Nur Oberlehrer Mantey schien heute nicht gehobener Laune. Günter Meinrad erschien seiner Meinung unpünktlich. Die Schulglocke verstummte gerade, als Günter den Klassenraum betrat und von beredt missbilligenden Blicken alten Kommissbeutels verfolgt auf seinen Platz ging. Im Vorbeigehen zwinkerte er Erfried freundschaftlich zu.

"Wie wäre es mit einer Entschuldigung fürs zu spät kommen, Meinrad?" forderte Herr Mantey vom Pult her.

"Entschuldigung, Herr Mantey! Aber die Schulglocke ging gerade erst aus, als ich hereinkam. Ist das etwa zu spät gewesen?"

Oberlehrer Mantey ging auf hundertachtzig, stand auf und stapfte wütend Richtung Günter Meinrads Platz, wollte ihn sicher nicht am Kopf kraulen.

"Herr Mantey!" Günters Stimme schallte eindringlich. "Wenn sie mir deswegen jetzt eine runterhauen, dann gehe ich sofort nach Hause und mit meinen Eltern nachher zur Polizei! Dann haben sie noch heute eine Anzeige anhängen! Ich war nicht frech und schon gar nicht beleidigend! Das lasse ich mir nicht mehr gefallen! Und sie kennen meine Eltern, Herr Mantey. Mit denen hatten sie schon einmal Ärger wegen so was, und nicht zu knapp. Also überlegen sie sich das gut!"

Mantey blieb tatsächlich stehen, im Gesicht blass vor Wut. "Raus aus meiner Klasse!" brüllte er dann wie ein eingesperrter Stier.

"Wie sie wünschen, Herr Mantey." Günter Meinrad schnappte seine Tasche und trabte hinaus, kehrte Minuten später samt Rektor zurück.

"Setz' dich mal eben auf deinen Platz, Meinrad", wies dieser an. "Herr Mantey, bitte kommen sie doch kurz mit vor die Tür." Zusammen verschwanden sie auf den Gang. Die Tür klappte.

Gespannt schweigend warteten alle, was das nun werden sollte. Günter saß aufrecht auf seinem Stuhl und sagte kein einziges Wort, obwohl ihn alle fragend anschauten. Er packte nur seine Schulsachen aus und tat so, als lese er in einem Aufgabenheft. Kein Schulkamerad machte irgendwelche lauten Geräusche. Auch sonst stets einsetzendes Hallo, wenn ihre Lehrer mal eben verschwanden, blieb diesmal vollständig aus. Oberlehrer Mantey kam seinerseits nach wenigen Minuten wieder ins Klassenzimmer, im Gesicht versteinert, sagte nichts. Betont gleichmütig begann er den Unterricht. Rechnen! Zwei geschlagene Stunden lang, dann endlich Erlösung. Große Pause.

Mantey steckte stellvertretend für sämtliche Kommissbeutel dieser Schule deutliche Niederlage ein. Allen sonnenklar. Irgendwelches Mitgefühl hegte niemand. Obwohl nicht einmal schlimmster Finger im Hause, sondern noch recht erträglich. Wesentlich übler: Jakob Wittkow, Klassenlehrer in der Achten! Alter Turnvereinsmeier. Gorillastatur, Halbglatze und dafür eisgraue Haare am Rücken. Ekelhaft! Keinen hassten sie mehr, wünschten ihm derartige Niederlagen viel eher und von ganzem Herzen. Mieses Dreckstück von Lehrer, der Schulen mit Wehrmachtskasernenhöfen verwechselte und auch so verfuhr. Schüler beschimpfte er rüde, prügelte und erniedrigte sie. Hundsbrutaler Schweinekerl!

Und das sollte Vorbild sein? - Widerliches Stück Scheiße auf zwei Beinen!

Auf dem Pausenhof standen Erfried und Günter beieinander, grinsten wissend. "Wieso bist du denn gleich wieder mit dem Rektor zurückgekommen?" fragte Erfried neugierig. "Ich dachte, du gehst schnurstracks nach Hause. Hat der Rektor dich abgefangen?"

"Nö! Ich bin zu ihm hingegangen, in sein Büro."

"Wieso das denn?"

"Mein Vater sagte mir, ich soll das in so einem Fall machen. Das wirkt meist sofort. Denkst du, ich lasse mir wegen so einer blöden Sache eine knallen oder will mir 'ne miese Note kassieren? Meine Eltern meinen, das käme nicht in die Tüte. Wenn einem Lehrer mal die Hand ausrutsche, weil ein Schüler rotzfrech oder sogar beleidigend sei, dann könnten sie das noch verstehen. Aber wegen so was, weil der gerade seine Launen hat? Die Alten sollen den Jungen Vorbilder sein. Also haben sie sich auch vorbildlich zu benehmen und nicht so beschissen. Mein Vater sagte auch, wenn dieser scheiß Wittkow aus der Achten mich jemals anrühren sollte, dann bricht er diesem Misthund die Knochen. Der kennt den noch, als er gleich nach dem Krieg selbst bei dem in die letzte Klasse ging. Noch heute hasst er den wie die Pest. Wittkow war schon immer so ein Scheißkerl."



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Mannie Manie © 1999
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