Seite vorher
Seite weiter
Kapitel vorher
Kapitel weiter
Kapitelliste

 

Abermal, Kapitel 05, Seite 10

flackert


An einem niedrigen Haus mit verklebten Schaufensterscheiben ging der finstere Mann vorbei, geradewegs zu voraus liegender Toreinfahrt am Ende des kleinen Platzes. Ein Durchgang. Nicht viel breiter als normale Garageneinfahrten, jedoch höher. Wenig erhellter Hof folgte. Dort mussten einige andere Bauten stehen. Wahrscheinlich nur über den Hof erreichbar. Türen konnte der Junge nicht erkennen.

Schon viele Male kam Erfried hier her, fand die jetzt lauernd offene Toreinfahrt aber stets geschlossen. Nie gesehen, was betagt hölzerne Torflügel sperrten. Hoher Baum wuchs dahinter, dessen Krone weit hinausragte und tiefere Dächer verdeckte. Der Mann trat in die Toröffnung, verschmolz in deren Dunkel.

Rasch ging der Junge zugekleisterte Schaufensterscheiben entlang. Einstmals Tante-Emma-Laden. Verblasste Aufkleber warben für verschiedene Waren, welche es sicher schon längst nicht mehr gab. Niemand verkaufte sie hier oder anderswo jemals wieder. Erfried blieb stehen, schaute angestrengt zum dunklen Durchgang gegenüber.

Freudloser Tunnel alt geschichteter Steine. Nach etlichen Metern hellerer Hof. Unbeirrt schreitende Gestalt zeichnete davor ihre Umrisse, trat schließlich ein, bog nach rechts und verschwand. Erfried wollte nicht auffallen, ging ohne ersichtliche Eile zur Toreinfahrt, verhielt nicht, lief ganz selbstverständlich weiter.

Ziemlich dunkel. Muffiger Geruch entströmte Mauern. Achtlos liegengelassene Papierreste und Laub raschelten unter Füßen. Nach vier oder fünf Metern schloss der Hof an. Im Gegensatz zum Durchgang nachgerade verschwenderisch hell, obwohl dieser späte Nachmittag allgemein trübe und düster. Trotz aller Umsicht hallten Tritte laut von Wänden wider. Erneut wagte er zuerst nur ein Auge um die Ecke.

Fast in Winkel gedrängt reckte der Baum hoch auf. Stamm von Efeu umwuchert. Mächtige Blätterkrone breitete Schatten über in Reihe verschmelzende Dächer zweier verwahrloster niedriger Häuser alten Fachwerks. Dort dürfte kaum jemand drin wohnen. Nur rechterhand größeres Gebäude. Gleichfalls sehr alt und in Fachwerk gehalten. Ein Wohnhaus.

Seltsam schief stand es spitzgiebelig und dreigeschossig an seinem Platz. Viergeteilte kleine Fenster lugten auf ungepflegte Hofpflasterung. Gras zwischen Pflastersteinen. Insgesamt krummer Eindruck. Den Mauern hätte neuer Verputz sehr gut getan. Mit frischerer Farbe versehen, statt diesem schmutzigen und blätternden Ocker, könnte alles durchaus freundlich wirken. Aber jetzt? Jetzt wirkte dies düster und abweisend, fast gespenstisch. Ausgeschlachtetes Auto stand herum, nebst Moped in traurigem Zustand.

Erfried huschte zum ausgeweideten Fahrzeug, das auf dicken Bohlen hoch aufgebockt rostete, längst seiner Räder beraubt. Einzelne Teile lagen achtlos verstreut. Offenbar brauchte sie niemand. Einfach liegengelassen. Aber das rottende Autogehäuse bot ausreichend Deckung.

Eine Tür knarrte, wurde zugeschlagen. - Erfried schrak zusammen, hielt schlagartig die Luft an.

Aus einem der heruntergekommenen geduckten Häuser kam jemand in den Hof. Lagernder Schatten verbarg Einzelheiten. Erst als die Person am Baum vorbeiging, schälte die Gestalt des dunklen Mannes heraus. Er wollte zur ungewöhnlich bemessenen Tür des zweistöckigen Wohnhauses. Deren Maße passten überhaupt nicht zueinander. Erstaunlich niedrig für solche Breite.

Erfried konnte nicht sehen, ob der Mann die Klinke betätigte. Aber jene eigentümlich gestaltete Haustür schwang nach innen. Leer gähnender Türrahmen. Der Mann blieb stehen, wendete...

Gänzlich unerwartet tasteten zaghafte Sonnenstrahlen durch Wolkenlücken, bildeten rasch eine Elfenbrücke in kränklichem Gelb. Sämtliche Sicht auf Wohnhaus, den dunklen Mann und halben Hof verdeckt. Dunst waberte ungesund feucht im zerbrochen schwachen Licht sinkender Sonne, welches knapp noch über Dächer hinweg in den Hof fiel. Aber es genügte, entzog forschenden Blicken dahinterliegendes.

"Geh nicht in den Sonnenstrahl tanzender Stäube! Dort verbergen sich Dinge die du besser nicht störst!"

Gleich Leuchtfeuern standen Ingomars dringlich warnende Worte vor Erfrieds innerem Auge, schallten durch Erinnerung. Nicht kleinste Bewegung wagte er, rührte keinen Finger, atmete nicht einmal.

Aber das ist doch gar kein tanzender Staub, suchte er Ausrede... Doch! antwortete lautlose Stimme. Dunst und Nebel sind winzige Wassertröpfchen um tanzende Stäube.

Alle Gedanken zu Ende! - Aus bleich wirbelnder Elfenbrücke drängte die Gestalt des dunklen Mannes. Der beklemmende Dieb blieb mittendrin stehen. Jetzt fiel auch zum ersten Mal dessen fast vollständige Kahlheit auf. Nur Augenbrauen wölbten dichthaarig dunkle Sperren. Das Kopfhaar selbst schien gänzlich kurz geschoren, schimmerte als dunkler Schatten.

Erfried sah Augen... Keine echten Augen... Gar keine Augen! Schwärze floss heraus...



Alle Rechte vorbehalten
Mannie Manie © 1999
Unentgeltliche Weitergabe erlaubt!

weiterblättern: nächste Seite