Keine Antwort, selbst wenn die Sterne eines Tages tatsächlich gezählt. - Es kam ganz plötzlich! Erst schneidender Schrecken, dann schrille Angst, ausgelöst von Stimme ohne Worte und Ton. Unerbittlich stellte sie jene Frage, auf welche es keine Antwort gab und niemals gäbe. Immer wieder raste die Frage durch ihn, tobte und schrie in Gehirnwindungen, gab selbst Antwort. Höhnisches Echo, brodelnder Widerhall aus Dunkelheit, endlos gedehnt.
Er versuchte Gegenwehr, unterließ es dann, wusste, es gelänge nicht. Dem Unvermeidlichen entkommt niemand. Gegen das, was jetzt eintrat, half keine Gegenwehr. Jeder Gedanken als nichtig abgeschnitten, stärkster Ringer machtlos. Und Schusswaffen? Oder gar Bomben? - Vergebliche Mühe!
Von irgendwoher kannte er diese Stimme. Er kannte sie sogar sehr gut, sehr genau. - Aber von wo?
Es raffte ihn fort. In einem Augenblick, unendlich kurz und unendlich lang. Beides ist dasselbe, weil beides ohne Anfang oder Ende. Nacht brach in Nacht, raubte alles Wissen, auch eigenes Bewusstsein. Erinnerung gelöscht, jede Nervenästelung leer, jede Verzweigung im Gehirn. Nur Dunkelheit blieb, drang bis in feinste Fasern, erfasste Zellen, sprang in Moleküle, besiegte Atome, peitschte Elektronen um Kerne, jagte alles davon. Dahinter klaffte Abgrund, Ginnung Gagap, worin selbst Gottheiten nebst himmlischem Gefolge Schicksal erfüllen müssen.
Sturz... freier Fall... Ist der Tod kalt? Ist Finsternis wirklich schwarz? Ist Leere wirklich leer? Wie lange dauert Ewigkeit? Gibt es das Nichts? Allumfassendes Nichtsein?
"Es gibt kein Nichts!" Schwindender Ruf. "Wenn es das Nichts gäbe, dann wäre es kein Nichts mehr, sondern Etwas namens Nichts!"
Verweht... kein Wort... kein Ton... kein Geräusch... kein Geruch...
Gestalt glitt finstere Gebüschwände entlang. Kaum sichtbar, ohne echten Umriss. Dann geriet sie teilweise ins weit entfernte schwache Licht gelblicher Laterne. Echte Aufhellung erbrachte es nicht, lediglich hochgewachsene Schwärze. Schwarze Kleidung? Unverkennbar ein Mann. Langsam schoben Schattenrisse in verdeckende Dunkelung, wohin wenige Lichtstrahlen der Laterne nicht reichten, verschmolzen mit Hintergrund. Selbst flimmernde Sterne des Himmels flüchteten offenbar, verweigerten blassen Schein, verschwanden hinter plötzlichen Wolken.
Sachter Windhauch wisperte in wuchernden Sträuchern. Weitab fiepte Autohupe. Wer drückte sie? Gleichmütig strebte der Dieb des Glanzes davon. Aufgesaugt im wirren Geflecht aus Ästen und Blättern, gebildet von Busch und Baum alter Grünanlage. Lautlos ging er durch, sah kein einziges Mal zurück. Warum sollte er ansehen, was er längst kannte? Wen oder was musste er fürchten?
Er suchte ohnehin keine Opfer, suchte niemals. Ihm gehörte alle erdenkliche Zeit dieser Welt. Früher oder später lief ihm vorbestimmt jemand über den Weg. Jener Menschen Bestimmung ließ sie auf ihn treffen, ihn sehen, ihren Kreis beenden. Was er tun musste, tat er längst. Ohne Gnade, Regung oder Erbarmen. Dabei nicht einmal grausam, konnte es nicht sein. Grausamkeit ist genauso wenig seine Eigenschaft, wie Mitleid. Was man nicht kennt, kann man nicht sein, vermisst es nie, weil für einen selbst gar nicht vorhanden.
Wer nicht weiß, wie Süßes schmeckt, dem ist Bitteres Genuss! - Andererseits kannte er alles durchaus. Kannte Zwiespalt, wusste um damit verbundene Schwächen. Seine stärkste Waffe: Das Wollen, Wissen und Wünschen ausschalten! Niemand erriet dann seine wahren Wege.
Ohne Geräusch durchquerte er die Grünanlage. Nichts zeichnete seinen Pfad. Er suchte nichts und fand stets. Kein Vogel wagte Zwitschern, keine Grille Zirpen. Nur Tonlosigkeit. Hinter ihm raschelten Äste sacht wieder zusammen, flüsterten einander Geheimnisse zu, welche sie eben erspäht glaubten. Lauter werden, schien es, wagten auch Gewächse nicht, angesichts fremder Macht zwischen ihnen. Und so blieb es bei heimlichem Geraune. - Wissen Pflanzen von Furcht? Können Bäume Angst haben? Fühlen Büsche Bange?
Der Dieb des Glanzes, der Räuber der Farben kehrte in angestammte Gefilde zurück, dorthin wo er ursprünglich herkam, sein Heim. Niemand wusste besseren Ort, geschützteren Platz, festere Burg. Dessen ganz sicher, freute ihn diese Tatsache. - Nur Freude, nicht ungebremster Siegesrausch?
Auch die Nacht entschied es nicht, wusste nichts. Zurück blieb tonlose Dunkelheit matter und bleicher gewordener Dinge, fehlender Glanz und stumpfes Schweigen. Weitab wehte leise Musik aus einem Lautsprecher. Einsamer Motor brummte irgendwo, trieb sein Fahrzeug auf Geschwindigkeit, verklang jenseits alter Häuser in schluchtigen Gassen. Wege aus bewohnten Gebäudezeilen, hinaus in ländliche Freiheit. Dort lag noch offener Himmel, blendete keine Leuchtreklame suchende Augen.
Doch Nacht verhehlte überall, was nicht gesehen sein wollte oder sollte. Und der Dieb des Glanzes wollte nicht gesehen werden. Brauchte aber auch nicht gänzlich aus Blickfeld geraten, unsichtbar bleiben. - Einfach gleichgültig.