Am liebsten wollte er gescheiterte Hoffnung und Niederlage laut herausschreien, vermied es gerade noch. Wuttränen und Tränen der Enttäuschung rannen, hinterließen nasse Spuren. Mit dem Handrücken wischte er sie trotzig weg.
Das nützt dir jetzt nichts! Es muss doch noch einen Ausweg geben! Irgendwo müssen wenigstens ausreichende Luken nach draußen sein, die den Keller und das ganze Gewölbe belüften. Es musste so sein, sonst hinge hier überall Erdfeuchte drin. Es wäre modrig, fast nass. Hier unten ist es aber fühlbar trocken.
Seufzend ertastete er busenförmigen Lichtschalter und legte ihn um. "Klack!" Sofort flammten vereinzelte Kellerlampen in Drahtgittern, verjagten härene Finsternis aus untergründigem Gemäuer. Wenigstens das ging!
Wieder am Fuß gewaltiger Kellertreppe, sicherte er aufmerksam in alle Richtung, lauschte angestrengt, ob nicht irgendwoher erneut jemand in die Quere komme. - Nichts. Nur Gewitter grummelte dumpf ums Haus. Schlingend nahm das Gewölbe sämtliche Geräusche auf, saugte hungrig jeden Ton in muffige Weiten und Höhen seiner Gänge und Kammern. Auch von niederschmetternd abgeschlossener Tür kam kein Laut. Erfried erforschte seinen Kerker.
Riesig anmutend verwinkelter Irrgarten. Die reinste Geisterbahn obendrein. Ständig erwartet, es stürze jeden Augenblick aus unwirklich erleuchteten Ecken und Winkeln der Riesengruft ein Ungeheuer, ein Alp. Solches Unwesen zerfetzte mordlustig sein Fleisch in blutige Brocken, fresse es gierig auf der Stelle, schlürfe warm spritzendes Blut. Oder verschleppe ihn haltlos schreiend in irgendwelche Folterkammern. Unzweifelhaft hier vorhanden. Unter entsetzlichsten Qualen hauche er nach Stunden, Tagen oder Wochen sein junges Leben aus. Nackt auf Schlachttisch gekettet. Nach und nach bei lebendigem Leib zerstückelt. Genüsslich vom geschundenen Leib gezerrte Haut ziert dann als grausiges Siegeszeichen die Wand eines Alpgemachs. Im Verlauf langer Jahre zu hartem Pergament erstarrt, oder findet als Lampenschirm absonderlich gegerbten Dienst.
Er schauderte, ging aber trotzdem in Gewölbetiefen. Keine Wahl, wollte er anderen Ausgang finden. Immerhin hinreichend hell, wenn auch nicht überall. Tatsächlich besaßen nächst durchforschte Gewölberäume jeweils kleine Fenster und Luken. Leider sämtlich eng vergittert. Fest eingemauerte Eisen. Kein Durchschlupf. Höchstens behelfe einer Metallsäge käme er weiter. Aber woher nehmen? Danach brauchte er erst gar nicht suchen. Zudem dauert solche Ausbruchsarbeit Stunden. Stunden, in denen die Schwarzalben längst seine Emsigkeiten bemerkten und rasch Abhilfe schufen.
Draußen polterte weiterhin Gewitter. Blitze zuckten ab und an, warfen unheimlichen Schein herunter. Regen prasselte ungehemmt. Donnergrollen verfolgte. Ansonsten sah er in vielen Räumen große Mengen Vorräte. Ausreichend für monatelange Belagerung. Sogar richtigen Weinkeller gab es. Lange Regale voller Flaschen und gewaltige Fässer bargen kostenträchtigen Inhalt. Alben pflegten Lebensart.
Ein großer Raum reihte an den nächsten. Keiner verschlossen oder mit eigener Tür. Alte eiserne Gatter trennten vom Gang, quietschten ärgerlich, drückte man sie auf. In einigen leeren Gelassen setzten traurige Gestelle viel Staub an. Überall gleich entmutigende Tatsache: Eng gemauert vergitterte Luken! Viele Kammern grenzten ohnehin nicht nach außen
Nur in einem Gewölbeteil berechtigte Hoffnung. Ausgerechnet im neuzeitlich angesiedelten Kohlenkeller. Hier lachte weiter oben eine kleine Tür, zwecks einfacher Zufüllung grieseligen Schwarzbrandwerks. Wahre Koksgebirge türmten davor. Mühsam kletterte er hinauf, untersuchte vielversprechende Gegebenheit, rüttelte und zerrte. - Fest verschlossen und ganz aus Eisen gefertigt!
Sagte Ingomar nicht etwas von Heizgas? - Wohl schon. Meinte aber auch, es diene für Heißwasser. Bestimmt steht der Gastank rückwärtig am Haus, verborgen von Hecken und dichtem Strauchwerk. Gasbehälter baut man nicht im Keller ein, wenn außerhalb genug Platz. Man verfuhr im Perchtenhaus zweigleisig, heizte mit Koksbrand von hier unten, nutzte Gas für Warmwasser und zum Kochen. - Genau, in der weiträumigen Küche stand ein großer Gasherd!
Gleichfalls neuer eingerichteter Heizungskeller nebenan. Eine Rutsche verband beide Nachbarräume. Koks sackte in mächtigem Trichter von selbst in die Brandstelle, brauchte nur gelegentlich nachgeladen werden. Gewaltig anmutende Anlage für gesamtes Haus. Umständlichkeit schätzten Alben offenbar nicht. Und da drin, in diesem Höllenloch von Ofen, konnten sie alle störenden Dinge gründlich beseitigen, verbrennen. Leichenreste oder andere unliebsame Hinterlassenschaften fände hier niemand.
Entmutigt stand er wieder am klotzenden Kellertreppenfuß. Den langen Gang, worin beide Dunkelalben vorhin etwas machten oder nachschauten, erforschte er noch nicht. - Bestimmt keine anderen Gegebenheiten. Ganz sicher dieselben Belüftungsluken. Aber vielleicht zusätzlicher Ausgang zum Parkgarten, nicht verschlossen, vergessen? - Ihm blieb sowieso kaum andere Möglichkeit. Nach ergebenem Schulterzucken durchmaß er geforderte Strecke in langen Schritten.