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Abermal, Kapitel 20, Seite 09

flackert


Vor seiner Nase drohte oben rundbogige, alt aussehende Tür aus schwerem Holz. Eiserne Beschläge verliehen zusätzliche Wuchtigkeit. Die Tür zum Keller, in gruseligen Untergrund? Da wollte er so wenig runter, wie in gespenstischen Speicher hinauf. - Gleichgültig! Keine große Auswahl, wollte er schnellstens unsichtbar werden. Jetzt wieder treppauf flüchten, bliebe auf keinen Fall unbemerkt. Man würde ihn bestimmt erkennen und einholen. Alpe können das! Daran zweifelte er nicht.

Geräuschlos gab die Klinke nach und ebenso erstaunlich geräuschlos schwang die dicke Tür in starken Angeln zurück. Nasenfälliger Kellergeruch schlug dumpf herauf. Kein Lichtstrahl! Unverzüglich schlüpfte er durch geöffneten Spalt, schob schweres Türblatt rasch wieder in seinen Rahmen, atmete erleichtert durch.

Draußen verschwanden Schritte aus dem Gang. Doch zugleich näherten andere, offenbar vom entgegengesetzten Ende. Worte wechselten. Genau verstand er nichts, aber schneidend klar: Keller! Aufschießende Angst trieb ohnehin wilden Herzschlag noch mehr an. - Sie kommen hierher, entdecken und fesseln mich! Alle Mühe umsonst!

Durch kaum handbreiten Türspalt glitt schwaches Licht vom Flur herein, zeigte seitlich dunkle Ausbuchtung. Der Lichtschalter? Entschlossen griff er danach, erfühlte kleinen Knauf, legte ihn um. Vernehmlich klackte es, dann sprang ungewohnte Helle in finstere Umgebung.

Er stand auf einer hohen und breiten Treppe aus mächtigen Quadern. Sie reichte in eindeutig sehr altes Kellergewölbe hinunter, das gewaltige Ausmaße haben musste. Aber ihm blieb keine Zeit für genaueren Augenschein. Sofort eilte er kalte Steinstufen abwärts. Erstaunliche Tiefe. Verwirrendes urzeitliches Gewölbe. Rasch suchte er ein Versteck. Gehetzter Rundblick.

Einzige Möglichkeit auf die Schnelle: Der Schatten im Hintergrund der massigen Treppe selbst! Schnell tauchte er darin ein, entdeckte niedrig röhrenförmige Aussparung unter dem Treppenbau. Unterschiedliche Kisten verstaubten dort achtlos, gaben zusätzlich fabelhafte Deckung. Lautlos verschwand er dazwischen, duckte nieder wie verängstigtes Tier. Geschafft!

Oben schob wer die schwere Tür auf. Hörbar tappten Füße auf Steinschwellen, kamen zügig herunter. Stimmen schallten hohl und undeutlich im riesigen Keller, hallten vom Gewölbe wider, verschwanden in endlosen Ecken und unzähligen Ritzen zwischen Quadern. Zitternd saß der Junge im staubigen Winkel, wildes Herzhämmern in Ohren.

"Da hat doch tatsächlich jemand das Licht angelassen und noch nicht einmal die Tür richtig zugemacht!" Herwig Perchten führte offenbar Beschwerde. Dumpf drangen dessen Worte in muffige Trockenheit des Gewölbes.

"Kann ja mal vorkommen", antwortete unbekannte männliche Stimme.

Trappelnde Füße stiegen herunter, gingen irgendwohin weiter. Undeutliche Unterhaltung, zunehmenden Abstands gedämpfter. Vorsichtig lugte Erfried hinter seiner Deckung vor, wagte genügendes Stück heraus, fuhr sofort zurück. Beide Alpe standen am Ende langen Gewölbeganges. Wollte er jetzt aus gruftiger Tiefe nach oben, sähen und hörten sie ihn unweigerlich.

Und dann kamen sie auch schon wieder näher, ihr Vorhaben anscheinend erledigt. Schwere Tritte aufwärts. Schlagartig dunkel. Jemand schlug die Kellertür nachdrücklich zu. - Völlige Finsternis und Grabesschweigen umgab den verängstigten Jungen.

Nach bangem Warten kroch er endlich hervor, tastete blind, stieß mehrmals schmerzhaft das Schienbein an unsichtbare Hindernisse. Ebenso schmerzlich machte sein Ellenbogen mit Steinfügungen des Treppenbaues Bekanntschaft. Aber wenigstens wusste er ungefähre Richtung. Vorsichtig an Mauerungen entlang. Nähere Umgebung des Gewölbes einigermaßen gut in Erinnerung, fand er erleichtert zum Treppenfuß. Endlich! Vorsichtig schlich er aufwärts.

Auf keinen Fall daneben treten und nach unten ins Finstere stürzen! Mit zerschmettertem Kopf läge er auf dem Kellerboden, Blut und Gehirn flössen heraus, versickerten nach und nach in Ritzen. Irgendwann fänden ihn die Schwarzelben, hoch erfreut über sein grässliches Sterben.

Endlos hohe Stufenfolge. Erst recht, wenn man nichts sah, wie in einem schwarzen Loch herumirrte, worin bekanntlich selbst Licht verschwinden soll. Uralt schien das Untergrundgemäuer des Perchtenhauses. Wahrscheinlich bald so alt, wie dessen Steine. Und verwirrend weitläufig, ließ langgezogener, vorhin kurz einsichtiger Gewölbegang ahnen. Unvermutete Ausmaße, sah man dieses Gebäude nur von außen. Unvermutet auch, unfassliches Alter hiesiger Grufttiefe.

Auf allen Vieren erklomm er Stufen. Endlos dehnte Zeit in Steigrichtung. Dann endlich fühlten Finger anderes: Holz! Erfried hangelte daran hoch, suchte klotzige Kellersperre ab, fand erleichtert deren Klinke, drückte sie langsam nieder und zog.

Nichts! Bombenfest verharrte die Tür, machte nicht einmal Geräusche. Nur die Klinke kratzte leise. Er versuchte es abermals. - Gleiches Ergebnis. Von außen verschlossen!



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Mannie Manie © 1999
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