Seite vorher
Seite weiter
Kapitel vorher
Kapitel weiter
Kapitelliste

 

Abermal, Kapitel 20, Seite 02

flackert


Mit dem Russlandfeldzug, Unternehmen Barbarossa, fühlte er längst keine Malessen mehr. Eigener Augenschein überzeugte von der Behauptung des Reichspropaganda-Ministeriums, sie kämen nur bolschewistischem Überfall zuvor. Ausnahmsweise nicht einmal gelogen. Er sah entsprechende Bereitstellungen roter Militärmaschinerie im weiter zurückliegenden russischen Hinterland. Außerdem traute er dem Stalinstaat jede Niedertracht zu, hegte ebenso keine Wunschbilder über den Hitlerstaat. Beides Faschismus widerwärtigster Sorte.

Allerdings lagen die Nazis in einem nicht ganz falsch: Völker sind lebendige Wesen und besitzen Selbsterhaltungstrieb wie Menschen! Daraus bestanden sie schließlich. Wohl gemerkt: Völker! Nicht Nationen! Dies unterschied ihn von imperial religiös gemeinter Sicht. Nationen sind bloße Staatsbevölkerungen. Oft genug, nicht einmal selber Sprache, gezwungen in einem Imperium. Sobald der deckelnde Staat verdient verflüchtigt, kracht das ganze Völkersammelsurium auseinander, geht jedes Volk wieder seiner Wege. Was sonst?

Er zöge gleichfalls aus Wohnungen oder Häusern schnellstens aus, worin er nur durch Zwang lebte und halt so gut es ging mit anderen auskommen musste. Ist es nicht mehr notwendig, dann haut man eben ab, überlässt lästige Nachbarschaft ihrem Schicksal. Was geht die einen denn an? - Nichts!

Und nun hockte er hier und spähte in diesem verschissenen Gebüsch am Rand kleinen Wäldchens in flach hügeliger Landschaft nach Bolschewiken. Außerdem brannte Durst und er schwitzte fürchterlich. Und nur eine Feldflasche mit warm gewordenem Wasser! Obendrein für acht Männer verantwortlich, die darauf warteten, welche Entscheidung er fälle.

Was er entschied, konnte für sie Leben oder Tod bedeuten. Er mochte diese aufgeweckten Burschen, seine Kameraden. Furchtbare Vorstellung, verschulde er auch nur einem Tod, schwere Verwundung oder Gefangenschaft, was gleichfalls ihrer aller Ende bedeutete. Es liefe jedes Mal auf dasselbe raus. Gottverfluchter Mist! - Sollten sie einfach bis zur Dunkelheit abwarten?

Aber übermäßig lange konnten sie hier nicht bleiben, mussten bald zu ihren Linien zurück. Rote Horden rückten auf Minsk vor, schnitten ihnen letztlich den Weg ab. Ein Flieger holte sie hier bestimmt nicht raus. Das konnten sie allesamt vergessen. Klappte ja nicht einmal annähernd in Stalingrad. Ganze Heeresgruppe im Arsch, wegen diesem schweineblöden fetten Göring und seiner miesen Luftwaffe.

Wind kam auf, brachte jedoch kaum Kühlung, rauschte im Wäldchen. Laub umliegender Gebüsche raschelte. Walter Reddiger äugte vorsichtig nach hinten. Irgendein Geräusch erregte sein Misstrauen. Die Kameraden lagen gut getarnt im dichten Strauchwerk, sicherten ihrerseits zur Freifläche hinaus. Jeweils etliche Meter Abstand zueinander.

"Knack!" Reddiger griff nach seiner Pistole, drückte deren Sicherungsbügel beiseite. Angespannt lauschte er, äugte in wirren Schattenwurf kratziger Gewächse. - Nichts! - Kein Wunder. Alles schwankte im Wind hin und her.

Wenn das ein Iwan ist, dann lebt der nicht mehr lange, dachte er gerade grimmig, als eine Stimme wisperte: "Hej, Walter! Walter, hörst du? Ich bin's, Mattern!"

Dieser blöde Mattern! Was will der denn? Wütend über die Unvorsicht seines Kameraden fauchte Walter Reddiger: "Ja! Ich hör' dich! Was willst du denn, verdammt?"

Aus zähem Unterholz kroch Obergefreiter Robert Mattern, schob sein etwas teigiges Gesicht durch Zweige. Schief hing ihm der Stahlhelm auf dem Kopf. "Ich wollte nur wissen, ob du was entdecken konntest? Ich und auch die anderen können da draußen nichts Verdächtiges sehen. Hast du dich schon zu was durchgerungen...?"

"Verdammtnochmal!" zischte Reddiger. "Du hast auf deinem Posten zu bleiben und die Umgebung im Auge behalten! Bist du irrsinnig geworden?"

"Jetzt stell' dich doch nicht so an, Walter. Da draußen ist nichts und wir können nicht ewig hier drin bleiben, weil wir sonst nicht mehr zu unserer Truppe zurückkommen. Irgendwas müssen wir machen."



Alle Rechte vorbehalten
Mannie Manie © 1999
Unentgeltliche Weitergabe erlaubt!

weiterblättern: nächste Seite