Seite vorher
Seite weiter
Kapitel vorher
Kapitel weiter
Kapitelliste

 

Abermal, Kapitel 12, Seite 08

flackert


Drängender Eindruck, Gräfin Dahlendorf seien solche Fragen nicht recht. Sie blickte ihn schweigend länger an, dann meinte sie zurückhaltend lächelnd:

"Nun, es ist mit denen vom Haus bei der Ronnburg ganz ähnlich, wie mit der alten westpreußischen Familie der Salzburger, derer vom Schmölenhof. Viele Sippen und Familien die kein Adelsprädikat im Namen führen, vermögen dennoch auf eine Ahnenreihe zurückblicken, die den Ahnenreihen vieler Adelshäuser gleichkommt oder sogar übertrifft. Letzteres ist im Hause bei der Ronnburg der Fall.

Sie blieben all die Jahrhunderte unerfindlich standhaft dabei, kein Adelsprädikat anzunehmen, lebten immer zurückgezogen und unauffällig, besaßen aber einen Einfluss, welchen lange Zeit nicht einmal die Grafen von Dahlendorf innehatten. Ihr Einfluss gründete nie in Reichtum, obwohl keineswegs je arm. Freilich, niemals so reich, wie viele Adelshäuser im Umland. Aber darauf legten sie auch keinen Wert. Ihr Einfluss auf die Menschen war immer von ganz anderer Art. Man fürchtete sie stets, sogar so sehr, dass selbst die tobende Inquisition niemals wagte, einen der Vorfahren der Familie Perchten anzugehen. Auch keines der großen Adelshäuser mochte es mit dieser alten Familie verderben. Man ließ sie einfach in Ruhe.

Meines Wissens, taten die von der Ronnburg anderen dafür auch nichts an. Die einfachen Leute glaubten natürlich an geheimnisvolle magische Mächte, die das alles bewirkten. Mich wundert es nicht, denn schließlich war es immer schon sehr ungewöhnlich, wenn Leute, eine ganze Sippe, auf Güter und offene Machtausübung keinen besonderen Wert legten. Zumal, in all den vielen Jahrhunderten zuvor.

Es gibt nur einen berichteten Fall, wo die von der Ronnburg angeblich eingriffen. Das ist aber schon bald fünf Jahrhunderte her. Damals sollen sie - oder mit ihrer nachdrücklichen Hilfe geschehen - einem Prälaten den Garaus gemacht haben, der als wüster Hexenjäger und übler Inquisitor einen schlimmen Ruf im ganzen Lande besaß. Reihenweise fielen ihm gesichert unschuldige zum Opfer. Auch die Grafen von Dahlendorf konnten seinem grausigen Treiben nur zusehen. Ob es aber tatsächlich so geschah, wie erzählt wird, ist nicht verbrieft. Aber es soll sehr wahrscheinlich sein."

Erfried hörte gespannt zu. "Wie haben die das denn angestellt?"

"Wie ich schon sagte: Nichts davon ist irgendwie gesichert oder sonst wie verbrieft! Es ist alles sehr sagen- und nebelhaft. Die vom Haus bei der Ronnburg sollen einen dunklen Diener aus dem Jenseits gerufen haben oder selbst als solche tätig geworden sein. Es kam angeblich vermehrt zu unerklärlichen Todesfällen. Eines Tages sei der Prälat, jener abscheuliche Inquisitor, blind durch die Gassen unserer kleinen Stadt geirrt, schwor den Menschen hier grausame Rache. Dann verschwand er ebenso plötzlich, wie er auftauchte. Seine Augen waren angeblich vollkommen schwarz geworden."

Erfried überlief es eiskalt. - Erneut die schwarzen Augen! Der Dieb des Glanzes, der Räuber der Farben!

Ist es der alte Fluch des Bösewichts aus Rom, der Fluch des Inquisitors? Sind die Vorfahren der Perchtens Verursacher unerklärlicher Todesfälle, welche seit dem Krieg angeblich wieder zunahmen? Haben die heutigen Bewohner des Hauses bei der Ronnburg abermals damit zu tun? Mussten sie ihren dunklen Diener gewähren lassen, sozusagen als Lohn für dessen Dienste? Sind sie es womöglich selbst, die Finsternis über diesem Landstrich aufkommen ließen, der Dieb des Glanzes einer von ihnen?

"Mehr weiß ich aber auch nicht", holte ihn die alte Gräfin aus innerem Schauder. "Außerdem ist das auch kein sonderlich angenehmes Thema. Es tauchte in der Folgezeit ohnehin kein Prälat oder sonst ein Würdenträger der römischen Kirche mehr auf. Inquisitoren sowieso nie wieder! Die Reformation hielt Einzug und die Grafen von Dahlendorf, mittlerweile mächtig genug, entfernten sämtliche Amtsträger der römischen Kirche aus der Gegend. Selbst die Messe mit der Eucharistiefeier wurde streng verboten, galt als übler Zauber. Erst nach den napoleonischen Eroberungskriegen kamen wieder einige wenige römisch Gläubige ins Land."

Damit schien für sie die Unterredung beendet. Erfried sah an ihrem Gesichtsausdruck, sie habe mehr preisgegeben als beabsichtigt. Offensichtlich fand sie ebenfalls das Haus bei der Ronnburg und die Ronnburg selbst nicht sehr geheuer. - Weshalb fand man in ihrer Bibliothek nichts darüber oder lagerte angeblich auf dem Gut?

Düsteres Schweigen entstand. Gedankenverloren ließ Erfried den Blick schweifen. - Du bist selbst schuld! Du wolltest alles wissen und hast eine Antwort bekommen, die dir überhaupt nicht gefällt! - Er fühlte plötzlich unbestimmte Angst ansteigen. Und sie wurde auch kaum geringer, als tiefer gesunkene Sonne eine breite Elfenbrücke durch weit offenstehende Doppeltür vom Garten in die Bibliothek zauberte. Normalerweise märchenhaftes Schauspiel, worin man seelenvoll versank. Aufmerksam folgte Gräfin Dahlendorf seinem versonnenen Blick, erkannte, woran er hängen blieb und eintauchte.

Als ihre unheimlich veränderte Stimme die Bibliothek füllte, wollte ihm das Blut in den Adern gefrieren: "Geh nicht in den Sonnenstrahl tanzender Stäube! Dort verbergen sich Dinge, die du besser nicht störst!"



Alle Rechte vorbehalten
Mannie Manie © 1999
Unentgeltliche Weitergabe erlaubt!

weiterblättern: nächste Seite