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Abermal, Kapitel 09, Seite 03

flackert


Unter beschwingtem Lachen nahm sie Tasse samt Untertasse vom Tablett, goss heiß dampfenden Schwarztee ein. Danach wies sie einladend zum gut bestückten Kuchenteller und setzte sich. "Nimm's einfach in die Finger. Hier krümeln, ist wirklich keine Schande. Dort sind Zucker und Sahne für den Tee, wenn du magst."

Ungewohnt hofiert nahm Erfried wieder Platz. Noch nie lud ihn eine Dame zum Tee ein. In der Bachgasse trank gewöhnlich niemand Schwarztee. Nur hin und wieder bekam seine Mutter kurze Anfälle an gutstöchterlich lang verflossene Zeiten und brühte englischen Fünfuhrtee, statt des üblichen Kaffees um vier. Unsicher hielt er die flache Teetasse, nahm vorsichtig ersten Schluck. - Schmeckte einigermaßen bitter. Diesen Tee musste man wohl mit Milch und Zucker trinken.

Er holte es nach, unterdes von Frecke, dem Bernhardiner beschnüffelt. Abschließend legte dieser ausgesprochen massigen Kopf auf Erfrieds Schenkel, sah ihn erwartungsvoll an. Erfried kraulte ihn im Genick, was Frecke augenscheinlich sehr genoss. Große nasse Zunge flatschte breit über Erfrieds Handrücken. Der Hund wuffte einmal und trottete gemächlich von dannen. - Band zwischen Mensch und Hund geflochten, Freundschaft für ganzes Leben geschlossen. So einfach geht es, mögen und achten zwei Wesen einander.

Schweigend und erstaunt lächelnd verfolgte Frau Perchten das Geschehen. "Also, das habe ich bisher noch nicht erlebt! So schnell hat Frecke noch nie Freundschaft mit jemandem geschlossen. Der hat dich eben in die Familie aufgenommen. Du gehörst jetzt zu seiner Bande. Tiere haben ein untrügliches Gespür für verwandte Seelen, sagt man allgemein." Sie lachte vergnügt. "Mich wundert es auch deshalb, weil er mit Gundram nicht gut kann. Gundram ist mein jüngster Sohn, also Ingomars jüngerer Bruder. Weshalb Gundram und Frecke einander aus dem Wege gehen, weiß ich auch nicht. Gundram ist ein guter Junge und hat Frecke bestimmt nichts angetan. Aber Zeit seiner Jahre, entwickelte er noch nie sonderliche Neigungen für Frecke, und umgekehrt auch nicht."

"Vielleicht liegt es auch daran, weil ich recht gern selbst einen Hund hätte. Aber das geht bei uns in der Wohnung nicht. Und es sei auch zu teuer, meint meine Mutter. Und ihr Gundram ist daran einfach gewohnt, nehme ich mal an."

"Ja, da hat deine Frau Mutter sicher nicht ganz unrecht, und du sicher auch. Viel fressen tut so ein großes Hundewesen schon. Außerdem kostet der Hundesteuer und hin und wieder eine vorsorgliche Untersuchung beim Tierarzt. Platz und Auslauf braucht so ein Tier gleichfalls sehr viel. Den gibt es hier allerdings." Sie wies lächelnd in den fast parkgroßen Garten.

"Das ist wirklich ein sehr schöner Garten, den sie hier haben, Frau Perchten. Die meisten Gärten sind immer viel kleiner und ganz furchtbar viel geharkt. Man kann in denen dann gar nicht herumlaufen, nur angucken."

"Ja, das ist wahr", lachte sie. "Ich finde ebenfalls, ein Garten am Haus muss begehbar sein, man sollte darin auch gleichsam wohnen. So ein Garten ist Teil der Landschaft und des Lebens und keine Puppenstube mit ständig gemähtem Rasen, gestutzten Bäumen und kleingeschnittenen Hecken oder eine ausschließliche Gemüsezuchtstelle. Bei einem wesentlich kleineren Garten muss man natürlich entscheiden, ob man einen Nutzgarten oder einen Wohngarten will."

"Und sie haben sich hier ganz für einen Wohngarten entschieden?"

"Nein, nein. Hinter dem Haus geht das Grundstück noch ein gutes Ende weiter. Da ist ein Nutzgarten mit Kräutern, Gemüse und anderem. Außerdem stehen hier vorn und dort hinten hinaus viele verschiedene Obstbäume. Und die Hecken tragen auch ihre Früchte. Frische reife Brombeeren schmecken ausgezeichnet. Aus Hagebutten und Rosenfrüchten lässt sich viel wohlschmeckendes machen. Konfitüre beispielsweise. Rosenkonfitüre ist ein äußerst erlesener Hochgenuss! Obendrein sind solche fast wilden Früchte sehr gesund. Soviel, wie hier schon ganz von allein wächst, können wir meist gar nicht verbrauchen. Aber die freien Tiere brauchen im Winter ja auch etwas. Das muss man ihnen überlassen und nicht alles für sich nehmen."

"Ach, ich dachte, das Grundstück sei an der Ronnburg zu Ende."

"Die Ronnburg gehört zum Grundstück dazu. Wir sind sozusagen ihre Hüter. Dahinter geht es noch ein hübsches Stückchen weiter mit unserem Land."

"Dann sind sie ja so was wie eine hohe Burgfrau oder eine Rittersgattin", Erfried musste unwillkürlich grinsen, Burgfrauen und -fräulein aus Sigurdheften im Sinn.



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