Seite vorher
Seite weiter
Kapitel vorher
Kapitel weiter
Kapitelliste

 

Abermal, Kapitel 20, Seite 01

flackert


Unteroffizier Walter Reddiger kniff die Augen zusammen. Hitzegeflimmer über ausgedörrtem Grasland verschleierte Einzelheiten. Undeutliches Gewirr. Er erkannte nichts. Flatternd bewegte aufsteigende Hitze die Luft über russischer Steppe hinter den Pripjetsümpfen. Alles waberte, verschwamm in heißer Mittagssonne des Sommers 1943. Und Sommer in Russland sind irrsinnig heiß. Fast so heiß, wie sonst in Gegenden am Mittelmeer und in Nordafrika. Entsprechend lausig bis schweinekalt, der sprichwörtliche russische Winter. Auch durch den Feldstecher nichts als wabernd schlierige Luft sichtbar, tanzende Umrisse dahinter. Einfach zum Kotzen!

Den nutzlosen Feldstecher legte er beiseite, rieb über angestrengte Augen, behielt aber alles unter Beobachtung. Man kann ja nie wissen! Gedankenverloren schraubte er seine Feldflasche auf, nahm einen Schluck. Knapp beherrschte Abscheu ließ ihn eklig warmes Wasser nicht ausspucken. Er schluckte widerlich schmeckende Flüssigkeit herunter. Das brackige Wasser aus vereinzelten flachen Brunnen, Bächen und Teichen dieser grässlichen Gegend musste abgekocht werden. Wenig empfehlenswert, im drückend heißen Russlandsommer, diese Brühe einfach so trinken.

Sie saßen fest, wagten keinen Schritt über weite Freifläche, solang nicht sicher, ob und wo hier irgendwelche dieser verdammten Kommunisten rumkrochen. Wenn, dann würden sie weggeputzt. Keine schlechten Schützen diese Iwans, mussten sie in zurückliegenden Kriegsjahren oft bitter feststellen.

Südlich von Minsk nach Osten aufgebrochen, sollten sie hinter vorrückende bolschewistische Dampfwalze schleichen und deren Nachschub sabotieren. Ihre Aufgabe, ausdrücklicher Befehl! Es musste sein, und sie wollten es auch durchführen. Das stand für alle anderen acht Männer seiner Gruppe so fest wie für ihn. Prächtige Kerle! Wie Pech und Schwefel hielten sie zusammen, dafür gründlich in Wehrmachtssondereinheit ausgebildet. WSE 2102!

Keiner wusste übrigens, was '2102' eigentlich besagte oder woraus abgeleitet. Obergefreiter Alfons Heinze witzelte einmal, es könne vielleicht Führers richtiger Geburtstag sein, vor Feindohren geheimgehalten, damit sie dessen wahres Alter nicht erfuhren. Alle verstanden sehr gut, worauf Alfons damit anspielte: Nervtötende Aktion 'Feind hört mit!'.

Jeder lachte, außer Robert Mattern. Der bekam nicht einmal seine Kiemen auseinander, machte nur saures Gesicht. Überzeugter Nationalsozialist. Er glaubte den ganzen Quatsch tatsächlich. Idiot! Aber größerer Idiot als jene Bolschewiken da draußen letztlich auch nicht. Die glaubten den ganzen Propagandamist ihrer Partei ja auch.

Eigentlich gar kein Unterschied, überlegte Walter Reddiger, durchschaute geschwätzige Politmaschen seit dem Hitler-Stalin-Pakt endgültig. Berühmtes Tüpfelchen auf dem 'i', wonach für ihn feststand, wie sehr er sein Leben lang bis dahin verarscht wurde. Einst überzeugter Jungkommunist und fanatischer Feind der Hitlerbande, vorher selbst jung und doof genug, nahm er dieses ideologische Gesäusel wirklich wichtig. Doch nach 1936 lernte Walter Reddiger gezwungenermaßen auch die andere Seite persönlich kennen. - Alles Mist! Kein Unterschied!

Nur andere Parolen und Schlagworte. Leicht austauschbar. Im übrigen, Bande machtgierig selbstgefälliger Halunken. Einzelne Menschen zählten da nicht. Scheißegal, für Braune, wie für Rote! Walter Reddiger kannte bolschewistische Terrormachenschaften genau, konnte zuverlässige Vergleiche ziehen und erkennen, wie erschreckend sie übereinstimmten. Wahrscheinlich vielfach nur voneinander abgeguckt. Wäre KPD-Chef Teddy Thälmann Reichskanzler geworden und nicht Hitler, verliefe kaum etwas anders. Statt Hakenkreuz, Hammer und Sichel oder ähnliches und teilweise andere Leute im KZ. Aber es hieße dann ja wohl Gulag. - Mag das rote Schwein im KZ verrotten!

Nach dem Hitler-Stalin-Pakt begriff er, nur eines durfte für ihn wichtig sein: Menschen die er liebte! Obendrein selbst nun mal Deutscher, bildete eben Deutschland das für ihn nächstsitzende Hemd, und nicht blöd verschwafelter Internationalismus. Von Roten stets über Bord geschmissen, sobald hinderlich. Konnte ihm piepegal sein. Beides grausige Diktaturen. Und wie den Russen, stand ihm eigener Diktator immer noch näher als ein fremder. Völlig wurscht! Man wollte überleben und durch diesen ganzen verdammten Schlamassel kommen.



Alle Rechte vorbehalten
Mannie Manie © 1999
Unentgeltliche Weitergabe erlaubt!

weiterblättern: nächste Seite