Im riesigen verglasten Wohnraum spähte Herwig Perchten lange angestrengt nach draußen. Alle warteten beim Ausgang zur Terrasse auf Anweisung. Weshalb er so lange und derart aufmerksam Hügel und Umgebung musterte, verstanden sie bald. - Scheinwerfer glitten leicht abschüssige Straße am Hügelfuß entlang, tasteten träge, verhielten. Spannung lastete.
"Ein Streifenwagen", warnte Herwig Perchten. "Jetzt steigen zwei Polizisten aus und schauen unsere Autos an. - Mist! Wenn die misstrauisch werden, dann finden sie schnell heraus, wer ausgerechnet hier parkt... Runter! Duckt euch!" zischte er plötzlich scharf. Seine hohe Gestalt verschwand vom helleren Hintergrund der Glaswand. Unruhig und grell brach gleich darauf breit flutender Lichtkegel herein.
Gerade noch rechtzeitig geduckt! Von unten herauf erfassten Lichtstrahlen nur höherliegende Teile im Innern. Diensteifriger Beamter suchte alles genau ab, konnte nichts Verdächtiges sehen, hauptsächlich Raumdecke und Unterseite des Terrassendachs. Nach ausgiebigem Tanz über gesamten Hügel verlosch der starke Suchscheinwerfer. Dann brummte unten ein Motor. Herwig Perchten gab Entwarnung.
Nach und nach tauchten alle aus Deckung hoch, sahen den Streifenwagen langsam davonrollen und schließlich hinter Straßenbiegung verschwinden. Nur dessen Scheinwerfer blitzten noch einige Male durch Lücken zwischen Bürgerhäusern, Bäumen und Hecken. Dann verschwand amtliches Fahrzeug irgendwo. Vor dem kahlen Hügel herrschte wieder nächtliche Totenstille kleinen Parkviertels.
Fast halb zwei Uhr. Später als gedacht. Mond schien ungewohnt hell, inzwischen Himmelsrand etwas näher. Wolkenlose Nacht. Silberschein wanderte allmählich unter das Terrassendach. Kein einfacher Weg zu abgestellten Autos.
"Hätte Gundram den Polizisten denn nicht besser die Wahrnehmung wegnehmen sollen?" grinste Erfried, fände es sehr spannend, ausgerechnet argusäugigen Gesetzeshütern eins auswischen.
"Nein, bloß nicht! Keine kindischen Machtspielchen! Das kann gewaltig ins Auge gehen!" Ingomars entsetztes Gesicht erkannte man selbst im wenigen Halblicht. "Werden die dummerweise gerade über Funk angesprochen, reden die völligen Unsinn oder melden sich erst gar nicht. Das würde die Funkwache mitkriegen und misstrauisch werden, zumindest aber auffallen. Und die Streifenpolizisten merken dann womöglich, dass ihnen wundersam die eine oder andere Zeit abhanden kam. Keine unnötigen Eingriffe! Nur im Notfall, wenn die hier heraufgekommen wären."
"Aber hier sind doch überall die Fallen?" verwunderte Erfried.
Oskar Dimpfl erklärte kopfschüttelnd: "Die Fallen sind wie uns're Sperren. Die sprechen auf das Wollen, die Gedanken und Ziele an. Ein toter Briefträger im Garten, oder so was, ist nicht gerad' g'scheit und sieht recht unaufg'räumt aus. Unser Feind ist doch nicht blöd! Das ist hier kein Heldeng'schiss aus Amerika, mit Supermann oder so einem anderen halb nackert strammen Muskelarsch. Da ist der arge Bösewicht irgendwo doch bloß ein Blödian und alle Autos fahren immer gleich los, werden nicht geklaut und die 'Guten' können machen, was sie wollen. Ein Schuss: Zehn tote Indianer! Und am End' kommt der lustige Witz." Er lachte leise. "Harmlose Leut' täten sich hier halt sehr unwohl fühlen und keine große Lust haben, wiederzukommen, bekämen Angst. Sollten die oder die Beamten aber anderes oder mehr versuchen, als bloß nach dem Rechten schauen oder Post bringen und solches, dann erging's denen übel."
"Verstehe", raunte Erfried. Deshalb wurde Gundram nicht bereits ab der Ronnburg eingesetzt, von wo sie ohne Licht und Motor bergab rollten. Kein unnötiges Gemache, wenn's auch anders geht!
"Gundram, du musst mit mir auf die Terrasse gehen", flüsterte Herwig Perchten.
Wortlos folgte er, wurde von seinem Vater zum äußersten Rand der Betonierung geführt. Hier lag gerade noch eine Ecke völlig dunkel. Aber beste Sicht über gesamte Freifläche und Häuser und Gärten unten. Wenige Augenblicke später kam Herwig Perchten zurück, winkte sie hinaus.
Draußen flüsterte Oskar Dimpfl: "Der Rückweg geht nicht, wie der Weg hier rauf, Leute. Wir können den normalen Plattenweg gehen, soweit ich das von hier aus feststellen kann. Dummerweise ist's halt vom Mond her sehr hell und wir können nicht auf der Rückseit' vom Hügel verschnaufen oder abwarten, falls irgendwas nicht hinhaut."
"Gundram wird das schon schaffen", versicherte Ingomar. "Hier sind ja nicht so sehr viele Häuser, von wo man alles einsehen könnte. Also braucht er im Fall des Falles nur den einen oder die andere gängeln."
"Wenn's meinst?"
"Doch, doch, Oskar", beruhigte Herwig Perchten.
"Gut, dann packen wir's halt."