Was ist mit Familie Perchten? Warum behaupten alle, die schotten sich um bald jeden Preis ab? Er gewann doch ganz anderen Eindruck. - Sehr eigenartig! Umgab Perchtens ein dunkles Geheimnis? Lagerten sie vielleicht eine mehr oder weniger sprichwörtliche Leiche im Keller? Nur eine oder gleich ganzen Stapel? Eine sprichwörtliche sicher, daran konnte gar kein Zweifel mehr bestehen. Hoffentlich keine echten! gruselte Erfried. Man kann ja nie wissen... Kotzen Pferde vor der Apotheke?
Er stieg die Treppen zur kleinen Wohnung hinauf.
"Wo hast du dich denn so lange herumgetrieben?" empfing ihn seine Mutter verstimmt. "Das Essen steht schon eine ganze Weile auf dem Tisch und die Kartoffeln werden langsam kalt. Reinhild und ich haben schon ohne dich gegessen."
"Ich wollte in die Stadtbücherei. Aber die war zu. Und darum bin ich in die Buchhandlung Zeisig gegangen. Das hat so lange gedauert, Mama."
Einigermaßen versöhnt sah sie ihn an. "Was wolltest du denn in der Stadtbücherei? Die hat ab Freitag mittag immer geschlossen."
"Ich wollte mehr über die alte Ronnburg erfahren. Das hatten wir in der letzten Klasse nur mal eben so im Heimatkundeunterricht. Das war nicht viel, Mama."
"Über die Ronnburg! Soso! Und in der Buchhandlung?"
"Frau Zeisig sagte, dass es im Handel wohl nichts mehr gäbe und sie selbst auch nichts hätte. Ich sollte es mal bei der Gräfin Dahlendorf versuchen. Die haben dort ein sehr umfangreiches und altes Archiv, meinte Frau Zeisig. Sie sagte auch, ich solle mich auf sie berufen, wenn ich dort vorspreche."
"Du meine Güte, Junge! Du willst die alte Gräfin belästigen? Es muss dir ja sehr wichtig sein mit deinen neuen Bekannten. Wie heißen die doch gleich?"
"Perchten!"
"Richtig! Jetzt weiß ich wieder. Aber jetzt setze dich endlich hin und esse, bevor die Kartoffeln endgültig kalt werden."
Es gab eingelegten Matjes mit Pellkartoffeln. Er mochte das ganz gern. Lieber aber, Bismarckheringe. Die machte seine Mutter immer besonders gut. - Wirklich nicht mehr sehr warm, die Krummbirnen. Ihm schmeckte es trotzdem. Nach dem Essen, räumte er Teller und Besteck zum Abwasch. "Soll ich gleich meine Schularbeiten machen oder abtrocknen, Mama?"
"Komm mir bloß nicht so!" lachte Eleonore Gundeleit. "Ich weiß doch ganz genau, dass du deine Schularbeiten nur machen willst, um dich vor ein bisschen Hausarbeit zu drücken. Falls du sie überhaupt gleich machst und nicht nur so tust. Also kannst du auch abtrocknen."
Begleitet von Reinhilds munterem Geplapper wurde abgewaschen und abgetrocknet. Abwaschen brauchte er nicht mehr, seitdem ihm das eine oder andere Stück Geschirr dabei zu Bruch ging. Reinhild schwärmte unterdes von einer neuen Freundin, die entsetzlich viele Puppen besaß und gestern zum Geburtstag eine riesengroße Negerpuppe bekam. Erfried ließ der Verdacht nicht ganz los, beschwärmte neue Freundin sei nur wegen großer Puppenschar eine Freundin. - Na ja, in Reinhilds Alter erklärt er auch etliche nur wegen deren elektrischer Eisenbahn zu Freunden. Kein Unterschied. Außerdem machte man das in einer oder anderer Weise auch weiterhin ganz genauso. Ist wohl eine menschliche Schwäche, stellte er altklug fest.
Um fünf vor drei meinte Mutter Gundeleit: "Ich werde mich jetzt umziehen. Heute ist unser Kaffeenachmittag und am frühen Abend der Bibelkreis. Ich komme also bestimmt erst nach acht wieder. Du achtest bitte darauf, dass Reinhild rechtzeitig nach Hause kommt und ins Bett geht. Für euer Abendessen habe ich schon alles gerichtet. Nur Brot musst du für dich und deine Schwester noch schneiden."
"Ist gut, Mama. Wo finde ich Reinhild?"
"Sie ist im Nachbarhaus bei ihrer Freundin. Du kennst das doch. Zwischendurch sind die Kinder auch hier oder sogar die ganze restliche Zeit." Umgezogen verschwand sie samt Reinhild treppab.
Aha! Ab heute abend ist dann abermals allwöchentlicher Buß- und Bettag angesagt. Aber morgen abend ist es ja wieder vorbei. - Wollen wir doch schwer hoffen und nicht eines unschönen Tages Dauereinrichtung. Wäre ja schrecklich! graulte Erfried vorsorglich.