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Abermal, Kapitel 06, Seite 02

flackert


Eleonore Gundeleit sah ihren Sohn aufmerksam an. "Ist in der Schule alles in Ordnung?"

"Ja, Mama."

"Wirklich? Hast du auch keine Schwierigkeiten?"

"Nein, Mama. Alles in Ordnung."

"Bist du vielleicht krank? Du siehst so blass aus."

"Nein, Mama."

"Ja, Mama! Nein, Mama!" entfuhr ihr ärgerlich. "Was ist denn los mit dir, du bist so anders? Was stimmt denn nicht?"

"Ich fühle mich nicht wohl."

"Hast du Fieber?"

"Ich glaube nicht."

"Der hat vielleicht Liebeskummer!" krähte Reinhild dazwischen und verfiel in albernes Gekicher.

"Halt die Klappe!" fuhr Erfried seine kleine Schwester an.

"Hallo, junger Mann! Solche Ausdrücke gibt es hier nicht! Ist das klar?" Eleonore Gundeleit hob nicht einmal die Stimme, was ihrer Zurechtweisung trotzdem oder gerade deswegen gehörigen Nachdruck verlieh.

Erfried schwieg verbissen. Er wollte auf keinen Fall zugeben, welche höllischen Ängste er heute ausstand, in panischer Furcht vor einer Sache, einem Ding flüchtete, nichts davon erklären konnte.

"Also, Erfried, ich habe keine Lust, dir jedes Wort aus der Nase locken zu müssen. Wenn du ein Problem mit dir herumschleppst, dann kannst du mit mir darüber sprechen, wenn du willst. Wenn nicht, dann willst du eben nicht. Beschwere dich aber nicht darüber, dass mir so etwas egal wäre."

"Ja, Mama."

Eleonore Gundeleit schüttelte missbilligend ihren Kopf und räumte den Tisch ab. Sie wusste als Mutter, im Alter von knapp dreizehn Jahren stecken Jungen in schwieriger Zeit. Keine Kinder mehr, aber auch noch längst keine Männer, spüren und erleben sie Veränderungen, mit denen sie nur schwer zurecht kommen. Das dauert, bis sie es gewohnt sind.

Kurz danach verschwand Erfried schweigsam in sein Zimmer, das er allein bewohnen durfte, seit beide älteren Geschwister nicht mehr ständig Zuhause lebten. Er starrte fast unausgesetzt auf ein und dieselbe Stelle, sah ständig jene erschreckenden Augen. Sogar an der Lampe erblickte er quellende Schwärze. Hinter glockenförmigem Schirm verformte die brennende Glühbirne in dunkel glitzerndes Auge.

Er brauchte Ablenkung. Am besten, einige Schmöker vom Boden holen, in heile Welten flüchten, wo am Ende stets alles gut ausging. Seine Mutter machte ja deutlich, sie wolle darüber nicht mehr meckern und tat es eigentlich auch schon seit einem Jahr nicht mehr. Also konnte er alle Schundhefte genauso gut im Zimmer behalten.

Er nahm im eng bemessenen Flur den Schlüssel vom Haken und stieg steil schmale Bohlentreppe hoch. Wie üblich klemmte die alte Bodentür. Nur unter einigem Kraftaufwand ging das widerspenstige Ding auf. Schauder rann, als er in düsteren Dachboden sah. Er schüttelte aufkommende Furcht mutig ab. "Memme!" Den Lichtschalter fand er im Dunkeln rasch, drehte ihn herum. "Klack!" Atem stockte.

Kaltes Licht nackter Glühbirne offenbarte niederschmetternden Anblick. Heilloses Durcheinander im normalerweise geordneten Abstellraum. Regale teils umgeworfen, schief und schräg. Inhalte über grobe Dielen verstreut, mutwillig kaputtgemacht oder beschädigt. Auch seine heiß geliebten Schmöker! Wuttränen stiegen. Doch er drängte sie hasserfüllt zurück. Das wollte er nicht mehr!

Voller Ärger hinunter. Die Tür blieb einfach offen stehen. Eleonore Gundeleit trocknete gemeinsam mit Reinhild gerade Abwasch ab. Empört stand er vor seiner Mutter. "Du sagtest doch, dass du meine Hefte auf dem Boden in Ruhe lassen wolltest!"

"Das lasse ich schon seit einem Jahr. Was soll das? Und mäßige bitte deinen Ton!"

"Warum hast du sie dann alle zerrissen und auf dem ganzen Boden verstreut?"

"Wie kommst du dazu, mir so etwas zu unterstellen?" Ihre Stimme verriet eindeutig Ärger. "Glaubst du wirklich, ich wäre dermaßen kindisch? Wenn, dann wären sie in den Kohlenofen gewandert. Ich mache mir doch nicht die Mühe, das zu zerreißen und auf dem Boden verstreuen."

"Und wer war es dann? Ich doch nicht selber!"

"Also, das sehe ich mir jetzt mal an", schnaubte Eleonore Gundeleit. Gemeinsam nach oben. Sie wurde blass beim Anblick angerichteter Verwüstung. "Das war ich nicht! So eine hundemäßige Unordnung veranstalte ich bestimmt niemals."

"Wer hat das denn bloß gemacht..." Erfried schien Tränen nah.



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