Seite vorher
Seite weiter
Kapitel vorher
Kapitel weiter
Kapitelliste

 

Abermal, Kapitel 08, Seite 01

flackert


Beißender Schreck! - Der Dieb des Glanzes! Der Räuber der Farben!

Keine Einbildung aus Abenteuerlust! Alles lief wirklich ab! Selbstbetrug, nichts als Selbstbetrug! Ein Haufen fauler Ausreden!

Grausam klar tauchten saugend schwarze Augen des dunklen Fremden wieder auf, starrten, zogen unwiderstehlich näher, raubten alles, hinterließen leere Hülle ohne Inhalt. Schwarz und kalt! Nur ganz knapp entkam er Herbert Welzers Schicksal, den es eisig fortraffte.

Taumelig griff er rasch zur Klinke offener Wohnzimmertür, spürte alles Blut aus seinem Gesicht weichen, brachte keinen Ton heraus. Atem stockte. Zügelloses Herzhämmern.

"Junge, ist dir schlecht?" hallte Frau Kaisers besorgte Stimme aus weiter Ferne. Eilig stellte sie ihre Gießkanne weg. "Komm, setz dich mal auf den Stuhl. Du bist ja blass wie eine Wand. Vielleicht solltest du dich besser sogar aufs Sofa legen."

Eingebettet in lähmende Nebel machte er einen kraftlosen Schritt nach dem anderen, sank von Frau Kaiser geleitet auf breite Polster. "Es geht schon wieder besser. Mir ist nur eben plötzlich so schwindlig geworden. Dankesehr, Frau Kaiser!"

"Ich habe dich eben erschreckt. Das tut mir leid, mein Junge. Ich dachte nicht daran, dass so eine schreckliche Sache zarte Seelen in schlimme Aufruhr bringen kann. Das war ganz dumm von mir. Wir sollten miteinander beten. Der Herr Jesus hilft dir bestimmt..."

"Ich brauche nur ein bisschen frische Luft, Frau Kaiser", wehrte er matt ab.

"Gut, dann setze dich mal auf die Terrasse." Sie öffnete schmale Terrassentür und wies auf rote Hollywoodschaukel, aus irgendeinem Versandhaus hierher beordert.

Schon hereinwehender frischer Luftzug verscheuchte das Schwindelgefühl großenteils. Frau Kaiser begleitete jeden seiner Schritte besorgt aufmerksam, jederzeit bereit, ihn bei erneutem Schwindelanfall abzufangen. Erfried folgte ihrem Vorschlag, nahm im albern anmutenden Gartenmöbel Platz. Sie eilte kurz ins Haus, brachte ein Glas sprudelndes Wasser.

"Hier, trink erst einmal. Das beruhigt ein bisschen. Falls irgendwas ist, mein Junge, ich bin in Rufweite im Haus. Vielleicht solltest du auch mal zu einem Arzt gehen. Hattest du das schon öfter?" Erfried schüttelte verneinend den Kopf, sagte kein Wort. "Es kann aber auch nur am Wachstum liegen. Ich weiß von meinem älteren Sohn, dass Gleichgewichts- und Kreislaufstörungen vorkommen können. Du wirst halt auch ganz langsam und jeden Tag ein bisschen mehr zum jungen Mann. Kann ich dich auch wirklich allein lassen?"

"Ja, Frau Kaiser. Es geht mir hier draußen schon wieder viel besser. Dankeschön!"

"Aber falls du mich brauchst, dann musst du auch mich rufen. Ich schaue immer wieder mal durchs Fenster, einverstanden?"

"Vielen Dank, Frau Kaiser! Ich rufe bestimmt, wenn es nötig ist. Ich bin ja auch kein kleines Kind mehr."

"Aber auch noch ziemlich lange kein Erwachsener, denk dran!" Sie nickte freundlich und verschwand nach einem letzten forschenden Blick durch die Terrassentür ins Haus.

Lange saß er in der roten Hollywoodschaukel am Rand kleiner Terrasse. Gedanken jagten, wirbelten. Wie böse Poltergeister tobten Angst machende Bilder im Kopf, spukten als schleimfeuchte Gespinste, verkleisterten jedes klare Denken. Nur langsam schwand wild brodelndes Durcheinander.

Nach etwa zwanzig Minuten kam Bernd nach unten. "Hier bist du! Ich war so ins Lesen vertieft, dass ich gar nicht merkte, wie lange du schon auf dem Klo sitzen musst. Meine Mutter kam eben herauf und sagte, dir sei schlecht geworden. Geht's dir wieder besser?"

"Ja. Es geht schon wieder. War nur ein kleiner Schwindelanfall. Das soll vorkommen, wenn man schnell wächst." Erfried betonte letzten Satz. Vor dem jüngeren Bernd wollte er auf keinen Fall als bedauernswerter Bubi erscheinen.

"Das freut mich. Ich konnte vorhin gerade noch die Schmöker rechtzeitig verschwinden lassen. Meine Mutter hat aber nichts gemerkt." Bernd grinste dabei zufrieden. Anscheinend fand er Gefallen am Geheimnisse hüten.

"Wir können uns das nächste Mal auch bei uns Zuhause treffen", bot Erfried an. "Meine Mutter hat gesagt, dass sie kein Theater mehr wegen der Schmöker machen will. Das sei ihr zu albern."

"Ich darf eigentlich nur Freunde aus der Bethlehem-Gemeinde besuchen. Aber wenn du mal mit in die Bibelstunde kommst, dann..."

"Nein!" Knallhart stürzte Ablehnung heraus. Bernd Kaiser sah ihn geradezu erschrocken an. Besänftigend fügte Erfried deshalb hinzu: "Für dich würde ich das eigentlich schon machen, Bernd. Du bist ein netter Kerl! Aber diesen Prediger, diesen Bruder Tobler, finde ich unausstehlich. Das ist ein schrecklicher Mann!"



Alle Rechte vorbehalten
Mannie Manie © 1999
Unentgeltliche Weitergabe erlaubt!

weiterblättern: nächste Seite