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Abermal, Kapitel 07, Seite 09

flackert


Über acht Heftfortsetzungen hinweg bestand Sigurd mal wieder ein fesselndes Abenteuer, musste gegen den gewalttätigen und hinterlistigen Grafen Gisbert bestehen, das entführte Burgfräulein Adelinde aus dessen kalten Verliesen befreien. Darin setzte der schurkische Graf die Ärmste fest, wollte sie so lange gefangen halten, bis sie ihn endlich heirate. Hin und wieder sperrte er die Holde auch in Turmkemenaten, wo sie dann von seiner gehässigen Schwester, Gräfin Philomena, geschurigelt wurde. Derweil misshandelte Graf Gisbert alle Leibeigenen garstig, presste sie bis aufs Blut aus, frönte zugleich vielerlei Laster auf seiner unheimlichen Burg, welche ständig von dunklen Wolken und wilden Winden umtost. Aber Sigurd, viel schlauer, rettete die blonde Angebetete selbstverständlich und bekam - natürlich! - am Schluss von ihr ein Taschentuch als Dank an seine ragende lange Lanze gewickelt.

Als sie bei den vier Falkheften ankamen, meinte Erfried: "Du, ich muss mal aufs Klo. Wo ist das denn hier?"

"Da musst du nach unten gehen. Das ist mit im Badezimmer, neben der Küche." Bernd deutete zum Fußboden. "Darf ich solange allein weiterlesen?"

"Na klar doch! Die Schmöker habe ich doch für dich mitgebracht." Erfried verließ das kleine Zimmer und stieg eng gewundene Treppe ins Erdgeschoss hinunter.

Die Wohnzimmertür kannte er. Eine Glastür. Unter der Treppe geduckt, eindeutig der Kellerzugang. Welche von beiden anderen Türen mochte ins Badezimmer führen? Aufs Geratewohl öffnete er die nächstbeste - und blickte in die Küche. Überrascht sah ihn Frau Kaiser an, schälte gerade Kartoffeln. "Hallo, junger Mann! Ist alles in Ordnung?"

"Ach, entschuldigen sie, Frau Kaiser. Ich wollte eigentlich auf die Toilette, wenn sie erlauben."

"Das ist gleich die Tür daneben", deutete sie lächelnd in ungefähre Richtung.

"Dankeschön!" Erfried verschwand aus dem Türrahmen und schlüpfte rasch in gewünschte Örtlichkeit.

Nachdem er seine Hände wusch, trat er wieder in den kleinen Flur. - Weit offenstehende Wohnzimmertür bescherte freien Blick auf sehr breites Blumenfenster mit Terrasse davor. Fernab entdeckte Erfried das Haus an der Ronnburg. Wüsste er nicht, zwischen Bäumen dort stehe jenes große Haus, fiele es gar nicht auf. Lediglich kleines Stück Dach lugte hinter Blätterkronen hervor. Und nur wenn man ganz genau hinschaute, vermutete man das eine oder andere Fenster. Unkundiger Blick mochte lange suchen, jedenfalls aus dieser Entfernung.

"Alles zur Zufriedenheit vorgefunden?" Frau Kaiser erschien plötzlich im Wohnzimmer. Sie goss mittels kupferner Gießkanne vielfältige Pflanzen am breiten Fenster.

"Ja, danke, Frau Kaiser!" Jetzt oder nie. Er musste die günstige Gelegenheit nutzen und Frau Kaiser unverfänglich Fragen stellen. "Sie haben hier wirklich eine wunderschöne Aussicht aus ihrem Blumenfenster. Bei uns in der Bachgasse sieht man nur andere Hausmauern und gerade mal ein paar Äste von einem Baum."

"Stimmt! Da hast du vollkommen recht", bestätigte sie und betrachtete versonnen ihre sonst so gewohnte Aussicht. "Ja, es ist wirklich sehr schön, nicht auf Hausmauern sehen zu müssen, den freien Himmel betrachten können und Gottes schöne Schöpfung bewundern."

"Ja, Frau Kaiser, und dann ist dort auch gleich der große Wald, dieser wunderschöne Garten mit dem Haus drin, dort an der Ronnburg."

"Du musst ja wirklich sehr gute Augen haben, wenn du von hier aus siehst, dass dort ein Haus zwischen den Bäumen versteckt liegt." Sie klang auf unbestimmbare Art zurückhaltend.

Erfried merkte es sofort und fürchtete, Frau Kaiser lenke ihr unverfängliches Gespräch lieber auf anderes, weshalb er betont beiläufig nachsetzte: "Ich kann wirklich sehr gut sehen, Frau Kaiser. Aber ich weiß auch, dass da ein Haus ist. Als vor Tagen das schlimme Gewitter lostobte, ging ich dort in der Nähe spazieren und musste irgendwohin flüchten. Das Gartentor stand offen und ich hatte Glück, dass auch die Haustür offen stand. So wurde ich wenigstens nicht allzu nass und war vor den wirklich fürchterlichen Blitzen in Sicherheit."

"Du warst in diesem Haus?" Frau Kaiser sah ihn an, als habe er nächtliche Ausflüge in Leichenhallen gebeichtet. Sie sah richtig besorgt drein, unterbrach ihr Blumengießen, stand schier starr.

"Ja sicher. Mir blieb ja auch nichts anderes übrig. Ich traf dort einen sehr netten jungen Mann, der mir erlaubte, bis zum Ende des Gewitters zu bleiben. Er hat mich sogar zum Abendessen eingeladen. Vielleicht, weil er allein zuhause war und es sonst langweilig fand. Seine Eltern und Geschwister waren verreist, sollten erst am Abend oder am nächsten Tag zurück sein. Ein ganz, ganz netter Mann und sehr, sehr gastfreundlich."



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Mannie Manie © 1999
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