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Abermal, Kapitel 05, Seite 05

flackert


Sein Augenmerk fiel auf die kleine Verkaufsbude neben dem älteren der beiden Kinos. Tatterig alte Frau und ihr begreiflich unverheirateter dicker Sohn betrieben den windschiefen Kramladen. Der vollgefressene Sohn dürfte knapp vierzig Jahre zählen. Nie lächelte diese alte Frau, wirkte trotzdem keinesfalls unfreundlich, was Erfried immer wieder wunderte. Deren fülliger Abkömmling grinste hingegen stets über alle vier prallen Pausbacken, strich er die wenigen Groschen Taschengeldes für Schmöker, grell buntgefärbte Süßigkeiten oder Fix-und-Foxi-Hefte ein.

Erfried taperte gelassen dorthin. Mit ihrem unbeweglichen zerknitterten Gesicht blickte die alte Frau hinter halb offener Glasscheibe heraus, sah ihn wortlos fragend an. Sie machte das immer so. Dass sie nicht die Spur abweisend oder gar unfreundlich wirkt? verwunderte er abermals. Noch nie sah er sie lächeln, hörte kaum jemals ein gewöhnliches Wort von ihr. Stets stellte ihre brüchige Stimme nur kurze genaue Fragen von höchstens drei oder vier Worten insgesamt und nannte anschließend in unglaublicher Windeseile den Preis auch von mehreren gewünschten Sachen.

"Ich möchte einen Raider!" sagte Erfried nur und bekam umgehend das Verlangte gereicht. Kneternd glatte Verpackung. Wieder eines Teils knappen Taschengelds ledig.

Raider! - Etwas ganz neues und auf dem nahen Schulhof heiß begehrt. 'Raider der Pausensnack!' lautete der Werbespruch klingelnd in ihrer aller Ohren aus Radio und Werbefernsehen. Dabei müsste es besser 'Raider der Pausenschreck!' heißen, so schrecklich wie dieser trockene Riegel in Wirklichkeit schmeckte. Ungemein süßes Zeugs und sicher reines Zahngift. Daran änderte auch die neue Superzahnpasta nicht die Bohne, welche der Fernsehzahnarzt mit geblecktem Pferdegebiss auf der Mattscheibe dringlich empfahl.

Erfried und Altersgenossen hassten Zähneputzen und bemühten vielfach Kaugummi für vorgetäuscht frischen Atem. Wenn dieses blöde Kaugummizeug nur nicht nach wenigen Minuten seinen gesamten Minzegeist einbüßte. Befremdlich künstlichen Geschmacks quietsche es danach eklig an Zähnen.

Nach kurzem Kopfnicken zu der alten Frau schlenderte er wieder auf die Idiotenrennbahn, aß heißhungrig soeben erstandenes Teil. Für leer knisternde Verpackung suchte er einen Abfallkorb. Weit und breit keiner. Neben einem Hauseingang stand eine Mülltonne beziehungslos geriffelt in der Gegend. Erfried hob den Deckel und warf eilig die plastikartige Umhüllung des Raiders hinein. Nachdem ihm saurer Gestank aus dem metallenen Unratsfass Luft raubte, knallte er rasch den scheppernden Deckel wieder zu.

Eine dumme Frau schimpfte hinter ihm her: "Das ist kein allgemeiner Abfalleimer, sondern unsere Hausmülltonne hier!"

Was sagte die wohl, wenn er die bunte Hülle einfach vor deren Tür auf den Gehsteig schmiss? - Man kann's etlichen Leuten halt niemals recht machen. Zimtziege!

Er trödelte an der großen Drogerie vorbei, in deren seitlichem Eingang versteckt und verschämt ein Automat mit Pimmeltüten hing. EHEHYGIENE stand nur drauf, nebst verschiedenen Aufklebern jeweiliger Warenzeichen. Aber schon als Elfjährige wussten sie, was da zu unanständigem Nutzen harrte. Natürlich nicht ganz genau und somit befähigt, derlei richtig anzuwenden.



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Mannie Manie © 1999
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