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Abermal, Kapitel 08, Seite 05

flackert


Verunsichert blieb Erfried zwischen Bäumen am Rand des Wäldchens stehen. Wiese voller Blumen und wiegendem Gras breitete über gesamte flache Hügelkuppe. In zeitferner Ruhe bildeten große Wälder weiträumigen Hintergrund bergiger Landschaft. Schon von hier aus wirkten die alten Bäume im Garten des Perchtenhauses riesig und dunkel. Erst recht, dicht überwachsene Ronnburg anbei.

Bedrohendes schlich aus unbekannter Richtung. - Kam es von der alten Ronnburg?

Nicht ganz aus der Luft gegriffen, Frau Kaisers Behauptung, die vorgeschichtliche Ronnburg sei unheimlicher Ort. Sie sagte, 'unguter Ort' und es ginge dort um. Wäre es nicht möglich, Geister alter Heiden und ihrer Opferungen - Menschenopfer! - gingen dort noch immer um und wehklagten? Suchten ruhelose und unerlöste Wesen ihrerseits neue Opfer, welche jammernde Einsamkeit und von uralten Flüchen geworfenen Bann teilen sollten? Bewohner des Hauses Perchten deren Sachwalter in der Menschenwelt?

Längst nicht mehr so fröhlich und erwartungsvoll ging er weiter, verließ nachdenklich den kleinen Wald, verfolgte geteerten Weg über weite Wiesenfläche zum verfilzten Zaun aus Dornengewächsen. Schon erkannte er das Gattertor in sperrig hoher Hecke. Es schien geschlossen. Hell sprang auf dunkel gestrichenen dicken Latten das große Namensschild ins Auge. PERCHTEN stünde darauf.

Oder etwa doch nicht? Konnte es nicht ungeheure Gaukelei sein, böser Scherz, üble Absicht unfreundlicher Gespenster? Gespenster, welche schon seit undenklichen Zeiten lichtscheues Unwesen trieben, jetzt auf ihn lauerten?

Ach Quatsch! Ingomar lief viel zu wirklich durchs Leben! - Warnen Untote oder Gespenster vor dem drohenden Staatsanwalt? Was könnte dessen mögliche böse Absicht hindern an diesem Frühabend, durchtobt von heulendem Sturm mit Blitz und Donner?

Niemand wusste, wohin er vor dem Gewitter flüchtete. Üble Jenseitswesen sagten sicher nicht, er dürfe zwar gern anschauen, aber auf keinen Fall mehr. Gespenster scherte jugendliches Alter und auch alles andere nicht. Völlig egal! Sowieso, ob ausersehene Opfer männlich oder weiblich. - Oder durfte er gerade deshalb nur anschauen?

Vermehrte Unsicherheit nagte und bohrte. Was sollte er davon wirklich halten? Bestand irgendwie Verbindung mit dem dunklen Fremden, dem Dieb des Glanzes? Immerhin brach der erst am Tag danach in sein Leben ein, ziemlich schrecklich sogar.

Beklommen stand Erfried am Gattertor. Trotz angenehmer Wärme des Nachmittags fror er plötzlich. Augenfällig zugenommene Finsterung allgemein. Doch das dürfte auch vom Schatten hochragender Bäume und dunkelgrüner Dornenheckenblätter rühren.

Vornehmlich Schlehdorn am Tor, Schwarzdorn. Erst in einigem Abstand wuchsen und wucherten auch Weißdorn, Hagebutten und ähnliche Rosengebüsche wilder Höhe. Ausnahmslos Dornengewächse. Und die Wälle der Ronnburg selbst schienen gleichfalls von solchen versperrt, gesichert gegen unberufene Blicke.

Oder etwas darin eingesperrt? Etwas, das niemand sehen sollte, nicht sehen durfte?

Alles Unsinn! Die Perchtens sind keine Alpe, Schwarzelben oder Diener solcher Unwesen! Gefundenes Fressen gäbe der Prediger der Bethlehem-Gemeinde für alte Heiden ab. - Oder auch nicht! Vielleicht fanden selbst hartgesottene Heidengeister diesen knochigen Bruder Tobler grässlich, zäh, dürr und scheußlich. Der triebe sie mit seiner Beterei und schrecklich grauem Buch biblischer Bildergeschichten spielend an den Rand des Wahnsinns. Auch der Höllengott Luizfer Satanas ergriffe da irgendwann entnervt die Flucht.

Erfried kicherte bei dieser Vorstellung leise und berührte das Gattertor. - Nicht abgeschlossen, nur angelehnt. Es dürfte also wer zuhause sein. Er schob es kleines Stück auf und trat in den Garten, blieb abwartend stehen. Quer stehende Hecken und Büsche unterteilten die großzügige Pflanzanlage.

"Hallo! Ist jemand hier?" rief er zwischen wartende Bäume, sah hinten die geschlossene Haustür. Seine Stimme verhallte in pflanzlicher Weite, aufgesogen von Erdverwurzelten verschiedener Art. Angestrengt spähte er. - Eine Bewegung? Eine Gestalt?

Mutig wagte er weitere Schritte, schließlich kein frecher Eindringling in fremder Leute Umfriedung. Er folgte ausdrücklicher Einladung Ingomars, konnte immerhin darauf verweisen. Jetzt glaubte er sicher, jemand laufe hinter filzigen Sträuchern inmitten umfangreicher Baumstämme dieser Stelle. - Ingomar? - Jedenfalls hochgewachsen schlanke Gestalt. Erfreut hielt er darauf zu.

Aber bei den heckenartig wuchernden Büschen entdeckte er niemanden. Aufmerksam sah er herum, drehte einmal langsam um eigene Achse. "Hallo! Ist jemand zuhause, bitte?"

Keine Antwort. Nur sachter Wind wisperte in Baumkronen, raschelte in Blättern und Büschen, ließ Gras wogen. Sonne stand bereits tiefer am Himmel, sandte Strahlen schräg durch den Garten, zerteilt von Ästen und Blättern. Feinflechtig gestreut fielen einzelne Lichtstreifen über Rasen, betasteten Büsche, leckten durch Baumkronen. Spätnachmittag.

Wieder in ursprüngliche Richtung gedreht, kniff Erfried Lider zusammen. Geblendet! Flimmernde Elfenbrücke verbarg die Buschreihe. Keinen Schritt wagte er, wollte zurückspringen, flüchten. Zu spät!

Zwei dunkle Löcher starrten... Augen... schwarz... der Räuber der Farben...



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