Unbemerkt kroch sie heran, diese drängende brennende Enge, hüllte alles im Raum ein. Sie kam aus dunklen Winkeln längst versunkener Stunden und jener Stunden, die noch kommen sollten, gerade erst träge anbrachen. Zäh schleichende Zeit. Unaufhaltsam floss sie näher, tröpfelte einwärts, fragte nicht, ob es denn genehm sei, breitete lähmende Decke über alles. Gleich jenen Decken, worunter man nach unfreundlichen Träumen manchmal - und doch zu oft - mitten in der Nacht gefangen aufwacht, keinen Finger rühren mag. Fest überzeugt, es gehe nicht. Genauso hartnäckig blieb sie liegen, füllte von Wand zu Wand. Schwerer Teppich aus staubig trockenen Fasern über jede Rille und Ecke geklebt.
Woher kam dies? - Der Einsame und einzige in diesem schwindenden Raum konnte es nicht sagen, selbst wenn er es jemandem sagen wollte. Nur unwohl blickte er ins Dunkel, machte keine heftigen Bewegungen. Reglos verfangen in endlos zerdehnten Augenblicken geringer Eigenbewegung. Stunden?
Zumindest geringer Rest Wirklichkeit blieb, noch nicht von zäher Masse aus Unbestimmbarkeit verschluckt. Kein Lichtmangel, vielmehr ganz anderer Verlust. Gab es noch etwas, das er fürchten sollte? Langsam stand der Einsame auf, ging zum Sessel in Raummitte, sank wie ein Schlafwandler nieder. Stumm und ohne mindesten Laut. Beklemmende Sitzgelegenheit. Rund in dieser Mitte und ums große Polstermöbel, dicker gewebter Teppich.
Reglos saß er im zunehmend dunkelnden Raum ohne Einzelheiten. Dabei mussten durchaus weitere Möbel darin stehen. Doch die entzog Dämmer hartnäckig seinem Blick, löste deren Umrisse auf. Sie lasteten lediglich auf leicht unebenem Dielenboden, den billiger Belag aus dunkelgrau geflecktem Kunststoff verbarg: Stragula! - Stragula rasa? - Kein Geruch in der Luft, worin Myriaden Staubteilchen tanzen dürften, dennoch völlig unsichtbar. Nur hin und wieder erschienen sie in matten Sonnenstahlen, verursachten seltsam faden Geschmack auf der Zunge und im Rachen, gerieten rau zu üblem Belag. An manchem Abend im Spiegel als weißliche Ablagerung sichtbar.
Durch die Fenster wehte es alles bestimmt nicht. Allerdings konnte der Einsame nur ein einziges Fenster sehen. Das andere lag auf abgewandter Seite verfinsterter Stube, wohin er seinen Blick aus Furcht nicht wenden wollte. Furcht, dort etwas zu sehen, was er nicht sehen wollte? Rasch prüfender Blick überzeugte jedoch, dies Fenster sei geschlossen... und wohl auch das andere.
Schwer trommelte Regen gegen dünne Glasscheiben in sechsfach unterteiltem Rahmen. Grauer Tag und schon vorgerückt, ständig dunkler. War dieser Tag vorher heller? War alles Graue nicht schon immer gegenwärtig? War es jemals anders?
Ab und zu lugte wenigstens bleiche Spätwintersonne höhnisch zwischen jagenden Wolkenfetzen hervor. Sie verlachte jenen einsam Wartenden, warf kein echtes Licht in dröhnende Stille, die quälend verschlang. Sofort flüchtete blasse Sonnenscheibe wieder hinter regenschwer graue Wolken, welche voller Verachtung nass platschende Last auf zusammengedrängte Häuser abwarfen.
Den Einsamen und Einzigen sog Umgebung auf und stetig angewachsene Schwermut. Niemand konnte ihn noch sehen, bestenfalls ahnen. Doch selbst dazu bedurfte es besonderer Sinnesschärfe. Auch dessen eigene Wahrnehmung schwächte, ließ nur noch verwaschene Schemen tanzen. Geräusche verstummten nach und nach, versteckten ihre Wellen oder zerfielen im Dunkel. Kein Klang, außer knisterndem Auftreffen eiskalter Regentropfen am Fenster.