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Abermal, Kapitel 04, Seite 02

flackert


Zwielicht herrschte und das Gewitter tobte unverminderter Wucht, jagte harte Regenschauer und einen Hagelschlag nach dem anderen gegen Mauern und Fenster. Wenig gedämpft heulte Sturm. Schier ohrenbetäubend krachte ein Donner nach dem nächsten durch niedergeduckte Welt, grellte ein Blitz auf den vorherigen am grauschwarzen Himmel. Peinigende Peitschen! Abgerissene Blätter und kleine Äste klatschten gleichzeitig draußen auf. Büsche und Bäume bogen vor anrennender Gewalt hin und her, gingen vergeblich in Deckung. Nicht viel mehr erreichte suchende Augen. Scharf aufprallende dicke Regentropfen und knallende Hagelkörner verhüllten alles in wilden Wellen, schlugen Erde und Pflanzen voll ungebärdigem Hass.

Zum dritten Mal in Folge schrak er zusammen. - Gleich lautlos schleichendem Geist erschien der Hausbewohner durch offenstehende Tür im Raum. Zugang in nebenliegendes Zimmer. Gespenstisch sah der jüngere Mann mit dem langen Fingernagel im flackernden Licht aus. Es verzerrte dessen eigentlich angenehme Gesichtszüge. Selbst das leichte, wohl immer spöttisch anmutende Lächeln geriet zur nichtmenschlichen Maske.

Weniger ausgeprägt als vorher, blieb gehabter Schreck erträglich. Äußerlich ruhig sah der Junge den Fremden an. Er hörte ihn sicher wegen des brausenden Unwetters nicht eintreten, empfand trotzdem Unbehagen über dessen spukhafte Geräuschlosigkeit. Alle vernünftigen Schlüsse nutzen nichts, verhinderten keinen bedrängenden Eindruck.

"Hast du Durst? Möchtest du was trinken? Eine rote Brause vielleicht?" Der jüngere Mann lächelte verbindlich.

"Ja, wenn's nichts ausmacht, gerne, dankesehr." Schüchterne Antwort.

"Nein, das macht nichts aus. Also eine rote Brause?" Der Junge nickte nur zustimmend, angenehm angetan vom Angebot. "Hab' ich mir fast gedacht, dass du das magst. In deinem Alter mochte ich das olle Zeug auch lieber als alles andere auf der Welt."

"Jetzt mögen sie das nicht mehr, Herr Perchten?"

"Nö! Aber du musst nicht unbedingt 'Sie' und 'Herr Perchten' zu mir sagen. Ich bin Ingomar! Und wie heißt du?"

"Erfried, Erfried Gundeleit!" Er musste im unablässigen Gewittergrollen fast schreien.

"Woher weißt du denn meinen Nachnamen?"

"Als das Gewitter losging, bin ich gerade am Gartentor angekommen. Da ist so ein Schild mit dem Namen drauf."

"Oha, aufmerksames Kerlchen, unser junger Freund hier." Wieder grinste der andere jungenhaft spöttisch. Ungewollte Grimasse im Zwielicht aus Blitzen. "Ich hol' dir erst mal die Brause, bin gleich wieder da. Und erschreck dich nicht schon wieder, hörst du?" Grinsend verschwand er durch die offenstehende Tür in den Nebenraum, begleitet von gewaltigem Donnerschlag draußen.

Viel erkennen konnte Erfried in allgemeiner Düsternis nicht. Licht machte Ingomar auch keines an. Ging wohl auch gar nicht. Er wollte doch die Sicherungen rausdrehen. Hat er bestimmt eben getan. Wenn hier bloß nicht der Blitz einschlägt! Ängstlich zog er seinen Kopf etwas ein. Kinder fühlen bei Gewitter oft Furcht. Er selbst allerdings nicht so sehr. Und seit längerem ohnehin kaum noch. Längst kein Kind mehr, kannte er Zusammenhänge dieser brüllenden Wettererscheinung. Nur jetzt, in diesem irrwitzigen Toben der Naturgewalten, wurde es ihm doch reichlich mulmig. In seinen bald dreizehn Jahren erlebte er noch nie dermaßen grimmiges Gewitter. Es wäre ihm sicher im Gedächtnis geblieben.

Er stand neben wuchtiger Sitzgruppe zweier unterschiedlich großer, lederbezogener Sofas und drei passend riesigen Sesseln. Gruppiert um länglichen Tisch, bald schon eine Tafel. Aber die Höhe entsprach dem nicht. In erstaunlichen Ausmaßen klotzte weiterer Sessel. Sogenannter Ohrensessel. Zwischen den Sesseln standen zusätzlich kleine Rundtische, darauf verschiedene Kristallkaraffen, deren Inhalte er nicht erkannte. Vermutlich Weine oder Liköre. Nobel! Schwere Vorhänge umrahmten hohe Fenster, reichten bis zum Fußboden. Ausgelegte Teppiche besaßen bemerkenswerte Weiten und Stärken. An freien Stellen lugte Parkett, keine normalen Dielen. Gediegen alte Möbel gestalteten dieses sehr weitläufige und ungewohnt hohe Wohnzimmer. Auf der Seite zur Flurtür, eine Anrichte von waghalsiger Baugröße.

Hier herrschten andere Zustände als bei ihnen Zuhause, in genügsam bemessener Wohnung altersschiefen Fachwerkhauses schmaler Gassen. Arme Leute schienen Perchtens nicht, wenn auch wahrscheinlich keine ausgesprochen reichen. Protziges Zeug stand nirgendwo, ordnete man ein Klavier und zwei gleichfalls wuchtige, mit Einlegearbeiten und geschliffenen Kristallglasfronten versehene Vitrinen nicht solcher Weise. Offenbar durchaus wohlhabend, lebten sie auch so. Klar, wer dies Haus sein Eigen nannte, musste über entsprechende Geldmittel verfügen. Allein schon für den Unterhalt. Obendrein inmitten derart großem Garten. Fast schon kleine Parkanlage.



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Mannie Manie © 1999
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