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Abermal, Kapitel 07, Seite 08

flackert


Jedenfalls stand Bruder Tobler zufrieden schräg lächelnd auf und meinte: "Schön, dass euch das gefällt. Habe ich mir doch gleich gedacht. Dann braucht ihr mich jetzt sicher nicht mehr."

Wie recht du da hast! dachte Erfried unendlich erleichtert, nickte der frommen Bohnenstange charmant zu.

"Auf Wiedersehen, Jungens! Bernd, wir sehen uns nachher um fünf in der Bibelstunde. Und dich morgen auch bei uns begrüßen zu können, lieber Erfried, würde mich wirklich sehr freuen." Herr Tobler reichte allen in seiner überfallenden Art knochig, dürr, schlaff die Hand und verschwand endlich.

Des Predigers lummelige Handreichung hinterließ bei Erfried abermals ausnehmend widersetzliches Gefühl. Als griffe man mottigen Schwanz greise gewordenen Hundes. - Eklig! - Außerdem hatte der feuchte Hände.

Nachdem die Haustür hörbar zuklappte, machten beide Jungen erleichterte Gesichter. Bernd lächelte verlegen, zeigte mit seinem Blick, wie unangenehm ihm dieser Ablauf in Wirklichkeit. Erfried grinste verschworen schweigende Zustimmung, tippte andeutend rechten Zeigefinger auf seine Brust. Unter dem Hemd zeichneten leichte Umrisse versteckter Sigurd- und Falkhefte. Bernd grinste seine Antwort gleichfalls. Beide grinsten nun gerade so, wie Jungen eben einander verstohlen angrinsen, hegen sie gemeinsam Geheimnisse.

Frau Kaiser kam Tablett in Händen herein, nachdem sie Prediger Tobler verabschiedete. "So, Jungens, hier habe ich eine kleine Stärkung für euch und was zu trinken. Frisch gepresste Zitronenlimonade und selbstgebackenen Kuchen!"

"Danke, Frau Kaiser!" meinte Erfried aufrichtig und warf begierige Blicke auf Kuchenstücke.

"Wir gehen dann in mein Zimmer hoch, Mama." Bernd stand auf und sah seine Mutter fragend an.

"Ist gut, macht das, Jungens. Ich muss jetzt sowieso noch was im Haushalt tun und auch Staub saugen. Da würdet ihr hier unten nur gestört und im Wege herumsitzen."

Bernd packte seine Schulsachen zusammen. Erfried griff nachdrücklich das graue Bibelgeschichtenbuch, verdeckte RULAMAN und vielleicht verräterische Ausbeulung von Sigurdschmökern. Bernd nahm umsichtig das beladene Tablett. Sie stiegen eine enge gewundene Treppe in den ersten Stock hinauf, worüber nur noch Hausdach lagerte. Wahrscheinlich kleiner Hängeboden.

Bernds Zimmer besaß reichlich geringe Maße. Kleiner als Erfrieds in der Bachgasse. Ziemlich niedrig, wies es leichte Dachschräge auf, winzig anmutendes Kippfenster darin ausgespart. Kein Ofen oder andere Wärmequelle. Merkwürdig glänzte eine Art Gitter silbrig aus einer Wand, fast am Fußboden gelegen. Kein Gitter mit Stäben, sondern breite Lamellen nebst Schiebegriff zum Öffnen. Jetzt schien das eigentümliche Ding geschlossen.

"Das ist die Heizung für hier! Das ganze Haus wird von einem großen Kachelofen geheizt, der unten in alle Räume reinragt. Nach oben führen Schächte die warme Luft", erklärte Bernd auf Erfrieds Frage, was denn das für ein blankes Gitterding sei. Hier wurde demnach mittels Luftschacht geheizt, dessen Gitterverschluss aus blanken Metallstreifen Wärmezufuhr regelte.

"Dann kann man sicher auch hören, was in den anderen Räumen gesagt wird?" flüsterte Erfried.

Bernd nickte und hauchte: "Ja. Aber wenn das Gitter zu ist, dann versteht man nichts. Nur wenn man schreit oder so."

Erst jetzt bemerkte Erfried auch den Geruch des Hauses. - Seltsam süßlicher Geruch, offenbar überall gleichmäßig verteilt. Aber es konnte auch vom Backen herrühren, mutmaßte er, sagte nichts, weil sich derlei einfach nicht gehört. Zudem nicht unbedingt unangenehmer Geruch, wenn auch eigen. Noch nirgendwo in anderen Häusern oder Wohnungen drang ihm vergleichbares in die Nase. Schon gar nicht bei Familie Meinrad. Dort roch es immer leicht muffig, weil Frau Meinrad keine begeisterte Hausfrau hergab.

Er öffnete oberste Hemdknöpfe und packte insgesamt zwölf verschiedene Bilderhefte, acht Sigurd und vier Falk, auf Bernds säuberlich gerichtetes schmales Bett. Froh darüber, denn langsam drückten sie schon. Immerhin sechs vor der Brust und sechs am Rücken. Gemeinsam lasen sie nacheinander jedes Schmökerheft.

Gebannt vom ungewohnt bunten Lesestoff und vielfarbigen Bildern saugte Bernd alles auf wie ein trockener Schwamm. Beide bekamen aufgeregt rote Köpfe, vergaßen die ganze Welt ringsum und tauchten in ritterliche Abenteuer gestrichelter Helden und Burgen, tranken nebenbei von wirklich gut schmeckender frischer Zitronenlimonade und kauten zufrieden mitgegebenen Kuchen.



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Mannie Manie © 1999
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