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Abermal, Kapitel 13, Seite 07

flackert


Verschwand sie im Bungalow? - Das brauchte sie nicht unbedingt. Die Terrasse auf Hügelhöhe erlaubte von unten keinen Überblick. Und im Sichtschatten der Gruppe junger Leute gestern konnte sie in folgende Seitengasse abbiegen oder sonst wie geduckt warten. Immerhin geschah es auf anderer Straßenseite. Kein geringer Abstand, von einem Gehsteig zum anderen. Dennoch dürfte sie über sehr flinke Fähigkeiten verfügen. Wer so geschwind wegtaucht? Ihre schwarzen Augäpfel bloße Sinnestäuschung? Vielleicht ungewöhnlich tiefliegende Augen und dunkel geschminkte Lider?

Unwahrscheinlich! Ich kann sehr gut sehen! wies Erfried eigenen Einwand zurück. Aber vielleicht sah er nur aus Angst geborene Gaukelbilder? Schließlich begegnete er vorher abermals dem Dieb des Glanzes. Oder gleichfalls Täuschung? Ganz genau konnte er den Fremden diesmal nicht erkennen. - Nein! Kein Zweifel! Ich wusste ganz sicher, es muss der Räuber der Farben sein! So und nicht anders!

Eilig ging er weiter, wollte nicht noch länger hier stehen. Immerhin könnte die unheimliche Frau gefährlich werden, sollte seine Befürchtung richtig und sie eine Glanzdiebin sein. Misstrauisch blickte er nach allen Seiten, verließ zügig, fast überstürzt das Parkviertel.

Voraus erste Siedlungshäuser nahe der Ronnburg. Gerade durchlief er eine Senke, blickte schräg aufwärts. Die Ronnburg selbst und das Haus der Perchtens lagen verborgen vom dunkelgrünen Saum kleinen Waldes am Hang. Schmaler Weg führte auf recht hohen Hügelzug.

Friedlich in früher Nachmittagsruhe, die kleine Straße mit dem Haus der Familie Kaiser. Niemand unterwegs. Auch an oder in Fenstern keine Seele. Nur Sicht hindernde Gardinen, Stores. Einige Vogelstimmen aus nahen Bäumen meldeten Leben. Gedämpft hörte er von anderer Seite Radio oder Fernseher. Offenbar Musiksendung volkstümlicher Darbietungen. Gruselig! Wenn es wenigstens richtige Volksmusik wäre, dann lohnte solches ab und zu.

Aber das? - Kitschig, geschmacklos und endlos dumm! Nur die vielen Schlagersendungen in Funk und Fernsehen erreichten zuweilen noch verzaghaft geringere Geistespegel, lagen aber niemals darüber. Genau besehen, gab es auch keinen Unterschied, abgesehen von Kleidung der Klangursachen und deren Gejodel. Letzteres in normalen Schlagern fast nie vorhanden. Gleichbleibender Schwachsinn!

Auch vor der Tür von Kaisers verpesteten jene unsäglichen Laute Gehörgänge, drangen beklemmend klar aus Hausinnerem. Alles wallte durch halb geschlossenes Fenster. Offenbar Küchenfenster. Leicht im Wind wehender Vorhang verwehrte Einblick. Das dudelnde Gerät musste im Wohnzimmer des Reihenhauses geräuschvoll am Gange sein.

Armer Bernd Kaiser! Nicht nur Gebetsorgien, den staubigen 'Mumian' Bruder Tobler und ausufernde Bibelstunden erduldete der bedauernswerte Junge, sondern auch noch solchen schrecklichen Schund in Tönen. Und dann belehrten Erwachsene dreist über guten Lesestoff für Kinder und Jugendliche. Streng betrachtet, eine Frechheit, wenn sie gleichzeitig selbst übelsten Müll in ungehemmtem Umfang hereinkübeln.

Wenigstens dieser unverzeihliche Fehler haftete seiner Mutter nicht an oder nur sehr gering. Sie scheute vor solchen Grausamkeiten meistenteils zurück oder räumte bereitwillig ein, es sei keine geistige Hauptnahrung und getrost zu vernachlässigen. Schließlich ließ sie schon längere Zeit Erfrieds heiß geliebte Billigschmöker in Ruhe, eingedenk dessen, dass sie in ähnlichem Alter vergleichbare Papierblätterheftungen aufgeregt lesend verschlang.

Schon fürchtete Erfried, man habe im Hause Kaiser sein Klingeln nicht gehört oder mit 'völkischen' Geräuschen aus Lautsprechern verwechselt. Nachdem verhältnismäßig lange Wartezeit verstrich, wollte er gerade noch einmal sein Glück versuchen und auf den Klingelknopf drücken. Doch jetzt kam hinter riffeligem Glas nicht erkenntliche Gestalt zur Haustür und öffnete. "Tag, junger Freund, was wünscht du denn?"

Bestimmt Bernd Kaisers Vater, erkannte Erfried. Vor ihm stand im Haustürrahmen ein Mann mittleren Alters. Groß gewachsen, ein bisschen teigig und schon früh ergraut. Lächeln verbindlich und keineswegs abweisend. Abwartend stand er. Beide begegneten einander noch nie.

"Guten Tag! Mein Name ist Erfried Gundeleit. Herr Kaiser, nehme ich an?"

"Ganz richtig, junger Mann. Was gibt es denn?"

"Bitte entschuldigen sie die Störung, Herr Kaiser, ich wollte gern den Bernd besuchen. Wir sind Schulkameraden. Ich bin eine Klasse höher als er."

"Ach, du bist das! Meine Frau erzählte mir, dass du und Bernd euch angefreundet habt. Du warst vor ein paar Tagen schon zu Besuch. Leider ist Bernd gar nicht Zuhause. Das tut mir wirklich leid für dich! Bernd ist Sonnabend Nachmittag immer im Gemeindehaus der Bethlehem-Gemeinde, hat seit zwei Monaten jetzt öfter Predigtunterricht. Und danach ist die Bibelstunde. Bernd kommt dann erst gegen sieben Uhr am Abend wieder."



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