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Abermal, Kapitel 20, Seite 06

flackert


Lauernde Ruhe und düstere Sicht bei nieder führender Treppe. Weitere Treppe stieg aufwärts zum nächsten Stock. Wahrscheinlich ins Dachgeschoss, in noch viel düsteren Gang unter dem Dach, womöglich sogar zu unübersichtlichem Speicher.

Dorthin mochte er wirklich nicht gehen, käme von da auch kaum aus diesem Geisterhaus heraus. Außerdem sind Dachböden und Speicher voller alter Sachen oder Gerümpel und immer entsetzlich unheimlich. Überall können dort auch am Tage grässliche Gespenster heulendes Unwesen treiben. Bekanntlich einer ihrer ureigensten Bereiche, jedenfalls in Gespenstergeschichten. Warum sollte dies nicht wenigstens teilweise stimmen? Immerhin glaubte er noch vor Tagen nicht, es gäbe so etwas wie diese Alptraumgesellschaft des Perchtenhauses oder den Räuber der Farben.

Einige Treppenstufen knarren und ächzen sehr vernehmlich, wusste er noch. Und von den geschnitzten Geländern sollte er tunlichst seine Finger lassen, erinnerte er gleichfalls, weil jene unangenehme Melodien quietschen konnten. Welche Stufen und welche Geländerteile, wusste er freilich nicht mehr. Deshalb tastete er vorsichtig voran, setzte immer erst einen Fuß ganz langsam auf, verlagerte nach und nach das Gewicht, horchte ängstlich, ob nicht verräterisches Knarren loslege.

Eingedrungene Gewitterschwüle lastete im Haus. Schneidend dicke Luft füllte die Treppenflucht. Weiterhin zuckten draußen Blitze, warfen bis in diese Düsternis bleich verzerrenden Schein. Donner grollte hinterher, verschlang sämtliches Geräusch. Anschleichende Dunkelalben hätten keine besondere Mühe. Aber glücklicherweise schlich offenbar kein Alp herum. Aufatmend erreichte er das Stockwerk darunter, stand ähnlich unsicherem Unterfangen gegenüber, erwartete nichts anderes, wenn er es auch erhoffte.

Am besten den Donner nach den Blitzen abwarten und dann ganz schnell so viele Stufen runtersausen wie es nur geht, überlegte er sachlich.

Wartet man auf etwas, scheint die Zeit endlos und obendrein Gummiband. - Aber endlich! Blitz zuckte draußen, scheuchte schreckvoll verzogene Schatten über Wände und in winklige Ecken. Erfried glaubte an Gestalten, welche auf ihn losstürzen, ergreifen und fesseln wollten, womöglich in Verlies sperren oder ihm gleich den Hals umdrehen. - Sinnestäuschung! - Ersehntes Donnergrollen polterte ungestüm über das Dach, drang dumpf ins Haus.

Leichtfüßig sprang er Stufen hinunter, schaffte glücklich halbe Treppenlänge. Grummelnd verhallte Donner. Nachfolgende Stille zwang Erfried auf die Stelle, schließlich könnte ausgerechnet diese Stufe verratende Laute abgeben. Wo bleibt der nächste Blitz? Er schrak im plötzlichen Grellen zusammen. Alles in ihm spannte, Herz klopfte wild. - Wann kommt der Donner? - Noch nie erhofften seine Ohren derart sehnsüchtig dies sonst störende Tönen. Abschreckender Missklang als ersehnt liebliche Musik...

"Da bist du ja!" Krachender Donner folgte. - Erwischt!

Gleich zweimal hintereinander fuhr Erfried entsetzt zusammen. Erst wegen hohler Stimme von hinten, dann beim sofortigen Donnerschlag. Hart durchfuhr heftiger Schreck. Fast pinkelte er in die Hosen, spannte gerade noch Muskeln, verhinderte Schlimmstes. Gelähmt stand er, keiner Regung fähig. Heftiges Herzjagen als einziges. Nicht einmal Fluchttrieb brachte Bewegung, ließ Reißaus nehmen. Ausgeleertes Inneres. Keine Flucht möglich. Langsam, ganz langsam wandte er herum, als beseitige es den wahren Zustand, sah furchtsam zum Treppenabsatz hoch, zur Quelle der Stimme.

Swantraut Perchten stand oben, lächelte bedrückend herunter. Böse Gier und gemeine Befriedigung über gelungenen Fang im Blick. Nacheilender Blitz verzerrte ihre hübschen Züge schaurig. Und sie stand dort splitterfasernackt! In der Linken hielt sie großes weißes Badetuch, verdeckte damit ihre ansehnlichen Blößen keineswegs.

Doch darauf achtete Erfried in atemloser Angst jetzt sowieso nicht, sah nur weiße Zähne hinter roten Lippen glitzern. Lippen, dermaßen rot, als seien sie gerade von frischem Blut benetzt. Zähne, scharf und kräftig genug für zuckend lebendiges Fleisch. Tief schlügen sie hinein und rissen blutige Fetzen heraus. Leichthin durchdrängen sie Haut, schnitten bis auf Knochen vor. Am rechten Arm schmerzte plötzlich von Gundrams Fingernagel gegrabene Schlitzwunde wieder, zerrte und kroch in übrigen Körper, saß überall brennend fest.



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Mannie Manie © 1999
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