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Abermal, Kapitel 27, Seite 03

flackert


Aber eigene Haut retten, stand nicht zur Rede, sondern das Gleichgewicht dieses Bereichs aufrecht erhalten, Gefährdete schützen. Sie müssten ihr Leben, mindestens jedoch ihre Unversehrtheit einsetzen. Davor gab es kein Entfliehen und keinen bequemen Ausweg. - Wächterpflicht! - Wächter genossen nur deshalb Vorzug weitgehend sorgenfreien Lebens.

"Ach, Erf, erzähle uns doch einmal bitte in allen Einzelheiten über deine Beobachtungen und Erlebnisse", bat der Hausherr. "Du bist ja in der zweifelhaft glücklichen Lage, den Glanzdieb genauestens sehen zu können. Und wie mir Ingomar sagte, gibt es auch eine weibliche Erscheinung?" Herwig Perchten machte ermunternde Handbewegung.

Erfried berichtete, wie er den Räuber der Farben zum ersten Mal bemerkte, ihm nachging, seltsame Auswirkungen dieser befremdlichen Gestalt auf Menschen und Umgebung beobachtete. Er erzählte über seine Ängste, harsche Zweifel am eigenen Verstand, seine Alpträume, das Erscheinen jener Frau gleicher äußerer Anzeichen des Farbenräubers. Eindringlich schilderte er fortschreitenden Raub an allem, den Verlust des Glanzes, wie alles mehr und mehr ins Finstere umschlug. Nicht wegen mangelnden Lichts.

Schauder überlief ihn, spürte abermals ausgestandene Angst, sah die Geschehnisse, als liefen sie gerade erneut ab oder seien eben erst vorbei. Zeitweilig fehlten richtige Worte. Erfried stockte, kehrte bewusst zur Runde der Abendtafel zurück. Dann sprach er beruhigt weiter, schilderte gesehen grelle Lichterscheinungen, in denen beide Dunkelwesen zumeist verschwanden. Schrilles Saugen und Krallen pupillenloser schwarzer Augen, deren Kraft zunahm und welchen man bald keinen Widerstand mehr entgegensetzen könnte. - Er jedenfalls nicht!

Er erwähnte fehlgeschlagenen Fluchtversuch zum Glanzdieb. Selbstmordversuch, wegen Verzweiflung und Angst vor Sklaverei. Gundram drückte schuldbewusst verstohlen Erfrieds Hand unter dem Tisch. Aufmerksam lauschte jeder. Niemand stellte Zwischenfragen. Betroffenes Schweigen folgte.

Ilse-Lore Schuler nickte nach einiger Zeit. "Das ist nicht nur sehr beeindruckend, Erf, sondern obendrein auch noch erschütternd. Kaum ein anderer hätte das ausgehalten, ohne durchzudrehen. Du hast dich wirklich tapfer gehalten. Und nicht nur das. Du wirst einmal ein ausgezeichneter Wächter. Gut, dass du hier bist!"

"Wie wir sehen, müssen wir schnellsten etwas unternehmen, damit wir zumindest einen Zeitgewinn herausholen können, um den Schutzbereich hinreichend auszuweiten", ergriff der Hausherr das Wort.

"Noch heute abend oder diese Nacht", betonte Oskar Dimpfl ernst.

"Wir sollten unseren neuen jungen Freund bei der Unternehmung nachher mitnehmen", schlug Werner Lübbers vor, lächelte düster.

"Entschuldige, Werner! Ich halte das für keinen sehr guten Einfall", widersprach Ingomar sofort.

"Weshalb? Immerhin kann er den Glanzdieb sehen und uns genau sagen, wo er sich gerade befindet, sollte er auftauchen oder die weibliche Erscheinung. Dadurch haben wir einen nicht zu unterschätzenden Vorteil für uns alle."

"Er ist nicht ausgebildet, Werner! Bei einem Angriff oder sonstigen Ungewohntheiten für ihn wüsste er nicht, wie er sich verhalten sollte, könnte ein leichtes Opfer werden oder sonst wie Schaden nehmen. Ich möchte nicht, dass er leichtfertig in Gefahr gebracht wird", beharrte Ingomar.

"Wenn Erf mitkommen soll, dann komme ich sowieso auch mit", verlangte Gundram. "Ich werde ihn auf keinen Fall allein lassen! Und wenn ich dabei bin, dann habe ich längst genug Wissen und Können für uns beide zusammen. Im Falle eines Falles kann ich steuernd eingreifen und ihn richtig lenken, sodass Überraschungsgefahren für ihn nur sehr klein wären."

"Hast du damit nicht schon genug Unheil bei ihm angerichtet, Unsäglicher?" tadelte Swantraut ihren jüngeren Bruder. Schiefer Seitenblick.

"Er weiß es doch jetzt", rechtfertigte Gundram, schlug unangenehm erinnert Augen nieder. "Und wenn er damit einverstanden ist, dann..."

"Verehrte Herrschaften!" ordnete Frau Nelda. "Es ist keine nette Art und Weise, über unseren jungen Freund einfach so zu reden und ihn dabei nicht einmal fragen, ihn zum bloßen Zuhörer von Erörterungen über seine Person mindern. Ich sehe durchaus auch den entschiedenen Vorteil, den seine Fähigkeiten böten. Aber die Entscheidung liegt allein bei ihm. Und wenn er ablehnt, wozu ich ihm dringend rate, dann haben wir das mit ungeschmälerter Hochschätzung zur Kenntnis zu nehmen."

"Ich würde auch eher abraten, lieber Erf", meinte Ilse-Lore Schuler ernst.

"Und ich sowieso!" Hart warf Ingomar seine Meinung in die Runde. "Außerdem muss er morgen zur Schule und früh aufstehen. Wenn er dabei ist, dann kommt er wahrscheinlich nicht vor zwei oder drei Uhr nachts ins Bett. Das geht nicht!"

"Ja nun, dazu hätt's schon eine Lösung", brummte Oskar Dimpfl gemütlich. "Wozu bin ich denn Arzt und kann krankschreiben? Hat er halt eine Sommergripp' oder ausgerechnet den rechten Arm g'fährlich verstaucht. Da kann er einige Tag' lang nach Herzenslust ausschlafen, wenn ich's sag'."



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