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Abermal, Kapitel 31, Seite 06

flackert


"Eigentlich schon. Und auch wieder nicht so sehr, wenn solche Gründe vorliegen", meinte Frau Nelda. "Aber im Nachhinein reimt sich freilich alles anders. Man hat uns alle gründlich eingeseift und in falscher Sicherheit gewiegt. Allerdings hätte der Umstand uns aufmerksam machen sollen, ein altersmäßig recht unterschiedliches Ehepaar, das dann nicht einmal zusammen wohnt. Man sollte bei einem Herrn in gesetzten Jahren und einer doch wesentlich jüngeren Frau mehr Gemeinsamkeiten vermuten."

"Tja, die haben sie offenbar auch. Nur ganz anders als man gemeinhin denken mag", bestätigte Werner Lübbers.

"Jedenfalls tauchte sie hier vorher nie auf", brummte Ingomar. "Ich habe sie nie gesehen und wohl auch sonst niemand im ganzen Umkreis."

"Ob sie wirklich die weibliche Erscheinung des Lichtfressers ist?" fragte Erfried leise.

"Das ist stark anzunehmen! Ich bezweifle es nicht!" Werner Lübbers schien sehr überzeugt, lag bestimmt richtig. Niemand mochte es bezweifeln. Nicht nach allem, was man bisher erfuhr.

"Am Wochenende soll bei Wapplers eine Nachfeier der Kommunion eines Enkels von Doktor Wappler stattfinden", berichtete Erfried. "Meine Mutter ist schon seit Anfang der Woche bei den Vorbereitungen behilflich."

"Nachfeier einer Kommunion? Ah ja!" dehnte Herwig Perchten betont. "Jetzt können wir uns auch vorstellen, was für eine Kommunionsfeier das werden sollte. Wahrscheinlich der endgültige Übertritt des Räubers der Farben. Das dürfte jetzt aber nicht mehr in dieser Weise ablaufen, nachdem Heinrich Wappler vor uns auf der Hut sein muss."

"Sie werden es aber trotzdem versuchen", meinte Frau Nelda bedenklich.

"Selbstverständlich, meine Liebe! Und wir müssen auch alles daransetzen, den Brückendiener zu finden."

"Kann man denn nicht diese Magdalena Wappler ausfindig machen?" Erfried schaute reihum.

"Ich habe deshalb schon überall angerufen", antwortete Ingomar. "Niemand kennt sie hier. Und an der Universität in Marburg begannen gerade Semesterferien. Kein Lehrbetrieb. Um sicher zu gehen, müsste man in Marburg selbst nachschauen. Ihre Wohnanschrift dort kenne ich mittlerweile."

"Viel wird das nicht bringen", zweifelte Werner Lübbers. "Sie wird nicht auf uns warten, sondern längst woanders sein und ihre Vorbereitungen treffen."

"Vor einigen Tagen muss sie aber noch hier in der Stadt gewesen sein. Wenn sie diejenige ist, die ich gesehen habe, diese weibliche Weise des Glanzdiebes. Vielleicht ist sie immer noch hier irgendwo", meldete Erfried munter an.

"Natürlich, junger Freund. Da hast du sicherlich recht. Die Frage ist nur, wo? In diesem grässlichen Bungalow wird sie auf keinen Fall mehr sein."

"Bestimmt mit ihrem ähm... Ehemann in einem sicheren Versteck." Frau Nelda zögerte etwas. Ihr schien in diesem Zusammenhang der Begriff Ehemann nicht ganz richtig.

"Du meinst, meine Liebe, sie sind gerade zusammen?" Aufmerksam sah Herwig Perchten seine Gattin an.

"Ganz klar, ja! Du weißt ja, lieber Herwig, wie selten ich mich in solchen Dingen täusche."

"Mir ist kein Fall bekannt, wo du dich bei solchen Sachen sehr oder völlig täuschtest, meine Liebe. Hast du vielleicht einen Fingerzeig auf dieses Versteck?"

"Das ist ja gerade das Verrückte dabei!" Nelda Perchten seufzte bedauernd. "Es muss ganz in der Nähe sein. Dummerweise wandert es. Ich kann es nicht orten, verlor es auch wieder. Jetzt ist es merkwürdig weit weg, scheint aber zugleich wieder näher. Und es ist völlig verschwommen. Als ob eine derart besondere Tarnung verwendet würde, an welche ich nicht entfernt denke. Ich komme einfach nicht darauf, was es sein könnte. Und solange ich auch nicht die leiseste Vermutung habe, verschwimmt es immer wieder."

"Verschwommen oder nicht. Meine Notwendigkeit, einmal die Toilette aufzusuchen, kann ich deutlich orten", lachte Ingomar entschuldigend und stand auf. In ausgreifenden Schritten steuerte er um Heckenzeilen zum Haus.

Versonnen blickte Erfried ihm nach, Ingomars Heldenhaftigkeit letzter Nacht erneut im Sinn. Da machte es keinen Unterschied, ob dieser tolle Bursche damit einen Reinfall erlebte und buchstäblich als begossener Pudel dastand. Ingomar wollte ihm das Leben retten und wenn notwendig, sein eigenes opfern! Ungeschmälert schwärmte er für ihn: Ingomar ist einfach großartig!

Nur kurz knirschten dessen Tritte auf dem Kies des Weges. Vogelstimmen übertönten lebhaft. Das Tischgespräch driftete in Bereiche zwischen Werner Lübbers, Frau Nelda und Herwig Perchten. Richtiges Erwachsenengespräch. Für viel jüngere selten sonderlich unterhaltsam. Erfried hörte nur halb hin. Langweilig! Dafür sprach er um so mehr leckeren Speisen auf der Tafel zu, trank genüsslich echten Bohnenkaffee allerbester Sorte. Ihm ging es gut, fühlte keine Sorgen.

Plötzlich sagte Frau Nelda unvermittelt und mahnend: "Wir sollten sehr wachsam sein! Wir dürfen nicht vergessen, mit unerfassbarer Tarnung kann der Schutzbereich hier möglicherweise unterlaufen werden!"

"Du hast recht, meine Liebe" pflichtete der Hausherr nachdrücklich bei. "Wir sollten Augen und Ohren offen halten, alle Fühler ausstrecken und möglichst nah beieinander bleiben. Unangenehme Überraschungen erlebten wir schon zur Genüge."



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Mannie Manie © 1999
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