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Abermal, Kapitel 18, Seite 07

flackert


Wie lange schon? Wie viel Zeit verfloss, seit ihn Gundram im Garten wieder fing, unterwarf, mit Stromschlägen aus Blinkstrahl quälte? - Es könnte erst vorhin gewesen sein, doch sicherlich bereits geraume Weile her. Eine Stunde oder länger? Er wusste es nicht, nahm nichts wirklich wahr. Nachgerade eingesperrt im großen Gesellschaftsraum, musste er gegen eigenen Willen wohlerzogenen Jungen beweisen, Gespräche führen, Fragen beantworten, trotz würgender Angst lächeln. Keine Wahl und kein Widerstand, beständig den Alp im Nacken. Er wollte sie anschreien, um Hilfe bitten, sprach aber wohlgesetzte Worte, plauderte belanglos.

Verschiedentlich begann Gundram: "Wir müssen noch einiges klären, mein frisches Bruderherz. Ich wollte dir sagen, dass..."

Meist kam er nicht einmal so weit. Andere Gäste mischten Worte dazwischen, stellten irgendwelche Fragen oder erzählten von Dingen, die Erfried nicht verstand. Gundram zuckte die Schultern, setzte mehrmals begonnenen Satz nie fort, lachte gehässig, brannte Blicke in den Jungen. Alles sank in tranig getränkte Watte, verschwand im weißlichen Nebel. Sicheres Gefängnis.

Was wollte der klären, ihm sagen? Seine Sklaverei, oder was? Wollte er etwa Verständnis für wilden Stromstoß seines ätzenden Bronzestrahls? - Das bedurfte keiner Klärung!

Schließlich sah gefesselter Verstand die Aussichtslosigkeit ein, nachdem niederschmetternd erkannt: Alle anderen Gäste, alle Anwesenden besaßen gleichen langen, geschärften Fingernagel am kleinen Finger der Linken! Stachelndes Merkmal, sichtbares Zeichen und wirksame Waffe, giftig. Keiner kannte Erbarmen. Unbeirrt trieben sie ihr Spiel vordergründig harmloser Plauderei und Höflichkeit, quälten sadistisch, zeigten Gnadenlosigkeit von Katzen. Beute als Spielzeug. Erfried entließ holpernd und ohne Wollen irgendwelche Worte zu einer Frau. Deren waberndes Gesicht zerlief fortwährend. Schlieren vor seinen Augen.

Plötzlich durchstieß Herwig Perchten alles, klatschte mehrmals laut in die Hände, hob sie hoch. "Liebe Freunde!" Wirbelnde Gespräche sanken, murmelten vereinzelt, verflogen. Alle sahen zum Hausherrn. So er denn der wirkliche Hausherr hier sei, dachte Erfried matt. "Liebe Freunde! Danke für eure Aufmerksamkeit! Die Vorbereitungen für das heutige Feuerfest sind abgeschlossen und alles bereit. Die richtige Zeit ist gekommen und wir sollten uns gemeinsam aufmachen, das Feuer feiern!"

"Feiern wir das Feuer!" klang dumpfe aber begeisterte Zustimmung. Antwort versammelter Menge.

Alle standen auf, sprachen nur noch leise und unterdrückt miteinander. Gundram zog Erfried vom Stuhl hoch. Allein und verloren wartete er in der Raummitte, umnebelt von summenden Schwadenstreifen aus Worten. Irgendwer stimmte eintönig dunklen Gesang an, worin andere einfielen. Schwellendes Rauschen scholl durchs Haus.

Jetzt bringen sie mich zur Schlachtbank! - Verstand schlug wilde Purzelbäume. Ohnmacht lähmte jede Überlegung. Es gab keinen Ausweg. Wieder Herr seiner selbst werden, versuchte er angestrengt noch einmal, musste abermals aufgeben. Wach sehend müsste er erleben. Sterben? - Wieso verfiel sein gefesselter Geist nicht dem Wahnsinn? Das wäre gnädiger! Doch dieser zweifelhafte Vorteil blieb verwehrt. Vorteil? - Was für ein Hohn, von Vorteil sprechen, denken, wenn der Geist im Irrsinn versinkt!

Gundram schob ihn vorwärts in den großen Vorraum. Dunkelalben warteten auf Zeichen zum Aufbruch. Gespenstisches Schweigen grässlicher Gesellschaft. Einige nackt und barfuß. Andere wiederum, mochten offenbar nichts verändern, trugen ohnehin düster gefärbte Sachen. Ihnen angemessen. Wieder andere, in schwarze Kutten geschlüpft und normaler Kleidung entledigt, standen drohend wie Totengeister. Darunter nackt, gleichfalls barfüßig oder mit Riemensandalen und Unterzeug, Kapuzen über Köpfe gezogen. Gesicht und Hände von weit fallenden Stoffen verborgen, besaßen sie kaum noch menschliche Erscheinung, sah man von ihrer Gesamtgestalt ab. Erinnerte entfernt an Pestärzte und Pestmönche des Mittelalters, welche qualvoll verendete Tote sammelten und zu Brandplätzen karrten.

Jetzt führte man ihn zum Brandplatz, zur Opferung! - Ich habe doch gar nicht die Pest! schrie es innerlich.

Erster Ansatz zum Wahnsinn? Wer ist hier wahrhaft wahnsinnig?

Er wollte schreien, brachte lediglich kratzenden Hauch zustande. Dann brach die versammelte Schar irrer Geistergäste auf. Verborgenes Zeichen musste sie erreicht haben. - Hinausgeführt aus klaffender Haustür. Gundram wachsam zur Seite, stechende Augen, scheußliches Lächeln auf Lippen. Mitgeschleift! Der gäbe seinen Fang nicht aus den Fingern. Nacheinander verließen alle das Haus.



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Mannie Manie © 1999
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