Erfried kannte so etwas durchaus, nicht zuletzt aus dem einen oder anderen überaus offenherzigen Schmuddelheft Gerd Wesselings und von besonderen verschwiegenen Gelegenheiten. Aber jetzt durchstieß ihn ungewolltes Gefühl. - Ganz anders!
Heißer Strom glitt aus Schenkeln zum Bauch, dann in alle Bereiche und Gliedmaßen, wirbelte darin wie verrückt, kochte, hopste und sprang herum. Bis in Finger- und Zehenspitzen rann es prickelnd, funkte an sämtlichen Haarenden. Auf seltsame Art bestand nur noch unscharfes Empfinden, erfasste selbst den Blick, bot lediglich Ausschnitt fotoartiger Sicht. Alles sonst ringsum verschwand, außer Gundrams grinsende Miene, glühende Augen, greifende Hand. Blut schoss ins Rohr. Es zuckte und versteifte gegen Erfrieds wütenden Willen.
"Lass' das doch! Wenn jemand kommt und das sieht!" Verlegen hochrotem Kopf machte er raschen Schritt zurück, zog eilig Unterhose und Jeans hoch, verbarg sein annähernd steif zuckendes Teil.
Gundram lachte leise. "Hier kommt jetzt keiner. Außerdem würde man das hören. Und selbst wenn? Darüber regt man sich bei uns hier nicht auf."
"Bei uns aber! Und bei allen anderen, die ich kenne!"
"Dann wird's wohl Zeit, dass du auch andere kennen lernst", stellte der unverfrorene Bursche klar. "Na, dann gehen wir mal ins große Wohnzimmer. Unser anderer Besuch und meine Familie sind dort. Die werden dich sicher sehen wollen. Und du sie wohl auch."
Verwirrt folgte Erfried dem schlaksigen Jungen. Seine Verwirrung minderte nicht, nachdem ihn alle einnehmend freundlich begrüßten.
Fröhlich bis ausgelassen schwirrten Stimmen hin und her. Lachen flackerte. Unterhaltungsfetzen flogen vorbei, welche er gar nicht so schnell aufnehmen konnte. Alle Sitzplätze belegt. Viele standen, Getränke in Händen. Jemand spielte vorher scheinbar Klavier. Aufgeklapptes Tonmöbel zeigte elfenbein- und ebenholzfarbene Zähne, Notenblätter darüber festgeklemmt. Einladend aufgebautes großes Büfett ihm wenig bekannter Leckereien und eine Bar voll unterschiedlichster Flaschen linkerhand. Geruch nach vielerlei Damenparfüm und teuren Zigarren. Zigaretten- und Pfeifenrauch schwadete. Auf einer Seite ließen hohe offene Fenster ungehindert sommerliche Luft herein, klärten rauchigen Dunst. Im weitläufigen Wohn- und im Speisezimmer schienen über vierzig Leute versammelt. Bestimmt!
Wo standen denn die Autos dieser Besucher? - Vermutlich weiter hinten, verborgen vom Heckendickicht um gesamtes Anwesen.
Wie vielen er artig vorgestellt, zählte er nicht. Bis auf den Vornamen der Tochter des Hauses, Swantraut, und des Hausherrn, Herwig, vergaß er die meisten schnell. Bei solcher Anzahl konnte unmöglich alles haften bleiben. Das Durchschnittsalter lag erheblich über seinem und Gundrams. Swantraut Perchten, längst erwachsen, zählte nachgerade zur Jugend. Die meisten Gäste entsprachen altersmäßig eher dem Ehepaar Perchten. Bestenfalls mal zehn Jahre darunter. Wohl auch deren Freunde und sonst Verwandte. Letzteres bemerkte Erfried daran, wenn Gundram die eine oder den anderen Tante oder Onkel nannte oder zuvor auch sagte, sie seien Tanten oder Onkel.
Hoch erfreut begrüßte ihn Frau Nelda. "Guten Tag, Erf! Das finde ich aber schön, dass du gerade heute gekommen bist. Wie ich sehe, hast du dich bereits mit Gundram bekannt gemacht. Ich hoffe, ihr kommt gut miteinander aus. Wenn du Hunger oder Durst hast, dann bediene dich gern am Büfett. Halte dich bloß nicht zurück! Dazu ist es da, und nicht zum Angucken! Ein bisschen musst du dich auch ranhalten, bevor dir die anderen hier alles wegfuttern." Sie lächelte bezaubernd. "Du wirst mich aber bitte entschuldigen, weil ich mich auch um alle anderen Gäste kümmern muss. Wenn du irgendwelche Wünsche hast, dann kannst du dich gern an mich wenden. Viel Spaß wünsche ich dir noch!"
Sie winkte gewinnend und nahm wieder inmitten ihrer Freundinnen oder Verwandten auf dem Sofa Platz, erzählte offensichtlich von Erfried. Man wandte freundlich lächelnde Gesichter zu ihm, nickte verstehend oder grüßend, führte nach gebührlicher Zeit eigene Unterhaltung fort.
Ingomar kam, legte ihm vertraulich den Arm auf die Schultern. "Hej, Erfried! Wie schön, dich wiederzusehen. Du hast Gundram schon näher kennen gelernt?"
"Hallo Ingomar! Ich freue mich auch wirklich sehr, dich wieder zu treffen." Erfried fühlte echten Stolz. Von diesem tollen Typen wie ein alter Freund begrüßt! "Ja, Gundram hat mich im Garten angetroffen, nachdem mich euer Frecke in den Dreck schmiss."
"Frecke hat dich angesprungen?" Ingomar klang besorgt. "Dir ist doch hoffentlich nichts passiert?"
"Nein, nein, keine Bange! Ich bin bloß mächtig erschrocken, weil der so lautlos von hinten kam. Und dann bin ich in einen alten fauligen Laubhaufen gefallen. Danach schlabberte mich Frecke von oben bis unten ab und freute sich schwanzwedelnd über seinen gelungenen Coup."