"So lange war ich noch nie auf den Beinen", bekannte Erfried, zog fahrig das Hemd aus.
"Ich auch nur sehr selten bisher", raunte Gundram ins Halbdunkel, sah zu ihm hinüber, hängte sein Oberhemd auf eine Sessellehne.
"Selten? Hast du nächtliche Ausflüge schon hin und wieder mal mitgemacht?" Erfried warf seine Jeans über den anderen Sessel.
"Nun ja, schließlich gehören solche Streifzüge zu den Dingen, die wir eben machen und auch machen müssen." Gundram schlüpfte aus dem Unterhemd.
"Wir gäben eine unschlagbare Einbrecherbande ab", lachte Erfried, blickte anerkennend auf Gundrams schlaksigen, dennoch muskulösen Oberkörper. "Nicht einmal richtig einbrechen müsste man. Du könntest die Leute so durcheinanderbringen, dass sie nichts mitbekämen. Aber auch ohne das, ginge wohl alles glatt, bei den Fähigkeiten der Wächter. Man könnte ohne weiteres sogar die englischen Kronjuwelen aus dem Tower in London mopsen und keiner käme dahinter, wie das vor sich gegangen ist und wer die Bösewichte waren. Scotland Yard wäre ratlos", schwärmte er.
"Das sind die schon", lachte Gundram leise, schälte Jeans von langen Schenkeln.
"Was sind die schon?"
"Ratlos! Scotland Yard ist schon lange ratlos", antwortete Gundram und streifte gebückt seine Hosen endgültig herunter.
"Weshalb denn?"
"Wegen der Kronjuwelen."
"Was ist denn mit denen?"
"Die sind weg."
"Wie, weg?"
"Wir haben der Queen die Klunker geklaut."
"Blödsinn! Die kann man doch immer noch hinter Panzerglas anschauen."
"Das, was die da zeigen, waren noch nie die echten Dinger."
"Ach ja, richtig! Davon habe ich auch schon gehört. Die bewahren sie schwer bewacht hinter dicken Panzertüren und Tresormauern in der Kronschatzkammer auf."
"Hat ihnen aber nichts genützt."
"Willst du mich verkohlen?"
"Überhaupt nicht, Herzensfreund."
"Du willst mir doch nicht etwa erzählen, dass ihr die Kronjuwelen habt?"
"Doch."
"Quatsch! Glaub' ich nicht! Außerdem hätten die doch wenigstens versucht, die alten Klunker zurückzukaufen. Damit kann man doch sonst sowieso nichts anfangen."
"Stimmt! Aber das können die sich längst nicht mehr leisten. Die Schulden bei den Amis sind wichtiger."
"Was für Schulden?"
"Mensch, Junge! Die haben in diesem Jahrhundert schon zwei irrsinnige und lange Kriege geführt und auch sonst heftig Weltmacht gespielt und schwer über die Verhältnisse gelebt. Glaubst du, das kostet nichts? Dafür verschuldeten die sich schon im ersten Weltkrieg bis über alle Ohren und Haarspitzen beim Ami. Sonst wären die den Bach runtergegangen."
"Aber die haben doch den Krieg gewonnen."
"Na und? Davon bezahlen sich keine Schulden von hunderten Milliarden Penunzen. Sieger dürfen sie sich gern nennen, nur haben sie nichts davon. Jedenfalls keine Kohle auf der Bank. Die einzigen wirklichen Sieger waren die Amis und sonst niemand. Schon gar nicht die Franzosen. Nur die Russen noch ein bisschen."
"Also, ich kann mir nicht vorstellen, dass die Queen mit Similisteinen, billig gepunztem Messing und Buntglasfenstern am Geweih durch die Gegend schlendert!"
"Muss sie aber. Da bleibt ihr gar nichts anderes mehr übrig."
"Aber das merken die doch, wenn das nur Faschingsblech ist."
"Natürlich. Aber darüber redet keiner. Ist doch viel zu peinlich. Außerdem ist das doch kaum was anderes als albern aufgeblasener Staatsfasching. Dieses ganze hochtrabende Getue! Und die doofen Leute im Lande kriegen den falschen Klimbim, Kram und Krempel doch sowieso nicht richtig zu Gesicht. Und ins Ausland fuhren die noch nie mit den Kronenklunkern."
"Und wo ist das Zeugs dann?"
"Wir haben es hinters Tor gebracht, das die Wächter hier bewachen. Klaut ja keiner. Wer denn auch?"
"Und was wollt ihr damit machen, es verkaufen?"