Die Schwarzalben brächen bestenfalls in schallendes Gelächter aus, sähen in diesen verqueren Heiligen samt hiesigem Papistenschamanen gefundenes Fressen, sperrten sie windeseilig in Bann. Dagegen kannten Mönche bestimmt keine Mittel oder Maßnahmen. Alben sind steinalte Mächte, daher wesentlich beschlagener. Die wissen mit Sicherheit besser über alle Schliche Bescheid, als ausgerechnet der Vatikan oder dessen unerfreuliche Außenposten. Und Weihwasser, Kruzifixe und Litaneien fürchten Alben schon gar nicht. Wären sie sonst noch immer hier?
Niemand konnte sie verscheuchen oder unschädlich machen. Schließlich bestätigten alle Leute ringsum, Perchtens seien uralt Eingesessene. Selbst jene grausamen Teufel von der Inquisition bekamen ihr Fett weg, wurden sogar von den Alben vernichtet und verjagt, wenn die Erzählungen stimmten. Und warum sollten sie nicht stimmen? Gemäß erlebtem Schrecken, schienen sie sogar untertrieben.
Wenn man wenigstens einen alten Germanenpriester oder Druiden, eine Hexe alten Schlages oder entsprechenden Hexer auftreiben könnte. Dann erführe er unter Umständen, welche Schutzmaßnahmen möglich - oder auch nicht. Doch wo sind heutzutage solche Leute noch greifbar? Wer so was betreibt, erzählt das doch keinem. Nur lautstarke Trommler und Schwätzer gehen damit hausieren. Allesamt Wichtigtuer. Erfried hörte nur von einem Handaufleger, wohnhaft in abgelegenem Weiler.
Ob der davon Ahnung hat? - Bestimmt nicht! Kräuterkundig, mit ein bisschen Zauberwerk garniert. Bestenfalls fingerfertige Jahrmarktslärmer, was sonst Zauberer geheißen durch die Gegend trabt. Zauberkünstler. Solche bringen ohnehin nichts zustande, außer Hühnereiern aus Nasenlöchern, ewig dummen Tauben in ihrem ollen Zylinder oder alberne weiße Karnickel.
Vielleicht Gräfin Dahlendorf...? - Ach, nein! Die wurde zum Schluss völlig verschlossen!
Wahrscheinlich selbst insgeheim mit den Alben am Gange, was er jedoch nicht glaubte. Ganz sicher aber verfügte sie in dieser Hinsicht über keinerlei Macht und Einfluss. Womöglich fürchtete Gräfin Dahlendorf die Perchtens sogar. Sie machte ja deutlich, die seien viel älter als ihr eigenes Grafengeschlecht, räumte unausgesprochen ein, wie viel mehr Macht denen immer schon zukam. Nur im Hintergrund gehalten und ohne großen Hermann. Mehr sein, als scheinen! - Sehr schlau und gewieft.
Soll ich zur Polizei gehen, Anzeige erstatten? - Aber weswegen und wie?
Es gab keine Zeugen. Und an der Ronnburg leugne man einfach alles. Kein Beamter schenkt einem Jungen Glauben, welcher dreist die älteste Sippe der ganzen Umgebung durch derart haarsträubende Anschuldigungen in Verruf bringen wollte. Und selbst wenn, dann kannten auch Polizisten keine echten Möglichkeiten gegen Alben. Wie sperrt man Wesen ein, welche gewohnt zwischen Welten wechseln? Kein noch so tiefer Kerker hielte sie. - Aussichtslos!
Wehmütig schaute er noch einmal in der kleinen Wohnung herum, verschloss sie gewissenhaft, verließ wohlbekannte Räume, altvertrautes Leben. Draußen herrschte nach wie vor grau kühler Tag. Vom feucht verhangenen Himmel fielen ab und an Tropfen. Am Bachgassenende überquerte Erfried anmündende Ladenstraße, angepeiltem Ziel entgegen. Kurz vor dem Haus von Meinrads kehrte er jedoch um, ging zurück, bog in andere Gasse.
Ringsum ragte zunehmendes Grau. Kaum etwas besaß noch genügend Farbe und Strahlkraft, gemindert, beraubt vom Farbenräuber. Verhängnisvoll fester Entschluss begleitete jeden Schritt, hallte von düsteren Wänden wider. Geradewegs zum versteckt liegenden engen Platz mit dem hässlichen kleinen Brunnen wollte er, wo modrige Bleibe hinter Toreinfahrt wartet. Unterschlupf des Glanzdiebes.
Regenschlüpfriges Pflaster mahnte, er solle umkehren, nicht dorthin gehen. Selbst finsternde Wolken oben muteten an, als riefen und warnten sie. Aber er lief unbeirrt weiter. Schlucht alter Fachwerkhäuser, Schlachtweg. Wenige Leute unterwegs. Sie schauten ausdruckslos, drehten ab und verschwanden irgendwo.
Ahnten sie sein Ziel? Suchten sie Verstecke, wollten nicht gleichfalls auf Wege ins Dunkle gezerrt werden? Verbleibende Tage wenigstens in stickiger Glanzferne durchschweifen?
Stumpf nichtssagende Augen rückten zusehends selber Finsternis näher, welche die Frau im geistwirr eckigen Bungalow längst erfasste. Hier und dort wagten bleiche Gesichter unvermeidliche Blicke durch Fenster. Starr leere Mienen lustferner Toter.
Neben dem träge plätschernden Brunnen blieb er stehen, schaute rückwärts in gemauerten Hohlweg. - Kein Lebenszeichen, kein Laut. Erstarrt und leblos erwarteten Hausumrisse samt Bewohnern das Ende ihrer gezählten Zeit.