Wenig hell. Erleichtert erkannte er flach verlaufenden Abhang in weit ausladende Mulde. Allerdings verhinderten dichtstehende Bäume und Unterholz zuverlässigen Einblick. Doch glaubte er sicher, die Lichtquelle, die Alpmutter liege irgendwo voraus in wahrscheinlicher Muldenmitte. Was mag dort warten? - Bange Frage. Dann wanderte er bläulich leuchtendem Nebel entgegen. Abwärts in große Senke.
Bleich streifige Elfenbrücken warf das Licht in den Wald über Wällen. Scheinbar griffen unwirkliche Finger nach allem. Scheinbar? Wild herumtanzende Irrlichter vollführten wirre Künste, drangen stetig näher auf ihn zu, als wollten sie seine Schritte hindern. Knisternd sprühten deren Funken herunter, zischten aus anderen Richtungen, bissen stechend ins Fleisch, brannten Zugang, verschwanden darin, bohrten, schnitten, fraßen.
Unbeirrt zwängte Arfs Nacktheit durch filziges Gehölz. Hemmend gewachsene Sperren. Noch hielt er es aus, wenn scharfe Dornen und spitze Splitter Haut fetzten. Wie lange noch? - Schon spürte er ersten Schmerz nähern. Reißende Ankündigung, Brennen und Jaulen, welches bald schrilles Gekreisch würde, endgültig Hölle. Wut über unverdientes Schicksal trieb an, aber auch drückende Angst. Beides zusammen ließ alles missachten. Einziger Gedanke und Wunsch: Zur Lichtquelle! Nur dort wartet Lösung, wenn nicht Erlösung. Lediglich die Alpmutter änderte seine jetzige Lage.
Doch wenn diese Mutter widerwärtiger Gespensterblitze ihn einfach nicht zur Kenntnis nahm? Sie konnte genauso gut ansehen wollen, wie ihre Kinder grausigen Schabernack mit ihm trieben! Vielleicht holte sie ihn erst hierher, wünschte Spielzeug für ihre Bälger? Ausersehen als niedliches Geschenk an schaurigen Nachwuchs? Zum Zeitvertreib für giftige Brut entführt?
Er mochte nicht daran denken, arbeitete schier besessen durchs Dickicht, langsam aber stetig dringlichere Lichtflut vor Augen. Noch sah er die Quelle selbst nicht, nur höchstwahrscheinlichen Ort. Fahl nebelte deren Zwielicht in alle Richtung, schlug blasse Bahnen geradewegs in umliegend wachsendes Holz. Und trotz Nähe, trotz Eindringlichkeit, wurde nichts heller oder besser sichtbar. Eher umgekehrt.
Überraschend weitete Freifläche. Soweit erkennbar, kreisrund und mindestens so groß wie ein Fußballfeld. - Was ist ein Fußballfeld? - In der Mitte lagerte drohender Hain. Hohe Bäume und viel Buschwerk. Umriss glich lauerndem Ungeheuer, woraus mattes aber hartes Licht brach, Löcher gefetzter Schuppenhaut nutzte. Schwer atmend stand er am Rand filzigen Unterholzes, dunkler Wald im Rücken. Näher pochte beginnender Schmerz gerissener Wunden. Blut rann am Körper herunter, tropfte in sumpfig nasses Gras.
Ohne Umschweife marschierte er zum Hain. Konnte gar nichts anderes tun. Seine einzige Gewissheit: Die Behausung der Alpmutter, deren Brutstätte, Widerwärtigkeit ausstoßendes Nest! Für ihn gab es keine Wahl, wollte er nicht länger herumirren.
Verwundert nahm er beiläufig wahr, wie wenig Irrlichter hier ihr wirres Spiel betrieben. Nur ganz vereinzelt sprangen sie über harte Gräser oder verschmolzen mit Nährwegen des Lichts der Gebärenden. Wie Speere stießen gleißende Streifen zum Waldrand, verschwanden als Nahrung der Alpkinder im Strauchwerk. Selbst in schwarzen Himmel stachen Bahnen, verströmten irgendwo im endlosen Raum ohne Sterne.
Dennoch alles dunkel und fahl. Nichts wirklich erhellt. Alpe brauchten wohl kein Licht, fanden ihre gezackten Pfade auch so, tankten aus der Mitte, aus kalt leuchtender Quelle, stillten und saugten an ihrer Mutter. Busch und Baum genügte es offenbar gleichfalls. Alles krank miteinander verschlungen.
Vergleichsweise schnell und ohne viel Anstrengung erreichte er leuchtendes Haindickicht. Zum ersten Mal unschlüssig. - Soll ich wirklich zur Alpmutter?
Erst hier erkannte er rasches Quellenflimmern in Lichtbahnen. Aber noch lag der Ursprung hinter hölzernen Sperren verborgen, hart geschützt durch dornige Äste mit gezackt scharfrandigen Blättern. - Du musst es tun!
Er drang ins Dickicht, kämpfte gegen feindlichen Widerstand. Kratzende Äste peitschten, spitze Enden stachen wütend, klebriges Laub wollte fesseln, festhalten, fangen. Wild wehrte er greifende Klauen harter Pflanzen ab, keuchte angestrengt.
Was geschähe, blieb er darin hängen, nach seinem letzten, vergeblichen, verlorenen Kampf? Fließen dann ätzende Säfte, verdauen sein Fleisch? Fressen ihn Wurzeln, verflüssigt in stinkend trübe Brühe?
Überraschend hörte der Angriff auf. Arf merkte, er müsse steilen Hügel hoch. - Kein Hügel, sondern weiterer Wall, erkannte er schnell. Kantiges Geröll, raue Stämme riesig knorriger Bäume, wütend kratzende Niederpflanzen, hindernde Schlinggewächse hernach. Mittendurch kroch Arf auf Händen und Knien. Endloser Abstand nach oben, wo fahlblaues Gleißen über Wallränder stach. Kräfte flohen. Schon glaubte er, seine Anstrengung bleibe vergeblich und er werde anschließend im glitschigen Untergrund verrotten und verfaulen.