Kring 02, 01. Kapitel, Seite 07


Eckart dachte keinen Augenblick mehr an sein unangenehmes Erlebnis heute. In Marga Sutthoffs Gesellschaft verflog alles. Gelungener Abend! Ihr ging es offenbar mit beiden Freunden ähnlich. Jedenfalls schaute sie nicht ein einziges Mal zur Uhr oder fragte danach. Sehr gutes Zeichen, fand Eckart und hoffte, er könne sie mindestens als gute Freundin gewinnen. Selbstredend blieb fraglich, ob sie der kleinen Eca-Media Vorzüge gewährte. Ganz offensichtlich trennte Marga Sutthoff Beruf, Geschäft und Privates sehr genau. Als Eckart und Carl die Rechnung verlangten, rückten Uhrzeiger auf dreiundzwanzig Uhr zwanzig.

"Was? So spät ist es schon geworden? Das hätte ich nicht gedacht", staunte Marga Sutthoff. "Mir verging die Zeit wie im Fluge. Ich meinte, es könne vielleicht kurz vor zweiundzwanzig Uhr sein."

"Wir sollten unbedingt mal wieder so einen gemütlichen Abend miteinander verbringen", schlug Carl vor.

"Gerne, ich habe ganz und gar nichts dagegen." Marga Sutthoff blickte Eckart freimütig an. "Zwar wohne ich auf dem Lande, aber das bedeutet nicht, dass ich nicht herumkäme. Manchmal mehr als mir lieb ist. Spätestens, wenn ich meine Angelegenheiten in Berlin zufriedenstellend geregelt habe, sollten wir uns einmal verabreden. Außerdem sehen wir uns die kommenden Tage sicher wieder. Das Festival dauert ja noch."

Allgemeiner Aufbruch. Als Eckart gerade seinen Mantel anzog, nachdem er Marga Sutthoff aufmerksam in den ihren half, streifte sein Blick durch gläserne Eingangstür des Restaurants nach draußen... erstarrte...

Hohe Dunkelgestalt großen Mannes mit breitem Hut, unter dessen Krempe ein Auge hervorglitzerte. Gesicht im Schatten, unkenntlich. Aber dieses glitzernde Auge starrte durchdringend, bannte fest.

Heißer und kalter Schauer überlief Eckart nacheinander. Geräusche und Sicht versanken hinter wattigem Nebel, alle Wahrnehmung kam aus weiter Ferne. Betäubendes Summen lag in Ohren, kroch in jedes Körperteil, dröhnte fast rüttelnd bis in Hände... fremdes Bild tauchte hoch... Lichter blinkten... zwei Gestalten standen vor dicken Gitterstäben... mit aufgerissenem Mund wankte daneben eine Frau, eingefangen in blaues elektrisches Leuchten... dann flüchteten beide Gestalten durch Tunnel, hangelten eiserne Leiter hinauf, verschwanden hinter stählerner Tür. - Lichtferne...

"Ist irgendetwas?" hörte er Carl verwundert fragen, Meilen entfernt.

"Ist ihnen nicht gut, mein Lieber?" Marga Sutthoff schaute besorgt. "Sie sehen auf einmal so blass aus, als hätten sie ein Gespenst gesehen."

Da hat sie vielleicht gar nicht mal so unrecht, dachte er und ihm schwindelte, mühte verunglücktes Lächeln. Offenbar missraten. Blicke seiner Begleiter prägte weiterhin Sorge. "Es war nur... eine... kleine Unpässlichkeit. Vielleicht war ich zu schnell aufgestanden. Da kann schon mal eine kleine Kreislaufstörung auftreten. Ich sollte mal wieder etwas Sport betreiben, dann begibt sich das. Aber es geht jetzt schon wieder. Ist schon alles vorbei."

Der ,Schwarze Mann' verschwand innerhalb Lidschlag. Genaue Einzelheiten erfassen ausgeschlossen, falls überhaupt möglich. Jene hohe Gestalt stand vollkommen dunkel, erlaubte kein echtes Erkennen. Hätte wer gefragt, wie der ,Schwarze Mann' aussah, gelänge Eckart keine andere Beschreibung als: Sehr groß, sehr schwarz gekleidet, sehr breitkrempiger Hut auf dem Kopf! - Überaus erschöpfend. Und dieses eine Auge, dieses hart glitzernde Auge, woraus Frostigkeit klarer und eiseskalter Winternächte sprang...

Eckart schüttelte kurzer Schauder. Carl sagte etwas von Überarbeitung. Lag es wirklich daran, weshalb er zunehmend glaubte, bewacht und belauert zu sein? Windschnelles Verschwinden des Fremden erlaubte nicht, seinen Freund und Partner aufmerksam machen. - Wieder nur Einbildung? Überwacht mich wirklich wer? Aber wozu? Warum? Und wer ist es? - Matt beruhigende Ausrede versucht, der große Fremde stand nur zufällig vor gläserner Eingangstür, las ausgehängte Speisekarte, schaute nebenbei herein, ihn nicht einmal an.

Beide Freunde verabredeten beim Abschied mit Marga Sutthoff, sie wollen ihre neue Verbindung aufrecht halten, gelegentlich miteinander telefonieren. Vor allen Dingen, möglichst bald wieder derart entspannenden Abend zusammen verbringen. Freundschaftliche Küsse als Wiedersehensversprechen. Eckart merkte deutlich, er und Marga hätten gern mehr. Marga Sutthoff stieg ins gerufene Taxi, ließ ihren flotten Flitzer nach mehreren Gläsern Wein lieber stehen.

Irgendwie hat es mir diese Frau angetan! - Eckart schaute schwindenden Rücklichtern versonnen hinterher. Aber an mir findet sie anscheinend auch Gefallen. Offenbar nicht einmal wenig. Er fühlte lang vermisste Freude. Kurz darauf saßen er und Carl im alten Mercedes.

"Ich möchte bei dir zu Hause noch einen mit dir kippen und auf den großartigen Erfolg des Abends anstoßen, mein Lieber", schlug Carl gutgelaunt vor.

"Können wir machen. Meine Hausbar ist zwar nicht übermäßig umfangreich, aber wir werden schon etwas Passendes finden."

"Sollten wir diese tolle Marga Sutthoff für uns gewinnen, ist so was wie ein mittlerer Höhenflug unseres Ladens nicht mehr vermeidbar. Wie gefällt dir die Sutthoff'sche, Ecki?"

"Meinst du als Mensch oder als Frau?"

"Du stellst vielleicht Fragen!"

"Als Mensch finde ich sie einfach großartig. Als Frau scheint sie ungeahnte Qualitäten zu haben, die erst noch so richtig hervorgeholt werden müssen. Als Freund hast du aber zur Zeit bessere Chancen."

Carl lachte laut. Aber Eckart meinte letzten Satz durchaus ernst. Jemanden wie Carl Bramberg gewinnt man nicht alle Tage zum Freund. Seine Ehe erlitt Schiffbruch. Wenn es aus ist, dann ist es eben aus. Da nützen auch unterschriebene Zettel auf Standesämtern nichts. Doch die Freundschaft zwischen ihm und Carl entwickelte zum Eckpfeiler. Unbezahlbarer Wert. Freundschaft und Liebe sind nur zwei Seiten selber Münze, wurde ihm in vergangenen Monaten klar. Mit Bettgeschichten hat das nichts zu tun.


Alle Rechte vorbehalten
Mannie Manie © 1996-2000
Unentgeltliche Weitergabe erlaubt!

weiterblättern: