"Die kann ich ja ausziehen", lachte Carl.
"Wenn man so was erst gar nicht anzieht, braucht man diese Unbarmherzigkeiten auch nicht ausziehen. Vergiss es!"
"Gut, ich werd' mir 'nen Glitzertanga und andere Maskulinreizunterwäsche kaufen, bevor ich dich das nächste Mal heimsuche."
"Bloß nicht! Das ist genauso blöd wie Frauen mit Strapsen und Häkellätzchen drumrum. Außerdem sähest du dann aus wie 'ne muskulöse Tunte", graulte Eckart und lachte.
"Vielleicht kann man diesen Eindruck mit schwarzen Socken und blassgrauen Sockenhaltern mindern?" Zweifach schallendes Gelächter.
Carl saß neben Eckart, reichte ihm seinen ,Rum' auf Eis "Ist dir schon aufgefallen, dass wir bislang eine glückliche Hand bei unseren Geschäften hatten? Wir sind mit dem richtigen Riecher ausgestattet. Ich kann unseren Erfolg förmlich riechen."
"Na, dann wollen wir mal zusehen, dass wir uns keinen Schnupfen einhandeln", meinte Eckart launig, angesteckt von Carls Zuversichtlichkeit.
"Junge, wir sind auf dem besten Weg. Wir sind wirklich gut. Und du hast dich heute Abend genau so verhalten wie es sein musste, um tiefen Eindruck auf Marga Sutthoff zu erzielen. Ich hätte das nicht gekonnt", lobte Carl.
"Ich habe mich aber nicht gezielt so verhalten, sondern weil ich echt beeindruckt von ihr war. Und sie ist außerdem eine verdammt gut aussehende Frau", stellte Eckart sachlich klar.
"Genau das war es ja, was den Erfolg ausmachte", lachte Carl und legte seinen Arm um Eckart. Dann träumte er mit offenen Augen vom künftigen Ausbau verschiedenster neuer Sparten, möglicherweise in zwei bis drei Jahren erschlossen.
Eckart hört still zu, genoss Carls unverhohlene Zuneigung. Seinerseits versuchte er Zukunftsblicke und hoffte, dass alle Vorhaben ihres ,Ladens' glückten. Carl knüpfte ständig sehr gekonnt neue Verbindungen. Jede versprach irgendeinen Vorteil. - Nüchtern berechnend? - Nein, sicherlich nicht! Menschliche Wärme schien ihm wirklich nicht fremd.
"Was ist denn das hier?" Carl hielt eckigen Gegenstand vom Beistelltisch des Sofas hoch.
Eckart schaute träge hin. - Unauffällige Schachtel, ockerbrauner Lacküberzug, matt glänzend. Etwa fünf Zentimeter gleiche Kantenlänge. Würfelige Pappschachtel für kleine Geschenke. Stand die nicht schon immer da? Keine Erinnerung. - Oder doch? - "Weiß ich jetzt gar nicht", gestand er verwundert. "Ist da was drin? Schüttle das Ding mal."
"Leer ist sie nicht" bestätigte Carl. Wissbegieriger Blick. "Soll ich mal aufmachen und reinschauen?"
"Gib sie mir, dann schauen wir beide gleichzeitig rein", bat Eckart, nahm fremden, zugleich bekannten Gegenstand aus Carls Hand. - Kenne ich irgendwoher!
Eigentümlich erregt Schachteldeckel gelüftet. - Enthaltenes Gebilde ähnelte winzigem Kinderbrummkreisel. Vorsichtig entnommen. Fast erschrak Eckart, als das rundliche Ding augenblicklich leise summte, blinkende Lichter darauf tanzten. Unbekannte warme Wellen strömten über Fingerspitzen in Hand, Arm und übrigen Körper.
"Was ist denn das für ein irres Ding?" lachte Carl, bestaunte das kleine Wunderwerk.
"Keine Ahnung!" gestand Eckart überrascht, gebannten Blick auf goldfunkendes Lichterspiel. "Vielleicht hab' ich das irgendwann ganz nebenbei gekauft, weil es so ungewöhnlich ist. Sozusagen als Geschenk auf Vorrat für irgendwen geeignetes. Das mache ich manchmal. Danach hab' ich's wohl einfach irgendwo abgelegt und vollkommen vergessen."
"Muss schon eine Weile her sein, lieber Freund." Carl grinste breit. "Gemessen an Staubauflage, scheint es mindestens seit Monaten, wenn nicht über ein Jahr herumzustehen."
"Kann durchaus sein." Eckart schüttelte verlegen lächelnd den Kopf, steckte summendes Teil wie selbstverständlich in seine Jackentasche. Es verstummte, beulte im Stoff. Angenehmer Strom floss weiterhin. Beständige Erinnerung ins Unterbewusstsein.
Geisterstunde vorbei, als Carls Blick zufällig über Ziffernblatt großer Standuhr streifte. "Oh, verdammt! Es ist ja schon so spät und ich muss noch nach Hause fahren. Ich habe gar nicht bemerkt, wie die Zeit verging. Das war eben so schön, hier zu sitzen und miteinander Träume spinnen. Einer von den seltenen Augenblicken, wo man sich wünscht, die Zeit sollte stehen bleiben."
"Warum musst du denn nach Hause? Du kannst doch einfach hier schlafen. In diesem großen Haus wäre es mir durchaus lieb, wenn mir mal wieder jemand beim Frühstück gegenübersitzt", schlug Eckart vor.
"Eigentlich würde ich sehr gerne hier bleiben, noch mal versuchen, die Zeit anzuhalten, wie eben. Aber das geht leider nicht. Morgen früh kommen zu mir Handwerker, wegen der Heizungsanlage, die hat in letzter Zeit öfter ihre Mucken und geht nicht wie sie soll. Ich müsste mindestens zwei Stunden eher aufstehen als sonst. Du weißt, dass ich es hasse, am frühen Morgen Hektik veranstalten. Außerdem könnten wir dann sowieso nicht zusammen frühstücken. Tut mir wirklich leid. Aber der gesamte Abend heute war wirklich gelungen."
"Fand ich auch."
"Ja, es war so richtig 'romantüsch' gewesen", meinte Carl vergnügt. "Dann werde ich mir jetzt ein Taxi rufen", seufzte er und griff zum Telefon.