Kring 02, 10. Kapitel, Seite 69


Im selben Augenblick stand fest: Dies ist nicht die Senta Kallweit, welche er kennen lernte! - Gerade noch gelungen, Kaffeetasse ohne unrühmliche Folge beiseite stellen. Er sprang auf. "Guten Tag, Frau Kallweit! Danke, dass sie für mich kostbare Zeit erübrigen. Ich bin ihnen sehr verbunden."

Gewiss, sie sah ,seiner' Senta Kallweit zum Verwechseln ähnlich, schwer oder gar nicht unterscheidbar wie ein Ei vom anderen. Aber diese Frau hier besaß vollkommen andere Ausstrahlung. Und auch sonst... Eckart überlegte krampfhaft, was anders sei... Blitzartige Erkenntnis: Ihre Aufmachung!

Senta Kallweit schien damals unnötig aufgedonnert. Eben richtig kennzeichnende Schickeriatante. Hier nichts in übertriebener Art. Selbstverständlich ausnehmend gut zurechtgemacht, fehlte dieser Senta Kallweit deutlich aufgetragene Kriegsbemalung und zu hochgestochene Kleidung. Konnte freilich auch daran liegen, dass sie im eigenen Haus nicht als Salonlöwin unterwegs. Dennoch spürte Eckart klar Andersartigkeit. Es Außenstehenden schildern oder gar begründen fiele allerdings schwer. Sogar unmöglich! Wie beschreibt man Gefühl?

Senta Kallweit kam inzwischen zur Sitzgruppe, stand zwei Schritt entfernt. "Habe ich sie eben erschreckt oder weshalb schauen sie derart erstaunt?"

Eckart fand schnell seine Fassung wieder. "Ich war nur etwas überrascht vom ihrem plötzlichen Eintritt, Frau Kallweit."

Sie reichte ihm die Hand. "Das hatte ich allerdings so nicht beabsichtigt. Tut mir leid! Übrigens tut mir auch sehr leid, was ihrem Kompagnon Herrn Bramberg widerfuhr. Ist ja eine ganz schreckliche Angelegenheit, angefahren werden und dann ins Krankenhaus! Bitte richten sie ihm mein Bedauern aus. Hätte ich geahnt, welche Folgen meine Ungehaltenheit nach sich zieht, wäre ich verständnisvoller verfahren. In der Sache selbst allerdings nicht anders. Das möchte ich dennoch betonen. Schließlich eine... hm... seltsame Angelegenheit. Wie geht es Herrn Bramberg denn? Ich hoffe doch sehr, es bleiben keine Schäden? Dann würde ich mich wirklich überaus schuldig fühlen."

Eckart schilderte kurz Carls allgemeinen Zustand. Erleichterung sprach aus Senta Kallweits Zügen. - Echt oder geschauspielert? - Während gesamter Zeit summte der kleine Spielzeugkreisel in seiner Tasche, gab seltsam empfundene Wellen ab. Eckart nahm das kleine Ding aus unbekanntem Grund stets mit. - Hoffentlich hört sie das nicht!

Senta Kallweit bemerkte offenbar nichts. "Dann bin ich einigermaßen beruhigt", versicherte sie verbindlich lächelnd. "Und was führt sie zu mir, Herr Umgelter? Sehr erfreulich übrigens, ihre Bekanntschaft zu machen. Wir hatten bislang noch nie das Vergnügen. Eca-Media gewinnt allmählich besten Ruf. Freut mich für sie!"

Eckart wollte eigentlich darum bitten, Senta Kallweit möge ihre Sicht zum Vorfall mit Carl schildern, überlegte zuvor tausenderlei Begründungen und Ausreden. Alles vergessen! Stattdessen entfuhr unwillkürlich: "Sie sind also auch in Bezug auf mich ähnlicher Ansicht, wie zu Carl Bramberg? Sie sind überzeugt, dass wir einander noch nie begegneten?"

Schlagartig verfinsterte ihr Gesicht. "Herr Umgelter!" sagte sie scharf mit erhobener Stimme. "Kommen sie mir bitte nicht auch noch mit solchen absurden Geschichten an! Dafür habe ich wirklich keine Zeit. Unsere Unterredung ist beendet!"

Im gleichen Augenblick schwang rückwärtige Tür zum Sekretärsbüro auf. Wilfried Dirschau erschien im Rahmen, kam einen Schritt herein. Ganz aufmerksamer Diener seiner Herrin, wachte dieser offenbar dahinter, wartete auf sein Stichwort.

"Wilfried, Herr Umgelter und ich haben alles besprochen! Bitte begleiten sie ihn hinaus!" Unmissverständlicher Rausschmiss. Sie wandte zur hinteren Tür.

"Bitte, Frau Kallweit", begütigte Eckart, beide Hände halb erhoben. "Schenken sie mir noch ganz kurz ihre geschätzte Aufmerksamkeit für einen Hinweis. Sollte der ihnen nicht stichhaltig erscheinen, dann dürfen sie mich gern Aufschneider, Lügner oder Spinner heißen und mich achtkantig rauswerfen lassen. Bitte, verehrte Frau, nur einige wenige Sätze!"

Senta Kallweit blieb stehen, schaute abweisend zurück. "Ich höre!"

"Frau Kallweit, wenn wir beide recht haben sollten, und mir scheint das der Fall, dann gelang es einer anderen Person, sich für sie auszugeben. Und zwar perfekt! Das sollte sehr bedenklich stimmen, schließlich kann dies weitreichende und besonders auch nachteilige Folgen haben. Jemand fremdes übernimmt ihre Rolle, trifft anstatt ihrer Entscheidungen. Bitte nehmen sie das nicht auf die leichte Schulter, Frau Kallweit!"

"Soll das eine Drohung werden, Wertester? Sie ist misslungen! - Guten Tag!"

"Frau Kallweit, ich kann ihnen achtbare und verlässliche Zeugen nennen, die bestätigen, dass Carl Bramberg und ich mit ihnen durchaus enge Bekanntschaft in den letzten Wochen pflegten, beziehungsweise mit einer Person, die von ihnen nicht zu unterscheiden war. Jedenfalls nicht von uns und einer ganzen Reihe Leute in der Öffentlichkeit."

"Ausgeschlossen! Ich war in Übersee, überhaupt nicht in Deutschland oder sonst wo in Europa!"

Eckart benannte Annemarie Treusch und Marga Sutthoff, verschwieg jedoch Margas derzeit missliche Lage. Er traute hier niemandem. Nachdrücklich auf jenen teuren Fresstempel verwiesen, worin Carl und er mit Senta Kallweit speisten: "Dort schienen sie allgemein bekannt, wurden allseits begrüßt. Selbst der dortige Geschäftsführer und der Küchenchef kamen zu uns an den Tisch, sprachen mit ihnen, nahmen höchstselbst ihre Bestellungen entgegen. Ich glaube nicht, dass diese und die meisten anderen Gäste gleichfalls Spinner waren. Und wenn diese und anwesende Gäste allesamt jene Person für Frau Senta Kallweit hielten, dann gestehen sie mir und meinem Partner dies bitte gleichfalls zu. Wir kannten einander vorher doch gar nicht persönlich, konnten daher kaum Täuschung erkennen. Andere übrigens auch nicht. Offenbar Herrschaften, welche sie bereits länger kennen. Das ist doch zumindest bedenklich, oder etwa nicht?"


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