Kring 02, 06. Kapitel, Seite 50


"Wo warst du?" Margas Stimme wie von fern. Sie klang verwundert, gleichzeitig schwang gewisser Grimm. "Ich hatte nach dir gerufen und dich gesucht, weil ich annahm, dass du bei Dunkelheit längst von deiner Schiwanderung zurück sein müsstest. Ich habe mir schon Gedanken gemacht, wo du abgeblieben bist."

Eckart fühlte Schuld wegen des albernen Verdachts, der gleich wuseliger Ratte noch immer in seiner Seele umhersprang. Marga sah ihn aufmerksam und durchdringend an.

"Was ist mit dir los?" fragte sie dann. Ihre Augen wurden schmal.

"Nichts weiter. Aber..."

"Ich bin hungrig", stellte sie klar.

"Ich auch", sagte Eckart, spürte eigene feuchte Handflächen, lief wie ein Schlavwandler.

Gemeinsam am Küchentisch, fragte Marga: "Bist du erst bei dieser Dunkelheit zurückgekommen? Ich meine, auf dem platten Lande verirrt man sich wesentlich leichter, weil man die fernen Lichter nicht auseinanderhalten kann. Man hat hier nicht so deutliche Anhaltspunkte, wie Hügel, Senken oder höherliegende Lampen."

Er nickte nur zustimmend, blickte kurz auf, spielte Gleichmut. "Wie kommst du mit deiner Arbeit voran?"

"Es könnte nicht besser laufen." Ihr Hunger schien entsprechend, sie unterbrach dabei kaum das Kauen. "Du warst eben im Keller?" Unvermittelte Frage.

Eckart fühlte leisen Schreck und bei Misstrauen ertappt, antwortete verhalten: "Ja."

"Im Planschbecken?"

"Nein."

"Hast du im Fitnessraum trainiert?"

"Könnte man so nennen."

"Sehr gut, dann steht der ganze neumodische Folterkram nicht so nutzlos herum. Ich komme selbst kaum dazu, mich in die Geräte zu hängen."

"Mir ist während der Wanderung jemand in den Weg gelaufen", erzählte Eckart, betrachtete Margas Gesicht aufmerksam.

"So? Wie kam das denn?" fragte sie leichthin und ihr Tonfall ließ erkennen, dass sie in Gedanken woanders weilte.

"Er sprang geradezu aus einer Baumgruppe heraus. Fast wäre ich in ihn hineingefahren. Es war Tobias Paulin!" Er sprach den Namen betont nachdrücklich.

Margas Kopf ruckte hoch. Ihre Miene zeigte, dass damit so etwas wie der Name tödlich gehassten Feindes ausgesprochen. Aufkommender Ärger und Zorn funkelte. "So! Tobias Paulin!" wiederholte sie angewidert. "Na ja, das musste ja einmal passieren. Irgendwann wäre diese Begegnung sowieso unvermeidlich gewesen."

"Tobias Paulin sagte, du seist irre und gefährlich für Hauspersonal."

Helle Wut flackerte. "Was? Dieser geistverlustige Wichtigtuer behauptet, jemand anderes als er habe einen Dachschaden? Und dann auch noch ich? Dieser Sesselpuper! Dieser Kinderschinder! Er kann mich nicht leiden und hasst mich sogar. Weißt du warum? Er wollte ursprünglich dieses Anwesen kaufen und ein Internat einrichten, alles ringsum vollbauen. Schön weitab von allen häufig befahrenen Wegen, damit keiner so schnell mitbekommt, was hier Abscheuliches vorgeht. Ich habe ihm das weggeschnappt, gerade auch deswegen. Und das vergisst er mir nie. Der hatte sich das so schön ausgerechnet, wie viel er mit seiner sadistischen Anstalt verdienen könnte. Außerdem wollte er noch den Kaufpreis ordentlich drücken. Ich habe nicht lange herumgefeilscht und bezahlte den gewünschten Betrag, der ohnehin nicht übermäßig hoch war, sondern eher angemessen. Tja, und Tobias Paulin guckte in die Röhre!"

"Er sagte, er sei hier Schulleiter."

"Sicher. Und in der Partei ist der auch, sogar Landtagsabgeordneter."

"Welche Partei denn?"

"Das ist doch völlig egal. Diese geld- und machtgierigen Vereine sind doch alle gleich. Oder könntest du die wirklich unterscheiden, mal abgesehen von vorangetragenen Buchstaben und Farben?"

"Nein", grinste Eckart. "Das können die ja vielfach selber nicht. Würden sie sonst häufig behaupten, andere haben aus ihrem Wahlprogramm abgekupfert?"

"Na eben! Und diese Leute wollen in erster Linie viel Geld einstreichen. So ein Landtagssessel bringt immerhin allein schon mehr als zehntausend Märker in die eigene Tasche. Jeden Monat bar! Und dann kommt noch vieles andere an Geld oder Geldwert dazu. Für nichts als überflüssiges Gequassel und meist absurde Gesetze, die niemand recht versteht. Auch nicht verstehen soll, damit keiner so schnell merkt, was für ein Blödsinn das ist."

"Stimmt! Das muss unsereins erst einmal nach Steuern verdienen, sich Tag für Tag deshalb krumm legen. Und solches Ätzvolk bekommt sogar sein Beamtensalär gering gekürzt weiterbezahlt, erhält später ein dickes Übergangsgeld nach dem anderen. Obendrein sogar kostenlose Altersversorgung."

"Genau! Und Lehrer sind bekanntlich sowieso ausgesprochen faules Pack. Und dann wollte der sich auch noch fette Pfründe mit einem Quasi-Privatinternat erschließen, getragen von sogenanntem Förderverein."

"Ach du grüne Neune! Fünfundneunzig Prozent mindestens müssen wir als Steuerzahler berappen. Und die tun sich dann mit angeblich ,sozialem Engagement' groß. Eine Unverschämtheit!" Eckarts Ingrimm schwoll.


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