Kring 02, 10. Kapitel, Seite 68


Etwas zu heftig wurde vergittertes Lädchen über bronzener Bestie geschlossen. Verschlagene Löwenfresse! Ungefähr zwei Minuten, dann entriegelte wer riesenhafte Eingangstür. Spaltbreit schwang ein Flügel zurück. Männliche Stimme: "Treten sie näher!"

Eckart musste fast seitlich durchschlüpfen, sah zuerst nichts richtig, erkannte lediglich verschieden spiegelnde Lampenlichter und faden Gestaltschatten hinter der Tür. Fast geräuschlos einrastendes Türblatt sperrte schnöde Außenwelt von erlauchtem Innern.

"Sie hätten auch gern klingeln dürfen, mein Herr." Verhaltener aber umso deutlicher Vorwurf aus weiblichem Mund.

"Ach! Diese Vorrichtung übersah ich leider. Vielleicht sollten sie Hinweispfeile anbringen?"

"Gewöhnlich benutzt heutzutage niemand mehr Türklopfer für solchen Zweck."

"Wie sie vorhin sicherlich bemerkten, trifft das nicht gänzlich zu, Verehrteste." - Ich hasse sie!

"Herr Umgelter", mischte männlicher Part dazwischen. "Ich bin Frau Kallweits Sekretär. Sie werden erwartet. Bitte folgen sie mir."

Eckart folgte vorzüglich gekleidetem Herrn. Von oben fiel Tageslicht durch Kuppelfenster weiter Eingangshalle. Teurer Eintritt! Richtiggehende Empfangshalle mit bemerkenswertem Pförtnertresen, ausladenden Sitzgelegenheiten und breiter Treppe ins nächste Geschoss. Mehrfach verteilte Kristallspiegel schufen groß ausgeführt räumliche Weite. Schon ein einziger Spiegel dürfte etliche Tausender Geldes beansprucht haben. Sämtliche Einrichtung in geschmackssicher gradliniger Art. Unverkennbar nicht billig. Falls keine gekonnte Vortäuschung, dann mussten marmorne Wandabdeckungen echt sein. Und weshalb auch nicht?

Erst jetzt vermochte Eckart den Sekretär genauer in Augenschein nehmen. Katzenhaft lautlos und geschmeidig glitt dieser voraus über dämpfende Teppichläufer zum Hallenhintergrund. Schon dessen Bewegungen verrieten viel. Eleganter dunkler Maßanzug barg unverkennbar sportliche Erscheinung. Trotz keineswegs anliegender Stoffe, konnten zuerst stramme Hinteransicht, und als dieser umwandte, auch bemerkenswert anderes Maß gesehen werden. Dieser Mensch dürfte Anfang bis Mitte dreißig sein. Unter Umständen sogar zehn Jahre älter. Sportliche Leute wirken meist ausgesprochen zeitlos, falls ohne früh ergrautes oder allzu schütteres Kopfhaar.

Scharfer Macker! - Ob der zugleich Senta Kallweits Leibwächter ist, womöglich mehr?

Er bemerkte Eckarts prüfenden Blick verschiedener Leibesbereiche. Lächeln huschte über durchaus angenehme Züge. Aus hellblauen Augen unter dunkel geschwungenen Brauen sprach wacher Verstand. "Bitte treten sie ein, Herr Umgelter."

Der Kerl hat echt Klasse! Scheint hiesiges Gegenstück zur fabelhaften Annemarie Treusch. Jedenfalls kein zweitrangiger Angestellter oder bloß kostspieliger Gigolo als Sekretär getarnt. Wie Annemarie Treusch gleichfalls, könnte der bestimmt glashart werden, sobald gewisse Lage dies erfordert. Dabei rückte tadelloses Benehmen aber niemals in Hintergrund. Wichtigste Vorraussetzung solcher Stellung. Ob der auch sonst Frau Treusch entsprach? Das kurze Lächeln eben wirkte nicht entfernt abweisend oder spöttisch, was bei Männern trotz aller Verbindlichkeit sonst durchschimmert, wenn von anderem Mann derart gemustert. Er könnte durchaus ,zweiseitig' sein. Solche Eigenart bietet gewaltige Vorteile. Auch und besonders geschäftlich.

Offenbar betraten sie erst Vorhof zum Allerheiligsten, das Sekretärsbüro. Jedenfalls ging der Sekretär mit seinem geschmeidig kraftvollen Schritt sogleich zu seitlich abgehender Doppeltür, öffnete und wies einladend hinein. "Bitte nehmen sie hier drin einstweilen Platz, Herr Umgelter. Frau Kallweit wird sicher gleich kommen. Möchten sie vielleicht einen Kaffee oder etwas anderes?"

"Gern einen Kaffee, wenn das kein Umstand für sie. Dankesehr!"

"Ganz sicher kein Umstand", versicherte dieser mit gekonnt knapper Kopfbeugung. Geschliffene Manier, kein peinliches Dienern. Eckart trat durch aufgehaltene Tür, nahm in einem Sessel Platz.

Offenbar Bibliothek und Besprechungsraum gleichzeitig. Regale voller älterer und neuer Bücher verbargen zwei lange Wände über Eck. Dazwischen zweite doppelte Tür in linke Richtung. Rechts erlaubte breite Fensterfront Ausblick in parkartige Gartenanlage. Dicker Perserteppich deckte glänzenden Parkettfußboden. Großes Ledersofa und drei gewaltige Sessel boten alle gewünschte Bequemlichkeit, jeweils mit Beistelltischen versehen.

Kaum fünf Minuten später erschien auch schon wieder der Sekretär, Tablett in Händen. Geübter Geste stellte er es ab und füllte Kaffee aus einem Kännchen in die Tasse. "Bittesehr, Herr Umgelter! Mit Milch oder Zucker bedienen sie sich bitte selbst. Das ist stets sehr nach eigenem Geschmack, weshalb ich es unterlasse."

"Haben sie vielen Dank, Herr..."

"Dirschau! Wilfried Dirschau!"

"Vielen Dank, Herr Dirschau!"

"Ich hoffe, sie sind zufrieden." Wilfried Dirschau lächelte wieder sein gekonnt leichtes Lächeln, verschwand umgehend.

Sogar drei Kaffeekekse dabei, bemerkte Eckart angetan, fischte zwei Zuckerwürfel, goss wenige Tropfen Milch in die Tasse und rührte um. - Sehr guter Kaffee. Sorte Arabica premium. Das beste vom besten. Genießerisch trank er ersten Schluck, verplemperte fast heiße Flüssigkeit auf seine Hose, als die Doppeltür zwischen den Regalen unerwartet aufschwang und eindrucksvolle Frau erschien: Senta Kallweit!


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