Kring 02, 02. Kapitel, Seite 13


Nächster Tag verlief gewohnt. Alles Erschrecken wegen ,Schwarzem Mann' schien in Luft aufgelöst, jeder Zweifel am eigenen Verstand verflogen. Eckart stieß morgens befreit Fensterläden im Erdgeschoss auf. Blassgoldene Novembersonne flutete herein. Deren schwach wärmende Strahlen vertrieben letzte düstere Reste. Nach ruhigem Frühstück fuhr er innerlich gelassen zu den Geschäftsräumen von Eca-Media, unerfindlicher Gründe den kleinen Kreisel im Aktenkoffer.

Am späten Vormittag kam Carl in Eckarts Büro. Eckart führte gerade ärgerliches Ferngespräch mit einer Künstleragentur. Zum wiederholten Male sollten ihnen Theaterschauspieler angedreht werden.

Die begriffen ganz und gar nicht, dass bloße Theatererfahrung nicht zählte, wollte man keine fernsehspielartige Abfilmung, deren Akteure steif oder künstlich aufgeregt, übertrieben beziehungsreich oder deklamierend im Bild herumhingen und mit unfreiwillig lächerlich bedeutungsvollen Blicken oder Gesten Dramatik versuchten. Die meisten Regisseure fanden nichts dabei, kamen schließlich selbst häufig aus dem Theaterbereich, betrachteten derart filmische Hölzernheit als höchste Schauspielkunst. Kinopublikum strafte solche Verunglückungen gewöhnlich mit Gähnanfällen, und Kinobesitzer wehrten mit Händen und Füßen diese flimmernden Kassenfeinde ab.

Wie gelang Hollywood-Produzenten selbst mit seichtesten Geschichten besseres? - Sie arbeiten einzig mit ,Film'-Schauspielern, geleitet von ,Film'-Regisseuren!

Nein, dergestalte Quotenkiller dürfen gebührengestützte Anstalten verbraten. Ansonsten wirkte dieses absonderliche ,Filmtheater' nur bei billigen Seifenopern in Studiokulissen aus Pappe leidlich. Für brauchbare Filmszenen reines Gift. Verdienter Flop vorgezeichnet. Wer wirft schon gern sein Geld zum Fenster raus?

Überaus verärgert über zugemutete Zeit- und Geldverschwendung, geigte Eckart dem Gesprächspartner am anderen Ende gehörig seine Meinung, knallte den Hörer wütend auf und blickte Carl fragend an.

Carl amüsierte Eckarts Ingrimm. "Sehr schön, mein Lieber! Dem Heini hast du es gehörig beigebracht. Die belästigen uns nicht noch mal und stehlen uns kostbare Zeit mit albernen Deklameuren und absurd eingebildeten Dramaturgen." Er lachte laut. "Du wirkst richtig männlich sexy, wenn du dich ärgerst und energisch bist."

"So, findest du? Ich schnauze nicht gerne andere an! Verstanden?"

"Schon gut!" lachte Carl, hob gespielt beide Hände hoch. "Ich bin nur gekommen, weil ich noch gar keine Gelegenheit fand, mich nach deinem Befinden zu erkundigen."

"Wieso?" fragte Eckart offen verwundert. "Das tust du doch sonst auch nicht. Mir geht es ganz ausgezeichnet. Hast du doch eben mitbekommen."

"Ich habe mir einige Sorgen gemacht. Erst dieser Penner in der Garage, der dann nicht zu finden war, dann der Schwindelanfall in 'Aldos Trattoria', und die ganze Zeit hast du immer wieder so misstrauisch um dich gesehen, als glaubtest du, dich verfolge jemand oder irgendwas. Alles in Ordnung, alles im Lot?"

"Zumindest habe ich bis jetzt nicht mehr an solches gedacht."

"Oh, mein Lieber, dann tut mir es unendlich leid, das Ganze noch mal aufgerührt zu haben."

"Nicht so tragisch, lieber Freund, da werde ich drüber hinwegkommen", erklärte Eckart leicht gereizt.

"Ist noch irgendetwas vorgefallen, über das du dir Gedanken machtest, nachdem ich mich verabschiedet hatte?"

"Nein...", sagte Eckart langsam und nicht wahrheitsgemäß. "Warum fragst du?"

Carl zuckte mit den Schultern, fingerte nebenbei an einer Kristallkugel, die auf Eckarts Schreibtisch als Briefbeschwerer lag. Dann legte er sie nachdrücklich ab. "Es war ein wirklich wunderschöner Abend. Erst mit Marga Sutthoff und dir, dann wir beide in deinem Haus. Das waren wirklich solche Stunden, die einem lange im Gedächtnis bleiben werden. Für Außenstehende mögen sie bedeutungslos erscheinen, aber ich - und ich hoffe, auch du - war davon gefangen."

"Ja, Carl, ich stimme dir da voll zu!" meinte Eckart etwas verträumt, als Erinnerung an jene gemeinsamen Stunden wieder aufstieg.

"Es ist nur," begann Carl erneut, "als ich dann zu Hause war, dachte ich, es wäre womöglich besser gewesen, dich nicht in dieser großen Bude allein zu lassen. Ich dachte, ich hätte dich überreden sollen, mit zu mir zu kommen, oder das Opfer bringen, eine oder zwei Stunden früher aufzustehen, wegen der Heizungsmonteure. Ich habe mir Gedanken um dich gemacht, hatte ein bisschen ein schlechtes Gewissen."

"Das finde ich wirklich sehr lieb von dir, Carl", gestand Eckart gerührt.

"Ich wollte sogar noch bei dir anrufen", setzte Carl dazu.

"Warum hast du es dann nicht getan?"

"Habe ich ja! Das heißt, ich versuchte es mehrmals. Aber es war immer besetzt. Weil es dann doch schon ziemlich spät geworden war, mochte ich danach keine weiteren Versuche starten. - Bin ich unverschämt, wenn ich frage, mit wem du so lange gesprochen hast?"

"Natürlich bist du unverschämt! Unverschämt neugierig, mein lieber Carl", lachte Eckart.

"Jeder hat die eine oder andere schwache Seite."

Eckart lehnte bequem im Schreibtischsessel zurück, legte beide Füße auf die Schreibtischkante, blickte Carl grinsend an. "Du hast mich erwischt", sagte er mit geheimnisvoll klingender Stimme. "Eigentlich wollte ich es dir niemals erzählen. Ich habe eine furchtbar schwarze Seite, die ich für immer geheim halten wollte..."

"Red' nicht so geschwollen daher, altes Haus! Sag' doch ganz einfach nur, wer es war."

"Kannst du die furchtbare Wahrheit ertragen?"


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