Kring 02, 06. Kapitel, Seite 49


Warum wollte der schwarze Hund nicht hereinkommen, lieber im Kalten draußen schlafen? Weshalb flatterte der Rabe schnellstens davon?

In Mauern wohnen! Im Untergrund versteckt! - Im Keller? Tobias Paulin deutete das an. Ist Tanja Mößner tatsächlich noch hier? Hier begraben? Im Keller irgendwo eingemauert? - Marga betonte, alles sei unten nagelneu hergerichtet... Du lieber Himmel!

Unerklärliche Besessenheit sog richtiggehend ins Untergeschoss. Obwohl ihm vor möglicher Verscharrstätte toter Hauswirtschafterin grauste, stieg er wie in Dämmer kalte Steinstufen hinab. Schwer lagerte muffige Luft aus Tiefen vom Altersschimmel überzogener Gruft in Lungenbläschen.

Du bist doch völlig übergeschnappt! Du verdächtigst ausgerechnet deine Geliebte mit solchem Mist! - Tobias Paulin ist schuld... Quatsch! Du lässt dich von grausigen Vorstellungen überwältigen! Andererseits, wenn er Marga wirklich vorbehaltlos traute... ginge er nicht im Keller nachschauen, ob dort nicht irgendwo eine Leiche verscharrt. - Nun mach' aber mal einen Punkt! Die berühmt berüchtigt sprichwörtliche Leiche im Keller! Das ist doof und lächerlich! - Gütiger Himmel, was mache ich, wenn Tobias Paulin recht hat?

Als sei er es nicht selbst, beobachte dabei nur, tappte er wie trunken durch alte Kellergänge, suchte Verzweigungen ab, blickte misstrauisch in alle Räume. Und derer gab es etliche. - Was, wenn er hier Marga träfe? Was würde sie denken? Was sollte er sagen?

Stimmte abscheuliche Vermutung, wäre sie gewarnt, dass er nachforschte, ihre mit Ferdinand Kammbach schaurig geteilten Geheimnisse lüften wollte. Dann würde sie meinen: Wenn er uns nicht heute auf die Schliche kommt, dann vielleicht morgen! Ich werde dafür sorgen, dass er nichts ausplaudern kann! Ferdinand wird mir sicher behilflich sein...

Wären das ihre Gedanken, wobei sie liebend lächelte, ihn in Sicherheit wiegte? - Abgefeimte Wirklichkeitstreue ihrer Drehbücher!

Er stand plötzlich im Fitnessraum, sah seine eigene Gestalt im fast wandbreiten Spiegel. Brennendes Misstrauen im Gesicht, gesamte Haltung davon geprägt. Er schaute herum. Nein, wenn hier etwas wäre, dann fiele es ihm schon längst auf. Der Fitnessraum stand voller moderner Folterinstrumente. In ausgesuchtester Quällust gestaltet verkauft, indem man Menschen einredete, das sei gesund und bringe einzig möglichen Körpererfolg. Im angrenzenden Gelass mit kleinem Schwimmbecken und Wirbelwasserabteil oder in der Sauna schien gleichfalls nichts. Und er untersuchte mehrmals sämtliche Winkel und Ecken. Erfolglos!

Schließlich fand er einen kleineren, ziemlich dunklen, modrig riechenden Kellerraum. Großer alter Schrank darin, sonst nichts. Nur wesentlich muffigerer Geruch als in anderen Räumen landhäuslichen Verlieses. Zögernd tappte er zum riesigen Holzgebilde. - Soll ich aufmachen? - Ich muss! Kleinmut besprang, darin finde er womöglich etwas. Schlüssel steckte jedenfalls.

Eckart versuchte aufzuschließen, aber das Schloss leistete härtesten Widerstand. Nach einigem Drehen stak der Schlüssel unbeweglich fest. Er rüttelte. Schreck! Im Schrank polterte etwas laut. Sein Rütteln lockerte vormals verklemmte Tür. Gar nicht abgeschlossen! Weit schwangen beide Türflügel auf, offenbarten finsterste Schwärze, welche schier aufsaugen wollte. Erstickender Brodem modriger Gruft brandete heraus, gleich giftig drückendem Pesthauch.

Wuchtiger Schlag traf unerwartet. Rasender Schmerz schoss bis in Haarspitzen. Wilder Satz rückwärts. Er stolperte, fiel nach hinten auf feuchtkalten Steinboden, gerade noch mit einer Hand abgefangen. Jäher Aufprall stauchte mit scharfem Stechen.

Nachdem seine Augen ans Innendunkel mächtigen Schranks gewöhnt, sah er, was erst dermaßen polterte und ihm anschließend voll aufs rechte Schienbein knallte: Ein heruntergerutschtes, sehr schweres und dickes Fachbrett! Es lag vorher wohl nur locker in Halterung, krachte dann endgültig nieder. Schmerzverzerrten Gesichts stand er vom groben Steinboden auf, rieb dumpf pochende Schlagstelle.

Im Schrank reihten auf alten Kleiderbügeln ein Damensommermantel, eine ehemals weiße Strickjacke, welche gleichfalls weiblicher Person gedient haben mochte, ein dunkelblauer Damenhosenanzug und ein hell geblümtes Sommerkleid. Am Boden des riesigen Holzkastens stand ein kleiner Koffer, der schon bessere Tage sah. Er öffnete, fand aber keine Besonderheiten darin, nur einige Damenwäschestücke, offenbar benutzt und ungewaschen. Schmutzwäsche!

Gesamter Schrankinhalt dunstete Muffigkeit uralten Holzes ab, sonst aber in Ordnung. Kein Ungeziefer. Er klappte das schäbige Köfferchen wieder zu, stellte es unschlüssig zurück. Jetzt erst bemerkte er ein Paar Pumps und zierliche Turnschuhe, abgestellt in einem Schrankfach. Gleichfalls nicht bemerkenswert. Reichlich ausgelatschte Treter. Am besten wegschmeißen! Auch die Stöckelschuhe kannten bereits ersichtlich bewegtes Dasein. All dieses Zeug dürfte Tanja Mößner gehören. Bewies das aber Paulins Geschwätz?

Er schloss den alten Kleiderkasten, setzte forschenden Rundgang fort. Es blieb aber nichts mehr zu durchforschen. Nichts entdeckt, was wirklich beunruhigte. Jene Klamotten im Schrank mochten ebenso gut bloß vergessen sein. Schließlich kehrte er nach oben zurück, marschierte schnurstracks zur Küche. Ausflug und anschließende Nachschau im Kellergeschoss machten recht hungrig. Noch immer schmerzte unsanft vom Schrankbrett getroffenes Schienbein, erzwang leichtes Hinken. Hinter der Küchentür prallte er fast mit Marga zusammen. Beide erschraken heftig.


Alle Rechte vorbehalten
Mannie Manie © 1996-2000
Unentgeltliche Weitergabe erlaubt!

weiterblättern: