Eckart seufzte und dachte, so ein großes Haus hat sicherlich viele Vorteile, aber ebenso Nachteile. Man scheint darin wesentlich verlorener als in kleinerer Wohnung. Seinen Blick bannte grüne Leuchtdiode des Fernsprecherhandgerätes. Gleichgültig gezeigte Betriebsbereitschaft. - Unerwartet schallte plötzliche Anrufmeldung scharf ins Zimmer, schnitt in ruhige Innenluft. Eckart zuckte zusammen, als träfe Stromschlag schlankweg aus Rufnetzdrähten.
Wer kann das denn sein? Fast bange Frage, während sein Puls aufgeregt schneller lief. Vielleicht Carl, der vorhin etwas vergaß? - Oder... ER? DAS? Oder was es auch immer?
Zögerlich näher ans Gerät. Vorsicht wie vor giftig tödlichem Wesen. Er stand davor. - Soll ich wirklich abheben? Der eingebaute Anrufbeantworter könnte leicht übernehmen, springt nach sechsmaligem Läuten selbsttätig an.
Bereits drittes Mal schrillte unmelodische Tonfolge. - Viertes Mal! - Soll ich nicht doch abheben, auf den Knopf drücken und sprechen? - Zum fünften Mal jagte elektrischer Schrillsturm durchs Gehör. Dann griff er entschlossen zum Handgerät, drückte die Verbindungstaste, Finger bereit, sofort zu kappen, falls... Auch blöd! Was sollte das nutzen? Besser im eingebauten Bandgerät mitschneiden. - Flink bedient.
"Ja bitte?" Alles unnötig! Zentnerlasten fielen. Marga Sutthoff am anderen Ende.
"Oh, bitte verzeihen sie mir, mein lieber Eckart, dass ich sie noch so spät anrufe. Habe ich sie aus dem Schlaf gerissen?"
"Nein, Marga ich war noch wach."
"Puh, dann bin ich beruhigt. Ich gehöre nämlich zu den ausgesprochenen Nachtmenschen. Vor zwei Uhr schlafe ich niemals. Das kann für meine Freunde manchmal unerfreulich sein, wenn ich etwas mit ihnen besprechen möchte oder nur einfach mal eben plauschen. Und wenn man noch nicht so gut miteinander bekannt ist, könnte das als Unverfrorenheit aufgefasst werden."
"Ich nehme ihnen bestimmt nichts übel."
"Bitte denken sie nicht, dass ich glaube, keine Rücksicht nehmen zu müssen. Ich bin nur, wie gesagt, ein ausgesprochener Nachtmensch."
"Ich bin sicher, meine Liebe, ich schätze sie und ihr Verhalten richtig ein", besänftigte Eckart seine überraschende Gesprächspartnerin.
"Manchmal übersehe ich einfach, dass andere Leute nun mal zwangsläufig einen anderen Tagesrhythmus haben und um diese Zeit möglicherweise ihre Ruhe möchten", schob Marga Sutthoff zusätzliche Entschuldigung nach.
"Ach, liebe Marga, lassen sie es jetzt genug sein, mit Entschuldigungen. Ich freue mich ganz außerordentlich, ihre Stimme zu hören. Wissen sie, ich hätte es auch am Tage nicht einfach so mir nichts dir nichts gewagt, sie anzuklingeln. Ich würde befürchten, sie könnten es als Aufdringlichkeit auffassen. Daher bin ich sehr froh und erfreut, wenn sie mir diese Hürde erleichtern", beruhigte Eckart, sehr von Margas Stimme angetan, die ihn aus düsteren Betrachtungen herausholte. Und er hätte tatsächlich nicht einfach bei ihr anrufen mögen, lange und umständlich guten Anlass gesucht.
"Sie sind also nicht verstimmt?" fragte Marga Sutthoff am anderen Ende.
"Kein Stück! Ich freue mich wirklich sehr, habe nicht hoffen gewagt, so bald ihre Stimme wieder zu hören, der ich vergangenen Abend so gern lauschte. Wirklich, meine Liebe, das meine ich so, wie ich es sage, glauben sie mir!"
"Ich danke für ihre gute Meinung, Eckart. Ich befürchtete, dass ich am Abend viel zuviel geredet habe. - Warum ich anrufe: Ich möchte mich für den reizenden Abend bedanken! Es war ein Abend, der mir wie verzaubert vorkam. Ich hatte tatsächlich nicht bemerkt, wie schnell die Stunden verflogen. Aber das lag ja auch an der interessanten Gesellschaft, die sie und ihr Freund Carl boten. Ich wollte nämlich unbedingt versichern, dass sie, Eckart, aber durchaus auch ihr Partner, mir sehr sympathisch sind."
"Meine Liebe, das beruht auf Gegenseitigkeit. Sie haben keineswegs zuviel geredet. Eher zuwenig. Ihre Worte brachten mir derart viele Einsichten, dass ich es ihnen kaum verdeutlichen kann. Aber es öffnete auch tiefe Einblicke in ihre sehr liebenswerte Person, liebe Marga. Ich habe sie in dieser vergleichsweise kurzen Zeit nicht nur sehr schätzen gelernt, sondern vor allen Dingen mögen. Fragen sie mich bloß nicht, warum? Ich könnte es nicht sagen. Es ist einfach so! Vielleicht ist eine wunderbare Freundschaft möglich? Natürlich nur, wenn sie erlauben."
"Aber natürlich! Warum sollte ich nicht erlauben? Außerdem ist es doch großartig, um diese Stunde fast eine richtige Liebeserklärung zu bekommen, und das von jemandem wie ihnen." Marga klang amüsiert und erfreut. "Glauben sie bloß nicht, lieber Eckart, ich sei für Sympathieerklärungen unempfänglich. Ich meine, dafür ist jeder Mensch offen und freut sich, wenn andere ihn mögen."
"Da sprechen sie mir wirklich aus der Seele. Ich hatte meinerseits befürchtet, wenn ich mich forscher verhalte, könnten sie das falsch auffassen. Und zwar so, als würde ich mich deshalb um sie bemühen, weil mir Berufliches vordringlich. Das wollte ich unter allen Umständen vermeiden. Dem ist keineswegs so! Selbstverständlich spielt das auch herein. Wir sind in der gleichen Branche tätig und haben uns dadurch kennen gelernt. Aber ich versichere ihnen..."
"Lassen wir doch dieses abstandhaltende ,Sie' weg", schlug Marga Sutthoff entschlossen vor.