Kring 02, 08. Kapitel, Seite 58


Siedend heiß überrannte Verstehen. Was wäre, wenn Geruchsstoffe zugleich ätherische Rauschdrogen? So etwas wie die Zombiedroge. Diese Wirkmischung gibt es unstreitig ganz sicher. An Drogen braucht man nicht glauben! Drogen wirken immer. Hagen schränkte ja auch ein, drogengestützter Wuduzauber sei durchaus wirksam. So gesehen, auch gar nicht von Art des Zaubers abhängig, nur von richtiger Giftmischung und... Gütiger Himmel! Eckarts Nackenhaare sträuben. - Sie wurden alle Opfer heimtückischer Angriffe!

"Was ist denn los mit dir?" fragte Carl, riss ihn aus jagenden Gedanken. "Du bist so schweigsam und machst so ein komisches Gesicht. Hast du ein Gespenst gesehen?"

So was ähnliches, dachte Eckart. "Kann ich das Amulett mir mal ausleihen?"

"Gern", stimmte Carl verwundert zu. "Meinetwegen kannst du es behalten. Ich schenke es dir. Ich hatte es ursprünglich nur umbehalten, weil es wirklich ein kleines Kunstwerk ist."

"Ich will es nur leihen", entgegnete Eckart fest. "Geschenkt möchte ich das nicht." Nein, wenn mein Verdacht stimmen sollte, und ich bin mir jetzt schon völlig sicher, dann will ich das wirklich nicht einmal geschenkt. - Alle gütigen Himmelsmächte mögen davor bewahren!

Carl lachte belustigt leise, verstummte schnell, verzog sein Gesicht. Offenbar schmerzten angebrochene Rippen. "Irgendwie komisch, Eckart. Senta wollte dieses eigenartige Spielzeug unbedingt auch von dir leihen, wurde ganz aufgekratzt, als ich nebenbei einmal von unserem netten Abend erzählte und das Dingens erwähnte..."

"Welches Spielzeug denn?" Eckart fragte ungewollt heftig dazwischen. Plötzlicher neuer Verdacht.

"Na, diesen blinkenden Minikreisel, den du irgendwann gekauft haben musst und dann vergessen hast. Ich hab dir doch die Schachtel vom Tisch am Sofa gegeben."

"Ach das Ding!" In Eckart schrillten helle Glocken. "Was wollte die denn damit?"

"Keine Ahnung. Offenbar hatte sie ihrem Guruknilch sofort davon erzählt. Jedenfalls fragte der mich deshalb aus, wollte alles darüber wissen. Der wurde richtig gibberig, hatte ich den Eindruck. Wegen einem Spielzeug! Diese bescheuerten Spinner!"

Nein, die sind keinesfalls Spinner oder bescheuert, sondern sehr gerissen und hoch gefährlich! überlegte Eckart. Die müssen dann auch mein Haus durchsucht haben. Ich wusste doch, da war jemand drin und schnüffelte rum! Haben alles weitgehend wieder so hingestellt wie vorgefunden. Schlaue Bande! Aber sie rechneten nicht mit meiner Schlamperei, selten gewischtem Staub. Wurde Carl womöglich losgeschickt, gewissermaßen ferngesteuert? Immerhin hat er einen Schlüssel für mein Haus. Wo ist das summende kleine Ding eigentlich abgeblieben? - Ach ja! Ich hab's in mein Aktenköfferchen gesteckt und immer mitgenommen. - Wieso eigentlich? Was will ich denn damit? Und woher rührt das Ding wirklich? - Kann mich nicht erinnern, wann ich das kaufte oder sonst wie... Könnte dieser kleine Kreisel etwas anderes sein, als nur ausgefallenes Spielzeug?

"Schön, lieber Carl, dass es dir nicht so schlimm geht, wie erst befürchtet. Aber die Stationsschwester betonte sehr, dass du viel Ruhe brauchst. Ich werde dann mal wieder gehen, sehe morgen auf jeden Fall noch mal herein, ja?"

Rasch wickelte Eckart das Amulett in verschließbare Plastiktüte, die bei abgeschalteten Geräten herumlag, packte alles nochmals in vorgefundene Folie. Vom erstickenden Wirkstoff sollte nichts mehr ausströmen. Verfolgt von Carls erstaunten Blicken, versank gesamter Packen in Jackentasche. Danach holte er gewünschte fünfhundert Mark vom Bankautomaten. Eiliger Abschied von Carl, der unverstehend den Kopf schüttelte.

Eckart fuhr ohne Umwege zu seinem Haus, wollte sofort Hagen Wiechert aufsuchen, seine Entdeckung vorlegen und nachfragen, was er vom dringend gehegten Verdacht hielte. Aber Hagen Wiechert kam noch nicht aus seiner innerstädtischen Praxis zurück. "Erst in ungefähr zwei bis drei Stunden", meinte dessen Hauswirtschafts- und Fußbodenkosmetikerin.

Winterlich trüber Nachmittag kündete frühen Abend an. Nach längerem Ferngespräch mit Annemarie Treusch saß er unruhig im großen Wohnzimmer, wählte innerhalb nächster Stunden ungezählte Male Margas Rufnummern. Niemand nahm ab. Nur vom Anrufbeantworter spulte stets gleicher Spruch. Ähnliches schallte von Seiten des Funknetzbetreibers: Handy vorübergehend abgeschaltet! Eckarts Sorge stieg. Marga blieb nach gehabt überflüssigem Streit und seinem eiligen Aufbruch in eigenartiger Verfassung allein zurück.

Allein in diesem nachgerade riesengroßen alten Landhaus! Verdammt, wenn ich recht habe, dann ist sie gefährdet! - Er glaubte zwischenzeitlich, Carls Unfall sei keineswegs nur unglückliche Verkettung dummer Umstände. - Da steckt mehr dahinter! Ein Plan!

Bloß von wem und wozu? Schmutzige Konkurrenz? Wollte Senta Kallweit sie beseitigen, künftiges Geschäft allein beherrschen? - Das hätte sie einfacher haben können, bei ihren ausgezeichneten Beziehungen und überreichlichem Geld! Schließlich ist sie Geschäftsfrau, also kaum dämlich, geht kein unnötiges Wagnis ein. Und Anschläge wären unnötiges Wagnis, wenn's anders genauso gut läuft.

Und warum behauptet sie plötzlich, sie kenne Carl gar nicht persönlich, lässt ihn rausschmeißen? Beide wurden über Wochen miteinander in der Öffentlichkeit gesehen. Wieso erzählt die auf einmal etwas, das leicht widerlegt werden kann? - So dumm ist niemand! Schon gar nicht gewiefte Gesellschaftslöwinnen wie Senta Kallweit. Wollte sie einen lästig gewordenen Liebhaber los sein, bräuchte sie ihn nur rauswerfen lassen, nicht auch noch obendrein verkünden, sie sei wochenlang ganz woanders gewesen.

Und wenn es dafür Beweise, Zeugen gibt? War eine Doppelgängerin täuschend echt unterwegs, oder jetzt? Und woher kommen die Briefe? Alle vom selben Absender, zumindest die an mich? Dieser ,Stinkbrief' enthielt schließlich eindeutig eine Binderune, ein Zauberzeichen. Und jene unerbetenen Lehrbriefe handeln Runenkunde ab... Augenblick... Das muss nicht zutreffen!


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