Kring 02, 10. Kapitel, Seite 71


Nachdenklicher Miene kam der Sekretär heran, nahm in einem der Sessel Platz. "Ich habe eben mit Dorothé gesprochen. Das ist unsere Empfangsdame", erklärte er Eckart kurz. "Jedenfalls tat ich unbedarft, wies auf angeblich unangenehme Nachfragen Herrn Umgelters hin und wollte wissen, wieso sie Herrn Bramberg mir nichts dir nichts hereinließ."

"Und?" Senta Kallweit beugte gespannt vor.

"Sie sagte, dass er seit längerem ständig Frau Kallweit besuchte, auch öfter hier übernachtete. Frau Kallweit sei aus ihr unbekannten Gründen offenbar vorzeitig von ihrer Reise zurückgekehrt, habe sich mit besagtem Herrn sehr eng angefreundet. Warum sollte sie ihn nicht hereinlassen?"

"Das ist ja..." Senta Kallweit schien sprachlos. - "Herr Umgelter, ich muss mich offenbar in aller Form entschuldigen, bei ihnen und vor allem bei Carl Bramberg. Du meine Güte! Aber wer kommt denn auf so was?"

"Sie brauchen sich nicht zu entschuldigen, liebe Frau Kallweit", wehrte Eckart ab. "Keinen von uns trifft irgendwelche Schuld. So wie die Dinge offenbar liegen, wurden wir allesamt Opfer eines großangelegten Betrugs."

"Aber warum und von wem? Welchem Zweck dient das Ganze?"

"Das wüsste ich auch gern, liebe Frau Kallweit."

"Ich werde Anzeige erstatten!"

"Frau Senta, davon möchte ich vorläufig abraten", mahnte ihr Sekretär. "Das gibt ein zu großes Aufsehen und die Klatschpresse könnte sich darauf stürzen. Wir sollten diskrete Ermittlungen durch unser bewährtes Detektivbüro anstellen lassen."

"Sie haben recht, Wilfried", bestätigte sie.

Etwas zu schnell, fand Eckart, blieb im folgenden Gespräch misstrauisch, schilderte nur wenig aus eigenem Erleben, verschwieg das meiste. Zu viele Täuschungen und seltsame Vorkommnisse brachen in letzten Wochen herein. Teilweise derart, dass Zweifel am eigenen Verstand angebracht. Und weshalb sollte er dieser neuen Senta Kallweit trauen? Sie könnte ebenso falsch oder echt sein wie die erste. Dazu deren überaus gewandter Sekretär... Undurchsichtiger Tausendsassa!

Er verließ von Wilfried Dirschau begleitet die Villa. Zu gerne wollte er besagte schreckschraubige Empfangsdame Dorothé fragen, ob ihr an Senta in letzter Zeit etwas aufgefallen sei oder sonstig Seltsames vorgekommen. Falls ja, was? Aber Dorothé bewachte gerade nicht den Eingang. Ob sie hinter breiter Empfangstheke Mittagsschlaf hielt?

Die können mir viel erzählen! Nachprüfen kann ich davon nichts. Genauso gut können die beiden mir ein prachtvolles Schauspiel geboten haben, seiften mich nach Strich und Faden ein. Einzig die Hausangestellten, dürften ergiebigere Wissensquellen abgeben. Keinen bekam ich zu Gesicht. Dorothé überraschend aushäusig oder langanhaltend auf dem Klo verschollen? Simsalabim! Andererseits müssten sie von dem Giftbrief wissen, sollten sie darin verwickelt sein. Haben die ihn verbrochen oder deren Handlanger? Das wundersame Detektivbüro? Wie auch immer, dürften sie annehmen, das giftige Schreiben liege ungeöffnet in Margas Landhaus und zeige demnächst erhoffte Wirkung. Aber was ist mit dem Bericht von der großen Frau im auffallend langen Kapuzenmantel? Merkwürdig! Verworrene Sache.

Eckart fuhr kurz ins Büro, holte vorgefertigtes Schriftstück, Prokura für Annemarie Treusch, besuchte Carl im Krankenhaus. Ihm ging es besser, musste aber vorläufig weiterhin flach liegen bleiben. Er unterschrieb ungelenk, fragte nach Marga. Eckart antwortete ausweichend, sie sei derzeit auf Reisen. Stimmte ja auch auf grausige Weise. Wieder im Auto, rief er übers Handy in der Sonderklinik an, fragte nach Margas Befinden.

Keine Änderung! Nicht einmal Funke von Besserung. Bekümmert gab er beim Handelsregister des Amtsgerichts die Prokuraerklärung ab, bezahlte geforderte Gebühr, arbeitete anschließend abermals bis spät im eigenen Büro.

Gesamter Tag verlief bedeckt, eiskalt und lastend. Früh zog Dämmerdüster herauf, einbrechende Nacht im weit geöffneten Gepäck. Dieser Abend erschien ihm noch finsterer als alle vorhergehenden, nachdem er endlich Zuhause im großen Wohnzimmer saß. Licht schimmerte hinter einigen Fenstern des Wiechert-Hauses.

Hagen Wiechert dürfte jetzt da sein, vermutete Eckart, schüttelte Beklemmung fort, stand auf und verließ sein Haus, trat durch hintere Tür auf schneeverborgenen Rasen. Schneelagen vom Frost harsch geworden aber dennoch federnd. Zielstrebig zur rückwärtigen Gartentür in entlaubter Hecke zwischen beiden Grundstücken. Zögernd stehen geblieben. Gerade wollte er weiter, härtete unversehens zum Eisklumpen, glaubte an schweifenden Schatten des ,Schwarzen Mannes'. Aber nichts.

Du wirst langsam irre, musst unbedingt mit Hagen Wiechert sprechen! - Bewusst aus lähmender Fessel gerissen, hastig wenige Schritte zur wartenden Pforte in Grenzhecken. Ungehorsam gaben rostige Angeln nach, knarrten widersprechend. Männlicher Schattenriss erschien kurz am Küchenfenster drüben. - Hagen müsste also zuhause sein!

Statt an dessen Vordertür, versuchte er sein Glück am Hintereingang. Manchmal leichtsinnig und vergesslich, ließ Hagen Wiechert seinen Schlüssel außen stecken. Dann nützte sperrender Knauf statt Klinke gar nichts. Auch heute: Schlüssel steckte außen! Eckart öffnete zittrig ob erneuter Aufregung, trat ein und rief nach Hagen, derweil Tür geschlossen und Schlüssel innen eingeschoben. Küchentür schwang auf, Licht fiel in unbeleuchteten Gang. Hagen Wiechert stand im Rahmen, schaltete Flurbeleuchtung an, blickte verwundert in Eckarts Gesicht, erschrak gründlich.


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