Kring 02, 01. Kapitel, Seite 08


"Ich bin mir sicher, dass du einen sehr tiefen Eindruck auf Marga Sutthoff gemacht hast." Carl stupste Eckart.

"Es scheint mir so zu sein."

"Du kannst sie gewinnen, das weiß ich."

"Klingt fast nach Hauptgewinn einer Losbude."

"Losbude! Die Sutthoff ist ganz großes Los, riesiger Hauptgewinn. Und wir wollten doch ihre Freundschaft gewinnen, nicht wahr? Wenn es mehr sein kann als nur das..."

"Hat aber auch Grenzen. Außerdem finde ich zwischenzeitlich Freundschaft genauso wichtig wie eine Liebe. Freundschaft ist Liebe! Wenn man seine Freunde nicht liebte, dann hatte man keine."

"Also weißt du! So dämlich bin ich nicht, das nicht zu begreifen. Auch wenn ich ziemlich leichtlebig erscheine, bin ich weder ein Holzklotz oder Holzkopf. Außerdem ist die Sutthoff ein ungeheuer gescheites Frauenzimmer. Dumme Touren kann man mit der nicht fahren. Das merkt die sofort, durchschaut das innerhalb kürzester Zeit und würde es irrsinnig übel nehmen. Alles verratzt!" Carl klang leicht gekränkt.

"Entschuldige!"

"Ja, ja", brummte Carl und stupste Eckart heruntergerutschte Haare aus der Stirn. "Ist dir das nicht lästig, wenn die dir immer so ins Gesicht fallen? Mich würde das nerven. Lass sie dir doch auch so kurz schneiden wie meine."

"Was soll das werden? Partnerlook? Wie ein spießiges Jungehepaar? - Ihr Götter!"

"Das wollte ich damit auch nicht ansprechen!" Carl lachte laut. "Nein, das wäre wirklich grauenhaft blöd. Und wir sähen aus wie Idioten." Sein Gelächter füllte schallend Wageninnenraum.

Fahrtziel erreicht. Eckart verlangsamte und ließ den alten Mercedes ausrollen. Leichte Beklemmung. Er fürchtete unbestimmt den Schattenmann. Allein wäre es ihm doch etwas mulmig, Garagentor öffnen, Wagen hineinfahren und dann satte Dunkelheit im Raum dahinter wissen. Der Mercedes stand. Carl stieg aus, knipste flatterndes Licht an. Eckart löschte die Scheinwerfer und zog den Zündschlüssel ab, verschloss sorgfältig alle Wagentüren. Misstrauisch äugte er in vollgestellte Ecken und Winkel. Aber grelle Leuchtstoffröhren zeigten nichts ungewöhnliches, abgesehen von all dem Zeug, in Garagen fehl am Platze.

Carl bemerkte Eckarts Misstrauen, meinte launig: "Keine Sorge, Ecki! Wer dir ans Leder will, kriegt mit mir gewaltig Ärger. Da sei dir mal sicher! Jetzt, wo du sogar zum Goldjungen werden kannst, erst recht."

"Sehr lustig!" Eckart löschte das Licht, schaute kurze Weile nachdenklich in tiefschwarze Höhlung. Entschlossen schob er beide Torflügel ineinander, verschloss die Garage ebenso sorgfältig wie zuvor seinen Wagen.

Eckart mochte sein Haus, lebte seit rund fünf Jahren wieder hier, nachdem beide Eltern kurz nacheinander starben. Heim für große Bürgerfamilie, mit Parkettfußböden, Eingangshalle und Gesindezimmern. Fast schon bescheidene Villa, erbaut im Stil später Zwanzigerjahre. Mit wenig Geld und viel Hingabe erneuerte er gebleichten Glanz. Räume vermieten gelang wegen dafür ungünstiger Aufteilung selten. Man musste weitgehend gemeinsam wohnen und wirtschaften. In Zeiten des Geldmangels wollte er das grundsätzlich schöne Gebäude lieber verkaufen, viel zu groß und zu teuer. - Zäh genügsam überstanden!

Gesichter seiner Eltern blassten nach und nach im Gedächtnis. Kaum mehr vorstellbar. Kannte er sie wirklich? Auch dabei schien vielfach alles fremd, kein eigenes Erleben. Aber es gab zum Beweis alte Bilder, sorgfältig in Fotoalben geheftet, Jahreszahlen, Namen und Orte säuberlich darunter vermerkt. Also musste es stimmen, mussten diese seine Eltern gewesen sein. Wer sonst?

Keine Geschwister, Onkel oder Tanten und deren Anhang? Eckart kannte sie jedenfalls nicht, wusste nichts davon. Und da er allein erbte, dürfte es auch keine geben. Allesamt gleichfalls längst verblichen? - Eigentümlicher Umstand, teilweise gespenstisch anmutend. Wenn man es aber nicht anders kennt?

Halbrunde Halle empfing, Bilder sparsam an Wänden. Sie stammten von zu unrecht wenig bekannten Künstlern, kosteten deshalb nicht die Welt, boten angenehmen Eindruck. Geradeaus lag weiträumiger Wohnraum - Living-room, auf dummdeutsch - dunkelblaue Polsterlandschaft herrschte darin. Carl kannte alles bestens, steuerte schnurstracks zur Hausbar.

"Was soll ich für dich machen?" fragte er, begutachtete die Barbestückung.

"Ist mir egal, Carl. Bloß um Gotteswillen keinen Whisky. Ich kann dieses Zuhältergesöff nicht mehr sehen."

"Wodka?"

"Steht da etwa noch welcher rum? Schütt' das Zeug bloß ins Klo. Ist genauso abscheulich geschmacksfrei wie Korn oder medizinischer Alkohol."

"Füll' ihn doch in eine Apothekenflasche um und stell' das dann in deinen Arzneischrank im Badezimmer", schlug Carl grinsend vor, hielt die hässliche Flasche zwischen Daumen und Zeigefinger am Hals und ließ sie hin und her schwingen.

"Gute Idee! Als Einreibung oder Desinfektionsmittel dürfte das gerade noch durchgehen."

"Bacardi?"

"Wenn du dich ausziehst und unter falschen Palmen tanzt, meinetwegen."

"Du hast vielleicht Ansprüche. Aber wenn dich das befriedigt, kann ich es ja mal probieren. Ist nur ein bisschen schwierig, zugleich Getränke machen und Gläser halten. Wenn du aus der Flasche trinkst, dann fang ich sofort mit der Schau an."

"Gib dir keine Mühe! Du trägst doch fast immer Boxershorts. - Abgrundhässlich! Solches Klamott wirkt so erotisch wie die gerippten Schlabberunterbuxen von Opa."


Alle Rechte vorbehalten
Mannie Manie © 1996-2000
Unentgeltliche Weitergabe erlaubt!

weiterblättern: