Dieser ,Schwarze Mann' erschien in unregelmäßigen Abständen. Nicht zufällig. Gezielte Absicht! Aber warum? Und wer könnte es sein oder beauftragte den Kerl? Horst Marguleit lag schließlich nicht so falsch, als er meinte, irgendwer wolle ihn gründlich verunsichern, sein Leben durcheinander bringen. Außerdem jene merkwürdigen Briefe. Unleugbare Auswirkungen des letzten bestens und eindringlich im Gedächtnis. Und der späte Anruf im Büro. Er hielt es für Fehlschaltung oder Fehlverbindung. Doch mittlerweile beschlich klammes Gefühl, dies stünde mit Auftauchen des ,Schwarzen' in Zusammenhang. Wenn der nicht gar selbst anrief...
Was will der von mir? Warum ist er hinter mir her? Was wäre geschehen, wenn Horst nicht zufällig in der Nähe gewesen und alles gehört hätte? Hätte der ,Schwarze' mich dann... umgebracht?
Er erschrak gehörig, als ihm ein benutztes Trinkglas aus der Hand rutschte und im Küchenspülbecken zerklirrte. Rasch Scherben weg, verbliebene Splitter Ausguss hinuntergespült.
Dusseliger Fehler, den merkwürdigen Brief einfach verbrennen. Möglicherweise wichtiges Beweisstück, womit gegenüber der Polizei glaubhaft, dass kein alberner Spinner Unsinn redet, sondern Befürchtungen auf Tatsachen beruhen. Der erste Brief bewies gar nichts. - Übereilt gehandelt!
Im hell erleuchteten großen Wohnraum zurück, blieb er mittendrin stehen. Gedanke blitzte: Wem nützt es, wenn ich nicht mehr lebe oder als unzurechnungsfähig eingestuft werde?
Auf Anhieb fiel ihm niemand ein. - ,Natter-lie' Nathalie?
Unsinn! Diese pseudoemanzipiert hohlköpfige ,Sozipädagogsche'? Nein! Die ist viel zu doof! - Obwohl, man darf nichts außer Acht lassen. Dummes Gesindel entwickelt zuweilen Durchtriebenheiten, deren widerwärtige Wirkung vordergründig Scharfsinn gaukelt. Wie gelangen solche denn sonst in beängstigender Zahl auf Gymnasien und Universitäten?
Eckart überprüfte Türen und Fenster gesamten Hauses, verriegelte alles sorgfältig. Aber selbst dann wollte Gefühl von Sicherheit nicht recht aufkommen. Jemand führte anscheinend Nervenkrieg gegen ihn. Mit niemandem konnte er darüber richtig reden. Auch nicht mit Marga Sutthoff kurz danach am Telefon.
"Ich kann es kaum erwarten, liebe Marga, bis du wieder hier bist. Kannst du dir vorstellen, wie lang die Zeit für mich hier wird? Ich bin den gesamten Tag mitten unter Leuten und fühle mich trotzdem allein."
"Doch, das kann ich mir vorstellen", meinte sie zärtlich am anderen Ende. "In ein paar Tagen könnten wir in mein Landhaus fahren, wenn du Lust hast. Ich werde sicher zu arbeiten haben, aber wir wären zusammen, ohne uns jedes mal umständlich zuvor absprechen zu müssen. Ich fände das schön."
"Ich auch, meine Liebe. Außerdem würden mir einige freie Tage recht gut tun , glaube ich", antwortete Eckart und dachte, dies sei zum Abstand gewinnen eigentlich ganz geeignet. Aufenthalt in ländlicher Abgeschiedenheit täte sicher gut.
"Na, dann sollten wir das doch ins Auge fassen", schlug Marga erfreut vor.
Eckart versprach, er werde ernsthaft prüfen, sei sicher für einige Tage entbehrlich. Beide redeten anschließend noch viele jener Dinge und Worte, welche Verliebte nun einmal sagen müssen, außenstehenden belanglos und albern erscheinen mögen, hier jedoch geheimnisvollen Sinn enthalten.
Zufrieden legte er später den Hörer auf. Noch während er langsam abwandte, glitt sein Blick ins Regal gegenüber. - Irgendetwas ist anders! Aber was? Was verwirrte plötzlich? - Er überlegte angestrengt.
Eigentlich alles ordentlich oder unordentlich wie immer, darin gern nachlässig. Eingehendes Mustern erbrachte zunächst nichts. Eckart stand währenddessen gleichsam festgewachsen, rührte keinen Finger, atmete flach. Nur seine Augen sogen alle Einzelheiten, verglichen und prüften genauestens.
Dann entdeckte er den Grund, nachgerade alberne Kleinigkeit: Die Geschenkschachtel, worin dieses seltsame Spielzeug, der blinkend summende Kreisel vormals steckte!
Deren Deckel lag schief auf und die kleine Schachtel nicht mehr am selben Ort, wenn auch nur wenig abseits. Gewöhnlich nicht beachtenswert. Aber Eckart entstaubte sie in rarem Anfall von Ordnungssinn und stellte sie sorgfältig geschlossen an ausgesuchten Platz im Regal. Selten getan und gerade deshalb genau erinnert. Ob Horst Marguleit...? - Nein, der war nicht einen Augenblick lang allein hier drin, kam nicht einmal in die Nähe des Regals. Er ging hin, betrachtete alles aufmerksam.
Tapsen von Fingern, Händen, in dünn lagerndem Staub deutlich sichtbar. - Musst mal wieder Staub wischen in deiner Bude! dachte er kopfschüttelnd. - Hier erwies Schlamperei gewissen Nutzen. Auf gründlich gesäuberten Flächen schwerlich entdeckt, dass unbefugte Griffel fahndeten. Dunkler schimmernde Grenzen im Stäubchenschleier bewiesen fremd nachhaltiges Forschen. Jemand musste sogar hinter Bücherreihen geschaut haben. Dazu fehlte Horst wirklich jede Gelegenheit. Solches Unterfangen nahm mehr als wenige rasche Augenblicke in Anspruch.
Eiliges Prüfen andernorts bestätigte: Jemand schlich irgendwann ins Haus und suchte etwas!
Offensichtlich nichts entwendet. Diese Person begehrte ganz bestimmt keine Wertsachen. Aber was dann? Wer schnüffelte herum und wonach? Der ,Schwarze Mann'? - Nein, so gewieft wie der vorgeht, hinterließe er keine sichtbaren Spuren! Oder womöglich mit voller Absicht? Will er nach Fehlschlag auf dem Parkplatz anders kirre machen? Habe ich vielleicht selbst meine Sachen verrückt, den Schachteldeckel gar nicht derart sorgfältig geschlossen, alles einfach vergessen?
Wäre durchaus drin, schließlich weiß ich ja auch nicht mehr, woher dieses ungewöhnliche Spielzeug letztlich stammt. Lieber Himmel, jetzt weiß ich schon nicht mehr, was ich gemacht habe und was nicht! Was für ein verdammter Zustand! Aber wahrscheinlich bewerte ich nach erlebtem Schrecken alles über, sehe in Kleinigkeiten Ursachen, die niemals so sind.