Hilterfreaks gebrauchten das Hakenkreuz bis zur Vergasung. Uralte Rune, wie bronzezeitliche Funde in Mitteleuropa und Skandinavien beweisen. Also durchaus dem zweiten Jahrtausend vor jetziger Zeitrechnung entstammend. Dreitausend oder sogar über viertausend Jahre altes Zeug! Obendrein später in ganz Europa bekannt, bis Japan und Südostasien. Buddhisten und Hindu verwenden es nach wie vor weltweit. Die waren nie ,in der Partei' oder so! Und im Dritten Reich lauthals verkündetes ,Führerprinzip' ist so germanisch oder abendländisch wie Kleopatra und all diese beknackten Pharaonen zusammen. Alte Germanenkumpel hätten denen stehenden Fußes die Rübe gekürzt. Aus gleichem Grund wurde Cäsar im römischen Senat abgemurkst. Folge dessen, müssen ,Stinkbriefe' und Lehrbriefe nicht gleichen Absenders sein.
Aber woher rührt das ganze Zeugs dann? Vor allen Dingen: Was steckt dahinter und soll es bezwecken? Wer wollte Carl womöglich aus dem Weg räumen, zum Schweigen bringen, nachdem er bei der Kallweit vorsprach und die ihn rauswarf? Ist doch ziemlich auffällig, so eins nach dem anderen, Zug um Zug und anschließend gleich mal eben übergemangelt... Eckart sah abermals verschwommen fremdartiges Gedankenbild, rücksichtslos anspringenden Schatten aus Autoreihen am Straßenrand, schmerzhaften Sturz, Schwärze... Wenn Carl nun gar nicht angefahren wurde, sondern... Verfluchte Inzucht! Was geht hier eigentlich vor? Wo bin ich da reingeraten? - Ich? Wir alle zusammen! Unbedingt Marga warnen. Sie muss aus diesem einsamen Haus flüchten und sofort hier herkommen.
Wieder gleiches Spiel. Nur Anrufbeantworter und ermüdende Handyansage. - Und das schon seit heute Mittag, verdammt! Hinfahren bringt nichts. Dazu brauche ich über zwei Stunden, wenn nicht gar drei, wegen Straßenglätte und Dunkelheit. Einfach die Polizei dort anrufen! - Eckart suchte die Nummer heraus und wählte.
Lange tutete es im Hörer, bis endlich wer abhob und Meldung gab. Wenigstens richtig gewählt! Eckart atmete erleichtert. "Umgelter! Guten Tag! Ich möchte sie bitten, dass sie möglichst rasch zum Landhaus von Frau Marga Sutthoff schauen, ob dort auch alles in Ordnung ist..."
"Warum sollte dort nicht alles in Ordnung sein?" schoss hochnotamtliche Frage dazwischen.
"Dort geht seit Mittag niemand ans Telefon und das Handy ist gleichfalls abgeschaltet und..."
"Vielleicht ist gar niemand im Hause oder man will nicht gestört werden!" Unwirscher Einwand.
"Frau Sutthoff war mittags auf jeden Fall zuhause, guter Herr!" Eckart ärgerte die bequemelnd amtsdeutsche Unterbrechung vom anderen Ende.
"Woher wissen sie das?"
"Ich war dort."
"Weshalb?"
"Wir sind verlobt", log Eckart ungerührt, eingedenk dessen, dass dadurch viele Hindernisse beiseite geräumt. Verlobte sind rechtlich Angehörige. "Und außerdem ist sie in diesem alten Gemäuer seitdem mutterseelenallein. Und wenn sie weggefahren sein sollte, dann vergisst sie ihr Handy bestimmt nicht über etliche Stunden hinweg. Sie ist schließlich eine vielbeschäftigt berufstätige Frau."
"Ach so! Na dann! Verstehe! Gut, Herr Umgelter, wir schauen da mal vorbei." Der Polizeibeamte verlangte noch Eckarts Rufnummer und genaue Anschrift, versprach aber nichts.
Eckart legte auf, lehnte im Sessel zurück. - Hoffentlich ist nichts passiert! Am besten bleibe ich beim Telefon. Wenn die Landbullen nicht bis in zwei Stunden zurückrufen, dann scheuche ich die noch mal hoch. - Er ging in die Küche, bereitete starken Kaffee, ständig das Handgerät dabei, nahm es sogar mit aufs Klo. Aber es schwieg beharrlich lange. Nach etwa einer Stunde schreckte dessen Meldeton richtiggehend hoch.
Eilig Verbindungsknopf gedrückt. "Umgelter!"
Frauenstimme flötete unpassend sexy: "Frostbollers Tiefkühlkost, Kundenbetreuung und Beratung, mein Name ist Amelia von Kitzing! Schönen guten Tag, Herr Umgelter! Wir haben ein ganz ausgezeichnetes Angebot für sie..."
"Nein, danke! Draußen ist schon kalt genug!" Wütend trennte Eckart die Verbindung. - Amelia von Kitzing! Sollte ihren Namen unbedingt ändern lassen oder Selbstmord begehen. Klingt ja wie ,Camelia vom Kitzler'. Allenfalls bei ,Frigitte-Diät' goldrichtig.
Eckart sammelte erst einmal alle Gedanken. Schließlich entschieden, dritten Brief von Unbekannt lesen, holte er den noch verschlossenen Umschlag. Scheinbar nur zwei oder drei Blatt Papier darin. Nicht gerade dickleibig. Er befühlte argwöhnisch, schlitzte vorsichtig mit dem Brieföffner, schnüffelte erst aus gehörigem Abstand, fischte dann zusammengefaltete Seiten spitzfingerig heraus. - Man kann ja nie wissen, ob nicht vielleicht noch ein Schreiben kommt das keines ist, sondern neuerlicher Angriff.
Tatsächlich nur abermaliger Lehrbrief, scheinbar gänzlich harmlos langweilig.
... abends durch Einkaufspassage, schwer bewaffnet mit Maschinengewehr, das an langem Schwarzgurt linke Schulter lastete. Nicht allein. Ein Freund begleitete. Im sichttrübenden Licht nicht mehr feststellbar, welcher wirklich. Gesichter sämtlich im Ungewissen verborgen.