Kring 02, 10. Kapitel, Seite 72


"Eckart! Was ist denn mit dir los? Du siehst ja aus wie ein wandelnder Leichnam!" Hagens Worte sprachen Bände. "Komm erst mal rein und setz dich hin."

Angestaute Spannung ließ Eckart fast ungehemmt zittern. Unsicheren Fußes folgte er Hagen in gut gewärmte, hell erleuchtete Küche, wo dieser mit Eleonore Pfeifer vorher herumwirtschaftete. Verfolgt von zwei besorgten Mienen, sank Eckart schwer auf gepolsterten Küchenstuhl. Flackernder Blick.

"Was ist denn mit dir los, Eckart?" fragte Hagen Wiechert betroffen. "Brauchst du einen Arzt? Bist du krank? Ich kann dir sofort einen guten allgemeinmedizinischen Kollegen rufen."

"Danke", meinte Eckart matt. "Aber ich glaube, dass ich jetzt eher einen Arzt wie dich nötig habe. Mir ist..." Kraftlos brach begonnener Satz ab.

"Willst du dich hinlegen? Wir können in mein Sitzungszimmer hinübergehen."

"Nein, es geht schon. Ich habe nur das Gefühl, dass sich mein Verstand verabschiedet."

"Wie kommst du zu dieser Einschätzung?" Dr. Hagen Wiechert wandelte augenblicklich vom sorgenvollen Freund zum Seelenarzt.

Eleonore Pfeifer legte klappernde Gegenstände beiseite, zuvor noch in Händen gehalten, stand nun neben Eckart am Tisch, fragte ruhig: "Soll ich besser hinausgehen?"

"Nein, das ist nicht nötig", schüttelte Eckart den Kopf. "Es ist mir sogar lieber, wenn du bleibst. Ich brauche jetzt andere Menschen."

"Gern, mein Lieber, wenn du es möchtest." Sie holte Getränke, stellte eine Schale mit Gebäck hin, saß anschließend neben Eckart.

"Also, Eckart, erzähle bitte, was dich so in Aufruhr versetzt", forderte Dr. Hagen Wiechert einfühlenden Tones professioneller Psychoonkel.

Eckart erzählte. Die ganze Geschichte des ,Schwarzen Mannes', angefangen in der Garage, über den ,betäubenden' Brief mit vermutlichen Zauberzeichen, schwarzem Hund nebst Raben, Margas seltsames Verhalten, nachdem sie versehentlich an ihn gerichteten Brief öffnete, ihre Vergiftung dadurch, Carls niederschmetterndes Erlebnis in allen erinnerten Einzelheiten, dessen Bemerkung, er habe verflossene Wochen teilweise in einer Art Tran erlebt, das streng riechende Amulett, bis hin zu gehabtem Schreckerlebnis gestern und heutigem Besuch in Senta Kallweits Villa.

Lastende Stille erfüllte gemütliche große Küche, nachdem sein Bericht endete. Nur leises Knarren aus Leuchtstoffröhren über der Spüle drang herüber.

"Sag' mir, Hagen. Bin ich durchgeknallt? Sind meine Sicherungen heillos verschmort? Ist bei mir eine Schraube locker?" Ihm graute gleichzeitig vor dessen Antwort. Seiner Ansicht nach, nur niederschmetternd.

"Wer sich noch solche Fragen stellt, kann längst nicht so verdreht sein, wie er befürchtet", beruhigte Hagen. "Im Gegensatz dazu, waren die stigmatisierte Therese Neumann von Konnersreuth und die drei absonderlichen Hirtenkinder von Fatima ausgesprochen krankhafte Härtefälle, die zu verschärfter Kaltwasserbehandlung schnellstens hinter Anstaltsmauern gehört hätten. Aber die liefen alle frei in der Weltgeschichte herum und redeten wesentlich Ausgefalleneres, beziehungsweise, diese 'Jungfrau' Theres lag meistens mit hässlichem Kopftuch angetan in einem Bett mit grauenhaft karierten Bezügen. - Einfach geschmacklos! - In so eine gruselige Einödbergbauernfalle würden sich geistig gesunde Menschen nicht mal für Geld und gute Worte legen und obendrein auch noch fremden Besuch empfangen. Also mache dir da man keine Sorgen."

"Und was ist mit meinem Verdacht gegen die Kallweit, die eigentlich gar nicht sie selbst gewesen sein soll? Leide ich da an überspannter Einbildung?" begehrte Eckart. "Und was ist damit?" Er hielt Hagen den kleinen Kreisel hin. Sofort blinkte das seltsame Teil, summte leise ansteigende Wellen.

"Was ist das denn?" wunderten Hagen und Eleonore gleichzeitig.

"Weiß ich selbst nicht genau." Er erzählte, Carl habe bei ihm auf dem Beistelltisch kleine verstaubte Schachtel nebst diesem Spielzeug darin entdeckt, erwähnte Carls spätere Auslassung, Senta Kallweit und deren Karibik-Guru seien deshalb in merkwürdige Betriebsamkeit geraten, wollten alles genauestens wissen.

Hagen und Eleonore staunten abermals, zogen Augenbrauen hoch. Nachdem Eckart schilderte, sein Haus sei womöglich deshalb durchsucht worden, entfuhr Hagen Wiechert: "Ist ja ein Hammer! Darf ich das mal haben und mir genauer anschauen?"

"Natürlich!" Eckart hielt ihm den kleinen Rundsummer flacher Hand hin. Sofort wirbelte das Ding von selbst, drehte flink um eigene Achse, strahlte stetig heller.

"Donnerwetter!" Hagen griff danach, zuckte sofort zurück. "Au!" Nach kurz grellem Aufleuchten sprang vom Kreisel glitzernder Funke über, schlug in Hagens Fingerspitzen. "Statische Aufladung! Das hat mir ordentlich eine gewischt! Ist dir das auch schon passiert?"

Eckart schüttelte den Kopf, verfolgte unerwartetes Geschehen mit geweiteten Augen.

"Leg's mal kurz auf den Tisch", bat Hagen. Langsam erlosch sämtliches Wirbeln und Blinken kleinen Wunderdings. - Ruhe. Erneut griff er danach... erhielt abermals heftig funkenden Schlag! "Das Teil mag mich nicht. Nimm du es jetzt mal wieder in die Hand."

Eckart fühlte vorsichtig vor, berührte den Kreisel... Nichts. Kurzes zartes Aufblinken, dann summte das kleine Spielzeug wieder, tanzte auf flachem Handteller, leuchtete erneut stetig heller.


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