"Na, das sowieso! Ich könnte mir nicht vorstellen, so einem vergnügliche Seiten abzugewinnen." Carls geknurrte Antwort.
"Tja, jetzt gibt es nur noch eins: Marga Sutthoff!"
"Ich habe mit ihr ein gemütliches Treffen in einem erlesenen italienischen Restaurant verabredet. Klein aber fein, der Laden. Es ist ihr Lieblingsort hier, an dem sie sehr häufig anzutreffen ist: Aldos Trattoria!" Carl Bramberg grinste.
"Italienisch essen?" entfuhr Eckart entsetzt. "Du weißt doch, dass ich italienische Küche nicht ausstehen kann. Das ist ja ekelhaft! Und dann auch noch diesen schauderhaften Cappuccino dazu. Geschmacksnerventöter - widerlich!"
"Ich kann den faden Fraß und diesen schaurigen ,Kaffe' auch nicht leiden", verzog Carl das Gesicht. "Aber was tut man nicht alles für Kunst und Geld. Möchtest du lieber Harald Frankenthaler?"
"Viel schlimmer als Tomatensoße, gegrillte Gummiringe, frittierte Meeresspinnen, Nudelkram, Mafiatorte, Parmesan und Kaputt-schino zusammen kann es auch nicht sein!" maulte Eckart gespielt.
"Ich habe dieses Herzchen doch vorhin noch da drüben gesehen", lachte Carl und schaute suchend herum. "Ah, da ist er ja auch. Soll ich ihn dir herrufen?" Unverschämtes Grinsen.
"Untersteh' dich! Lass mir bloß diese grässliche Ostseequalle vom Hals!"
Carl knüpfte während des Festivals bereits gute Verbindung mit Marga Sutthoff. "Wir werden mit ihr über Gott und die Welt parlieren, aber bloß nicht über Geschäfte. Womöglich sie macht dann gleich die Schotten dicht. Könnte ich ihr auch gar nicht verdenken. Wir müssen uns mit ihr anfreunden. Ich setze dabei große Hoffnungen auf dich, Eckart. Du bist ein gut aussehender Bursche, zurückhaltend und leicht schüchtern. - Obwohl ich gar nicht verstehe, wieso du dich nicht selbstbewusster gibst. Wäre ich eine Frau oder schwul, würde ich mich sofort in dich verknallen. - Auf mich fährt die Sutthoff nicht ab! Das habe ich sofort gemerkt. Du wirst ihr bestimmt gefallen. Ich habe ihren letzten Verflossenen mal kennen gelernt. Das ist ein ganz ähnlicher Typ wie du. Auf den ersten Blick scheint wenig Sonderliches dran. Erst beim zweiten Hinsehen offenbaren die wahren Qualitäten: Zurückhaltend liebenswürdige Art, sportliche Erscheinung, gescheit, kein Schwafelheini und jede Menge Sex-Appeal unter unerotischen Klamotten! Dafür scheint die gute Marga Sutthoff viel übrig zu haben. Sie ist selbst von ähnlicher Art. - Also, halte dich ran, versteckter Weiberheld!"
Wundervoller Plan.
Carl Brambergs Einschätzung traf. Marga Sutthoff wirkte auf ersten Blick tatsächlich nicht wahnsinnig überwältigend, obwohl ganz und gar nicht hässlich. Im Gegenteil!
Ausgesprochen regelmäßige, sehr enthaltsam geschminkte Züge. Durchaus schönes ausdrucksstarkes Gesicht, umrahmt von gestuft geschnittenen, halblangen brünetten Haaren. Wirkungsvolle Schnittfrisur. Schmuck trug sie keinen. Lediglich unaufdringlicher Goldring zierte linken Mittelfinger. Kleidung wählte sie offenbar nicht nach Auffälligkeitsmerkmalen, verhüllte ihre anscheinend aufregende Figur. Nur Kennerblick erschlossen. Keineswegs langweilige Kleidungsstücke, sondern schlicht erlesen. Außerdem verrieten ihre Bewegungen, Schlaffheit oder unnütze Ziererei stelle keine ihrer Seiten dar. Sparsam setzte sie Gestik und Mimik, was einzelne Veränderung in Haltung und Gesichtsausdruck betonte. Platte Konversation gehörte nicht zu ihren Vorlieben. Dennoch plauderte sie gewandt und unterhaltsam, beherrschte umwerfenden Humor, wodurch selbst Witze unterhalb Gürtellinie salonfähig. Unsägliche Peinlichkeit, von anderen erzählt.
Eckart fand Marga Sutthoff großartig!
Alles erst auf zweiten Blick deutlich. Beim ersten Hinsehen wirkte sie geradezu unauffällig. Doch nur wenige andere vermochten ähnlich lebensnah Szenen setzen und Figuren erfinden. Bevor sie etwas anging, ermittelte sie genauestens, scheute heilige Kühe schlachten nicht. Sie pfiff auf ,Political Correctness', sprach Wahrheiten aus, nannte beim Namen, was sonst tunlichst unter Teppiche gekehrt, da nicht gesellschaftlich und öffentlich verordnete Meinungsmuster. Marxisten nannte sie "Rotfaschisten", Hitleranhängern gleichgestellt und ebenso verabscheut. "Nur intellektuell verschwafelter sind sie halt", bemerkte sie beißend. Auch ein gewisses Nachrichtenmagazin, allwöchentlich in großer Hansestadt zusammengeheftet, fand ziemlich geringe Gnade. "Eines der wenigen Blätter, das es mustergültig fertig bringt, mit unbestreitbaren Wahrheiten unverfroren zu lügen", ihre kühle Sicht.
Entspannend, mit ihr zusammensitzen, nebst ausgezeichnetem Menü, welchem selbst Eckart - dem italienische Küche sonst zuwider - erfreuliche Seiten abgewann. Danach vorzüglicher Landwein und muntere Unterhaltung. Marga Sutthoff besaß das gewisse ,Etwas', welches sofort einnahm. Dennoch gestand sie, sie sei auf Mitmenschen angewiesen, auf deren Anerkennung. Ohne das wäre sie auch nichts. Niemand kann vollkommen allein leben. Schon gar nicht Leute aus künstlerischen Berufen. Wechselspiel zwischen ihnen und Publikum sei Grundvoraussetzung.
"Man darf diese Leute nicht abspeisen, indem man sie für dumm verkauft. Oder wollt ihr für dumm verkauft werden?" fragte sie entwaffnend.
Eckart merkte, Marga Sutthoff fasste ihn ins Auge. Sehr oft sprach sie ihn unmittelbar an. Sagte sie etwas, verstummte er sofort und folgte ihren Gedankenfäden. Kein Wort über Geschäfte. Marga vermerkte es dankbar, schenkte besonders Eckart offen Vorzug. Sie lernten einander im Verlauf nächster Stunden bestens kennen. Sonst kaum möglich. Schon gar nicht auf wuselndem Filmfestival.