Kring 02, 01. Kapitel, Seite 02


Carl Bramberg wartete vor der Haustür, wollte Eckart ursprünglich abholen. Aber sein Wagen streikte. Er fuhr mit der U-Bahn her, klingelte und erklärte voller Ärger: "Mein blöder Blechsarg steht mal wieder in der Werkstatt!"

"Was ist denn nun schon wieder hinüber?" lachte Eckart.

"Die verdammte Automatik geht nicht richtig. Blöde Rollsärge! Kosten einen Haufen Geld, machen unsäglichen Krach, verschmutzen die Umwelt, verstopfen die Straßen dermaßen, dass man sogar zu Fuß schneller wäre, aber wir kaufen uns so was. Dabei wäre Taxifahren billiger, wenn man die anderen Strecken mit der U-Bahn fahren kann. Und weite Strecken sind mit Eisenbahn oder Flugzeug sowieso bequemer zurückzulegen."

"Na, ich habe ja auch noch so eine Mühle herumstehen. Nehmen wir eben meinen überteuerten Schlitten." Eckart belustigte Carls Klage, ging zur Garage, wollte das Auto herausfahren. - Und nun das!

"Carl!" rief er nochmals - der hat mich wohl nicht gehört! - umrundete dann eilig über Kunststeinplatten sein Haus zur Vordertür. Kaum hinter erster Ecke, stieß er mit seinem Freund hart zusammen. Unwillkürlich lauter Schreckensruf. Verstörte Gesichter. Schwerer Atem.

Carl, halben Kopf größer als Eckart und ausgesprochener Frauenschwarm Marke Draufgänger, dunkle Augen und Haare und hochgewachsen sportliche Figur, legte beruhigend lange Arme um ihn. Blieb auch nichts anderes übrig. Wo sollte er jetzt sonst damit hin? "Mensch, Eckart..."

Eckart musste erst einmal schlucken nach zweierlei Schreck. "Da ist einer in der Garage! Ich weiß gar nicht, wie der da reingekommen sein kann."

"Was?" fragte Carl überrascht. "Das ist doch nicht die Möglichkeit! Ein Penner?"

"Ich weiß nicht", antwortete Eckart. "Ich bin vorsichtshalber rausgegangen. Der erschien mir doch ein bisschen zu groß, um mich einfach so mit ihm anzulegen. Deshalb habe ich nach dir gerufen. Ich... ich habe ihn allerdings nur schemenhaft sehen können...", stieß er etwas durcheinander hervor. Halblange Deckhaare hingen verstrubbelt herunter.

Carl stupste freundschaftlich Strähnen aus Eckarts Gesicht. Er selbst trug sein Haar ziemlich kurz, brauchte kaum je Kamm oder Bürste. "Wieso? Was denn nun wirklich?"

"Ich bemerkte eine reichlich große Gestalt, als er sich etwas bewegte."

"Na, das werden wir uns mal gleich zu Gemüte führen. So eine Frechheit!" Carl zog ihn an der Schulter zur Garage hin.

Je näher aufstehendes Tor, desto unwohler Eckarts Befinden. Was ist, wenn er sich täuschte? - Peinlich! "Wir sollten lieber etwas vorsichtig sein. Womöglich hat der Bursche irgendeine Waffe."

"Werden wir ja sehen, lieber Freund. Immerhin sind wir zu zweit. - Hier ist ja fast Nacht drin!" Carl tastete kopfschüttelnd nach dem Lichtschalter. Es klickte. Flackernd zuckte Licht aus Leuchtstoffröhren, durchflutete nach wenigen Lidschlägen gesamten Raum. Beide umgingen sie Eckarts alten Mercedes, besahen eingehend alle Ecken und Winkel.

"Also, ich kann niemanden entdecken", stellte Carl mit Bestimmtheit fest.

"Ich war mir aber sicher..."

"Wo hast du den Penner denn gesehen oder gehört?" forschte Carl.

Eckart wies fahrig auf zwei vollgestopft querstehende Regale, die in den Raum ragten. Gemeinsam besahen sie jene Stelle, suchten nach Spuren oder irgendeinem Hinweis, fanden aber nichts.

"Ich kann nichts feststellen. Dreckige Schuhe hat der jedenfalls nicht gehabt." Carl schaute seinen Freund an. "Aber bei dem Durcheinander hier drin... Vielleicht... nein, bestimmt hast du dich getäuscht", sagte er ruhig und versöhnlich.

"Verdammt, Carl..."

"Ist doch nicht schlimm, mir auch schon passiert. So duster wie es hier drin war, wundert es mich nicht, dass etwas zu sehen ist, was eigentlich gar nicht da war. Dazu neigt der Mensch nun mal, im Dunkeln Umrisse zu sehen, die nicht wirklich vorhanden sind. Wir sind doch keine Eulen oder Katzen. Außerdem könnten dir deine Nerven einen Streich gespielt haben. Du hast irrsinnig viel gearbeitet, und dann auch noch der ganze Ärger mit deiner geschiedenen Frau, wegen eurer zwei Kinder."

"Viel mehr als du habe ich kaum gearbeitet", warf Eckart leicht beleidigt ein.

"Aber ich habe keine nervende Scheidungsorgie hinter mir, lieber Eckart. Diese Frau und die Kindergeschichte haben dich bestimmt zusätzlich mitgenommen." Carl schaute nervös auf seine Uhr. "Es ist schon reichlich spät. Wir sollten uns mal endlich aufmachen. Marga Sutthoff kriegt sonst ziemlich schiefen Eindruck von uns. Los, machen wir uns auf die Socken."

Verunsichert blieb Eckart stehen, tat keinen Schritt, hörte leise klingelnde Wagenschlüssel... Wirklich alles nur eingebildet? Und was ist mit dem beständig schleichenden Gefühl, irgendwer sei öfter ungebeten nah, schnüffelt herum? Bilde ich mir das alles nur ein? Vielleicht sollte ich mal mit Dr. Hagen Wiechert darüber sprechen? Der ist schließlich Nervenarzt und ,Psychoonkel' mit ,Beklopptenliege', worauf alle möglichen und unmöglichen Leute räkeln. Scheint einer der Besten weit und breit. Jedenfalls läuft dessen Praxis ganz hervorragend, falls derlei als Maßstab für Güteklasse genommen sein soll. Außerdem ernsthafter Esoteriker, arbeitet also zusätzlich mit unüblichen Verfahrensweisen. Wozu ist man denn befreundet und Nachbar? Möglicherweise leide ich doch an einer leichten Form von Verfolgungswahn, zweifelte Eckart. Wenn das schlimmer wird, nach dem vielen Ärger mit dieser dämlichen Nathalie...t


Alle Rechte vorbehalten
Mannie Manie © 1996-2000
Unentgeltliche Weitergabe erlaubt!

weiterblättern: