Kalter Winterwind. Eckart mochte nicht bleiben. Rasch in warme Küche zurück, dickbohlige Hintertür verriegelt, Hände gewaschen und das Frühstück fertiggemacht. Er trug alles in Heimeligkeit des Schlafzimmers hinauf. Marga erwartete ihn mittlerweile etwas ungeduldig. Allerdings nicht nur wegen Frühstück, wie verheißendes Lächeln ankündigte.
Eckart holte Stunden später vorsorglich genügend Fleisch für den Hund aus der Tief{ühltruhe, hinterließ es zum Auftauen im Kühlschrank. Marga und er aßen ohnehin nicht viel davon, daher fand Eckart es auch nicht schade drum. Ein Ernährungswissenschaftler sagte ihm einmal: "Fleisch ist für den Hund, Fisch für die Katz, Eier für die Hühner und Milch für Kälber." Wie immer, ist ,Goldene Mitte' auch Königsweg. Menschen benötigen nur geringen Nahrungsanteil tierischer Herkunft. Höchstens einmal die Woche.
Am Nachmittag wollte Marga ihre Arbeit am neuen Drehbuch beginnen, verschwand im Arbeitszimmer. Eckart besah zuvor eingehend das Hausinnere. Ziemlich groß und überaus weitläufig!
"Kommst du dir hier drin nicht einsam und verloren vor, Marga?"
"Nein, warum?" antwortete sie entwaffnend. "Ich bin fast nie einen Tag oder eine Nacht allein im Haus. Mehrmals die Woche kommt eine Hauswirtschafterin, und ansonsten sind an sich ständig mehrere Besucher aus meinem Berufskreis hier. Die habe ich nur jetzt für die kommenden Tage allesamt ausgeladen, weil du Besuch genug bist."
Ihr Lächeln sagte alles. Dass sie ihre Arbeit trotz Leidenschaft nicht lassen mochte, fand er nur selbstverständlich. Gleichfalls Leidenschaft! Lächerlich, darüber beleidigt sein. Ihm kamen oft gesehene, abgrunddumme Filmpassagen in den Sinn, auch entsprechende Romane verbrieten dies läppische Klischee haufenweise. Vorzugsweise Frauen machten da ihren Lebenspartnern Vorhaltungen, weil diese notwendigen Arbeitserfordernissen hingegeben, gewünschter Zweisamkeit häufig nicht verfügbar, sie selbst achgottachgott sooo allein in teuer eingerichteten Häusern. - Wie viele Menschen auf Erden hätten gerne solche ,Sorgen'?
Beim Ansehen oder Lesen jener platten Hausdrachendramatik überlegte er oft, ob Einfallsarmut oder verkappte Frauenfeindlichkeit dahinterstecke. Halten Drehbuch- oder Romanschreiber/innen Frauen grundsätzlich für derart beschränkt? Oder sind sie es selbst? Gesetzt den Fall, es träfe Wirklichkeit. Was glaubte so eine alberne Pute denn eigentlich, wovon ihr meist aufwendiger Lebensstil ermöglicht? Und wenn solche ,Personen' im wirklichen Leben tatsächlich ihren Partnern dermaßen minderbemittelt den Nerv töten wagen, wäre die Gegenseite ebenso stumpfsinnig, ließe sich das gefallen, drohte nicht sofort und stehenden Fußes mit Scheidung oder warf sie gleich hinaus? Was soll man oder ,Mann' mit Lebenspartnerschaften, worin Hölle heiß gemacht? Auf eigene Kosten, wegen solchem Quatsch?
Beste Gelegenheit, in riesigem Sessel des wohlig gewärmten Salons vor einem der hohen Fenster sitzen, vereinzeltes Rieseln und Tanzen von Schneeflocken verfolgen und neuen Brief von Unbekannt lesen.
Zweiter Lehrbrief - Die Runen! - Zeichen gewordener Weltgedanke
Im ersten Brief wurden Geschichte und Herleitung der Runen dargestellt. Von daher sicher noch im Gedächtnis: Sie sind sowohl Einzellaute, als auch eigenständige Sinnzeichen! Gedanken, ganze Gedankengänge und -ketten. Wegweiser durch Urbilder und Seele; und man kann sogar behaupten: Der Weltgedanke an sich! Beachte aber, dass sie zwar allumfassend, jedoch keineswegs beliebig. Nicht jedem dienen sie, nicht jedem einsichtig. Sie sind indogermanisch abendländisch, werden daher zuvörderst von Angehörigen indogermanisch abendländischer Völker voll und ganz aufgenommen. Allerdings ist nicht notwendig, im sogenannten Abendland (Europa) zu leben. Selbstredend vermögen auch Menschen anderer Herkunft hierdurch Einsicht und Verständnis finden, sogar sehr, sehr weit darin eindringen. Aber solche Gruppen haben andersgeartete Schlüssel zu Tiefen, welche wiederum unsereinem mühselig oder gar nicht zugänglich. Unmöglich ist es jedoch nicht. Doch wird vollkommenes Begreifen nicht erreicht.
Du wendest ein, dies sei nicht so, weil Menschen gleich sind? - Selbstverständlich sind sie gleich in Wert! Keineswegs jedoch einheitlich. Wessen Vorfahren seit Jahrzehntausenden in tropischen Gegenden zuhause, empfindet zwangsläufig anders. Und umgekehrt! Forschungen der Massenpsychologie bewiesen schon vor hundert Jahren, dass selbst in Nachbarschaft lebende Völker und sogar verwandte Stämme abweichend fühlen, nicht voll übereinstimmende Urbilder aufweisen. Gewiss sind sie Außenstehenden schier zum Verwechseln ähnlich. Doch schon Geschwister besitzen schwerlich genau dasselbe Lebensgefühl. Nicht einmal eineiige Zwillinge. Wie tief mag dann entsprechender Unterschied zwischen Angehörigen ersichtlich anderer Menschengruppen und -arten sein? Vergleichsweise schroffe Schluchten!
Jede Rune bildet einen Gedanken, stellt ihn dar, ist dessen Zeichen. Zusammengefügt erweitern solche Gedanken zu langen Ketten, woraus Verknüpfungen ersehen werden können. Sofern man fähig und dieserhalben folgerichtige Schlüsse ziehen vermag. Es geht hierbei keineswegs um viel verschrieene ,Orakelei'. Wenngleich zugefügt, dass wohlverstandene Orakel ganz ähnliches leisten. Hier wie dort, wird bestimmte Fragestellung behandelt, findet aus spielerischen Gedankenketten Antwort. Man verwendet derlei im neuzeitlichen Geschäftsleben als ,Kreativtraining' oder ,Brainstorming'. Als sogenannter ,Rohrschachtest' findet gleiches in neuzeitlicher Psychiatrie statt. Es wird nur anders bezeichnet.
Und da sind wir auch schon mittendrin: Namen, Bezeichnungen, also Zeichenfolgen, Lautfolgen, Gedanken! - Und wie alles, sind auch Runen stets vielfältig, nützlich und schadend. Wobei dies zumeist sehr persönlicher Sicht entspringt oder erlernten Verhaltensmustern. Gleich bei der ersten, der Leitrune ,Fehu' wird es besonders deutlich.
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