Kring 02, 02. Kapitel, Seite 16


Selbst deren drängendes Rot strahlte freundliche Wärme. Gern hielt er, ließ andere Fahrer vorbei, winkte einem kurz aufscheinenden blassen Gesicht, sogleich wieder in geschäftiger Dunkelheit des Novemberabends verflogen.

Am ,Turm-Filmtheater' wogte endlose Menschenmenge. Hier sollte er Marga abholen. Blitzlichter durchzuckten von hohen Bogenlampen beleuchtetes Halbdämmer, ließen kurzzeitig einzelne Gesichter auftauchen und sofort wieder verschwinden. Arme reckten hoch, winkten in alle möglichen Richtungen. Stimmen warfen Worte, gelangten aber nicht ins Innere seiner alten Mercedeslimousine. Nur Lippenbewegungen, lachende Münder und wild anmutende Gesten verrieten gellendes Gehabe.

Die Mercedeslimousine früher Fünfzigerjahre fiel allgemein auf. Solch einen Wagen sieht man nur noch sehr selten. Er mochte dieses zuverlässige alte Gefährt mit viel Platz für ihn und Mitfahrende. Bequem und hinreichend rasch bewältigte es Strecken. Freilich kein stromlinienförmiger Wagen. Aber dessen ,altmodische' Gestaltung gefiel anscheinend nicht nur ihm. Langsam ließ er den Wagen rollen, hielt Ausschau nach Marga, achtete nicht auf neugierige Blicke wuselnder Leute. Fernab endlich ein Parkplatz. Eckart stieg aus, verschloss sein Auto und lief zurück.

Weiterhin quirlten Schaulustige durcheinander, hofften auf Filmgötter und -göttinnen. Einmal wahrhaft am ,himmlischen' Schweben riesig leuchtender Leinwände teilhaben! Einmal wenigstens Bruchstücke wirklicher Unwirklichkeiten erfassen, zumindest schmachtende Blicke auf echte Gesichter und Leiber Angebeteter heften. Einmal Gewissheit verschaffen, nicht alles Gesehene sei ausschließlich flimmernder Widerschein lichtstarker Lampen. Eckart verstand die hier aufgeregt versammelten Leute nicht ganz, kannte genügend Schauspieler/innen, deren vielfach ernüchterndes Wesen.

Wenn die wüssten, wie viel endlose Hohlheit hinter ansprechendem Aussehen oft lauert! Und saßen jene ,Göttlichen' auf dem Klo, stank es meist auch nur himmelschreiend!

Todesmutig ins Gewühl gestürzt. Gar nicht einfach, in weiche Mauer unzähliger Leiber dringen, Widerstand nachgiebiger und gleichzeitig zäh verharrender Masse überwinden, die alles aufsaugte und festhielt. Kaum jemand wollte beiseite. Nur mit Unbeirrbarkeit und viel Kraft kam man zur Freitreppe ins Foyer des riesigen Kinos. Jetzt abgesperrt, wiesen deren graue Stufen unerreichbar aufwärts.

Den Sockel neuzeitlicher Götterstatuen fast erreicht, wähnte er halbrechts voraus die hochragende Gestalt des ,Schwarzen Mannes'. - Eisiger Hieb! - Er verhielt. Doch bereits beim nächsten Lidschlag verschwand Erspähtes wieder im Wirbel schiebender Leute. - Fort! Menschliche Mauer verdeckte jede Sicht. Womöglich geirrt? Es könnte hier im Durcheinander fast jeder große Mensch gewesen sein. Aber der Hut! Eckart schaute aufmerksam herum. Auch andere trugen Hüte, welche im Eifer des Drängelgefechts durchaus genauso wirken mochten. Er schüttelte beißende Gedanken ab, kämpfte mühsam durch widerstehende Menschenwogen.

Endlich unterste Stufe ersehnter Freitreppe erreicht. Selbstverständlich gesperrt und bewacht von dunkel gekleideten Sicherheitsposten. Oben stand Marga, Arm eingehakt bei einem gut aussehenden Mann, plauderte mit hofhaltenden Filmgottheiten. Eckart fühlte kurzen Stich. - Ich bin eifersüchtig! - Hünenhafter Wachmann ragte hinter Absperrseilen schier himmelhoch. Der ,Himmelswächter' äugte misstrauisch auf Eckarts Festivalausweis, reichte die mit Lichtbild versehene Plastikkarte zurück.

"Bitte warten sie einen Moment, mein Herr. Ich muss mich erst bei meinem Vorgesetzten vergewissern, ob das hier auch gilt", beschied er sehr bestimmt, ging einige Schritt weiter, sprach kurz mit ebenso dunkel gekleidetem Mann.

Eckarts Augen ruhten nur noch auf Marga. Sie schaute anscheinend suchend umher. Er hob rechten Arm und winkte. Aber viele Hände fuchtelten hier, weshalb er zwei Zaubersilben rief, ihren Namen: "Marga! - Ich bin hier unten!"

Erfolg! Sie blickte in seine Richtung. Nach ungehörten Worten zu Gesprächspartnern, stieg sie Stufen aus ,himmlischen' Höhen herab. Gleichzeitig näherte der Wachmann nussknackenden Gesichts, öffnete gerade den Mund. Aber Marga Sutthoff stand bereits unten, ließ ihn erst gar nicht zu Wort kommen. Bezauberndes Lächeln: "Lassen die bitte diesen Herrn durch, Verehrtester. Wir sind verabredet. Es ist schon in Ordnung."

"Wenn sie es sagen, gnädige Frau, selbstverständlich", staunte der Wachmann, ungelenk höfliche Handbewegung zu Eckart. "Bitte, mein Herr, sie können passieren."

Gleich gnädiger Göttin herabgestiegen, entführte Marga hoch hinauf. Gemeinsam erklommen sie Arm in Arm Stufen ins Walhall des Filmgeflimmers. Auf hohem Standplatz Zelluloidgewaltiger wurde Eckart dem Mann vorgestellt, mit welchem Marga zuvor so vertraut plauderte. "Darf ich die Herren einander vorstellen? Dies ist Herr Eckart Umgelter, Teilhaber der Eca-Media. Lieber Eckart, dies ist Herr Ferdinand Kammbach, Regisseurskollege und ein umwerfend guter Schauspieler."

Eckart Umgelter und Ferdinand Kammbach gaben einander die Hand. Während Ferdinand Kammbach gewinnend strahlendes Lächeln verschenkte, fühlte Eckart leichten Vorbehalt. Er hoffte inständig, es merke keiner. Dennoch blockierte vorhin aufgeflackerte Eifersucht.

Wie dumm von mir, dachte Eckart, schließlich sind Marga und ich kein Paar, kennen uns erst seit dem gestrigen Abend. Außerdem hat sie ganz bestimmt immer wieder mit derart gut aussehenden Männer zu tun. Das liegt einfach in ihrem Beruf. Da kann ich doch nicht jedes mal von Eifersucht überfallen werden. Damit entnerve ich nicht nur mich selbst, sondern sicherlich auch alle anderen, ganz zu schweigen von Marga. Nein, Eckart Umgelter, du musst dich am Riemen reißen, so etwas wird nicht gehen!


Alle Rechte vorbehalten
Mannie Manie © 1996-2000
Unentgeltliche Weitergabe erlaubt!

weiterblättern: