Kring 02, 04. Kapitel, Seite 26


"Na klar! Auf übermäßige Förmlichkeit lege ich ohnehin keinen Wert. Aber ich warte immer erst mal ab, was mein Gegenüber erwartet. Man will ja nicht aufdringlich erscheinen."

"Na dann, prost!"

Die riesigen Gläser waren etwas über handwarm vorgeheizt und obenauf mit Bierdeckeln abgedeckt. Als Eckart seinen herunternahm, entströmte bauchigem Gebilde angenehm scharfer, an Nussaroma gemahnender Duft. Das allein schon weckte wärmende Geister. Im Geschmack ebenso duftig, Horst Marguleits Empfehlung goldrichtig. Das Zeug übertraf in lieblicher Schärfe und nussigem Geschmack teuersten französischen Cognac um Längen, schmeckte auch nicht widerwärtig nach Seife. Bei französischem Brand galt: Je teurer, desto Seife! Eckart verabscheute solche Zungentöter. Horst schaute abwartend.

"Wirklich ein tolles Gesöffchen", bestätigte Eckart. "Das muss ich mir merken, damit kann man ja richtig renommieren. Wundervoller Tipp. Dankesehr!"

"Keine Ursache! Ich habe diese Art Cognac während eines Spanienurlaubs schätzen gelernt..." Horst verstummte kurz, blickte nachdenklich forschend. "Hast du den Kerl erkennen können? Ich meine, könntest du ihn beschreiben?" fragte er dann unvermittelt.

"Er stand plötzlich hinter mir. Irgendwas ließ mich aufmerksam werden, ich drehte mich um - und da stand er. In dieser Dunkelheit habe ich nur einen großen Schatten gesehen. Außer dass er einen breitkrempigen Hut aufhatte, sah ich nur noch ein glitzerndes Auge auf mich gerichtet. Alles andere lag in völliger Schwärze. War richtig unheimlich", schauderte Eckart.

"Kann ich mir vorstellen. Er trug einen breitkrempigen Hut, sagst du?" Eckart nickte. "Merkwürdig", meinte Horst nachdenklich. "Wer jemandem auflauert, um einen Raubzug zu machen, trägt gewöhnlich keinen großen Hut. Aber was kann er denn sonst von dir gewollt haben?"

"Ich habe nicht die geringste Ahnung." Eckart zuckte mit den Schultern. "Allerdings..." er verstummte unsicher. - Soll ich erzählen, dass ich den Fremden schon mehrmals sah und nicht erkannte?

"Ja?" Horst Marguleit klang gespannt. "Was, allerdings?"

"Das ist eine ganz unwahrscheinlich klingende Geschichte. Ich mag sie dir gar nicht erzählen, weil ich fürchte, du hältst mich dann für durchgedreht oder doch für total überspannt."

"Den Eindruck machst du auf mich eigentlich nicht. Erzähle!" Eckart berichtete bisherige Erlebnissen mit dem ,Schwarzen Mann'. Danach saß Horst lange nachdenklich still, schüttelte schließlich den Kopf. "Auf den ersten Blick mag man an Spinnerei denken, aber auf den zweiten Blick stellt es sich etwas anders dar. Ich meine, jemand versucht dich mindestens vollkommen aus dem Gleichgewicht zu bringen. Kannst du dir vorstellen warum?"

"Nein! Ganz klar: Nein! Das ist ja gerade das verrückte an dieser Geschichte, weswegen sie auch mir selbst so unwahrscheinlich vorkommt und ich mir lebhaft vorstellen kann, dass sie für einen anderen einfach durchgeknallt klingt." Eckart nahm guten Schluck vorzüglichen spanischen Weinbrands, setzte den großen Schwenker vorsichtig ab.

"Vielleicht sollte man die Sache nicht einfach auf sich beruhen lassen." Horst Marguleit wirkte bedachtsam. "So, wie es sich darstellt, scheint mir mehr dahinter zu stecken. Das riecht nach sorgfältiger Planung. Vielleicht solltest du die Polizei einschalten."

"Was könnte ich der Polizei schon sagen?"

Der junge Wachmann wiegte den Kopf. "Nicht sehr viel", gestand er offen zu. "Und wahrscheinlich würden die das gar nicht ernst nehmen, von wegen dem ,Schwarzen Mann'."

"Eigentlich gar nichts", meinte Eckart. "Die würden höchstens vermuten, ich sei irgendwie drogensüchtig oder gucke zu tief ins Glas, so wie jetzt." Er leerte mit genüsslichem Zug sein Glas, hielt es anschaulich hoch.

"Noch einen?" fragte Horst. "Diesmal auf meine Rechnung", bot er an.

"Du, das ist ganz furchtbar nett von dir. Vielen Dank! Aber der Eine hier reicht mir erst einmal. Außerdem muss ich auch noch mit dem Auto fahren. Ich werde aber diesen Brandy künftig bestimmt meinen Gästen empfehlen."

Horst grinste angetan. "Freut mich sehr. Wo wohnst du denn?" Eckart nannte Straße und Hausnummer. "Das ist nicht gerade in der Nähe. Soll ich dich nach Hause fahren?"

"Das ist nicht notwendig, Horst. Ich möchte wirklich nicht, dass du meinetwegen noch mehr Umstände hast. Du hast schon genug für mich getan. Ich bin dir wirklich sehr dankbar." Ehrlich gemeinte Worte.

"Ich bitte dich, das ist wirklich kein Umstand für mich. Ich sagte doch schon, auf mich wartet niemand mit dem Abendessen", wischte er Eckarts Bedenken fort.

"Nun, wenn du meinst... Aber sag mal," Eckart blickte aufmerksam in der Bar herum, fühlte unbestimmt bestätigt, was vermutet, seitdem er hier saß, "ist das hier eine Gay-Bar?"

"Ja!" sagte Horst Marguleit nur und nickte.

"Und du, Horst? Man kennt dich doch hier. Gehörst du dazu?"

"Ja!" kam einfache, klare Antwort. Der junge Wachmann blickte Eckart offen an. "Soll ich dich jetzt nicht mehr nach Hause fahren?"


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