"Gottverfluchter Scheißdreck!" schimpfte er laut, rappelte sofort hoch, fiel aber rückwärts zur anderen Grabenseite um. "Scheiße!" brüllte er reißende Angst heraus. Angst, der ,Schwarze' hole jederzeit auf, strecke erneut Klauenhand aus. Erst nachdem quer verkantete Schier wieder flott, robbte er unter viel Anstrengung fast eineinhalb Meter höher auf flachen Boden, stand endlich.
Laut krächzend kreiste großer Rabe hoch oben, senkte nieder, verschwand bei der Gebüschzeile im Dunkel. Gedämpftes, zugleich klares "Krah! Krah! Krah!" scholl herüber, gefolgt vom durchdringenden Heulen eines Hundes aus selber Richtung. Aus Heulen wurde drohendes Knurren, verstummte. - Gespenstisches Schweigen über verschneiten Feldern.
Gedanke stach: Ob der ,Schwarze' zum Raben verkappt, wie bei dummen Draculageschichten der alte Vampir zur Fledermaus wird, rasch von einem Ort zum anderen flattert? Ähnlich jene alte Erzählung vom schwarzen Hund, die oft Runden in ländlichen ,Spinnstuben' machte. Dieser soll ebenfalls eine Gestaltswandlung sein, vorzugsweise in Hohlwegen einsamen Gängern jedes Weiterkommen verweigern. Erst nach lang bangendem Warten gebannter Menschen verschwindet das Biest seitlich in Büsche. - Oder auch nicht, Todgeweihte!
So gesehen, könnten Rabe und Hund mindestens Boten des Schwarzen Mannes sein. - Die beiden hungrig zutraulichen Tiere als Späher? Vervielfältigungen des dunklen Fremden, gar Larven? Beobachtete sein Verfolger ihn stets? Hund und Rabe dessen Zuträger, die in Sicherheit wiegten, aber ständig überwachten, bereitwillig selbst gefüttert? Womöglich geisterhaften Fremden eigenhändig bewirtet, mit ihm gesprochen, sogar ihn ins Haus holen versucht?
Blödsinn! Du spinnst! Es kann genauso gut alles Sinnestäuschung in ziehenden Dämmerungsschatten gewesen sein!
Aber andererseits sah er den Fremden ganz genau. Sicher, er konnte nichts wirklich erkennen. Keine Persönlichkeit, keine Gesichtszüge, nur hohe Gestalt und breitkrempigen Hut. Allerdings sehr klar und deutlich gegrenzt. Auch greifbereit vorgestreckte Hand, die seine Schulter klammern wollte. - Buchstäblich vor Augen! Obwohl der ,Schwarze Mann' eigentlich nur elterlich erfundenes Kinderschreckgespenst sein durfte, welches nachts unter Betten hervorgekrochen kommt, Kinder erschreckt und bestraft, die lieber irgendwelchen Unfug trieben, anstatt artig schlafen.
Nach sicherndem Rundblick stemmte er voran, eilig aber achtsam Richtung Landhaus. Dessen Umrisse vermochte man in hereingebrochener Dunkelheit lediglich ahnen, nicht wirklich sehen. Mehrmals noch schaute er nach, ob der ,Dunkle' womöglich folge. Aber der schien in Luft aufgelöst. Jedenfalls kein Anzeichen lauernder Anwesenheit.
Und wenn er mich am Ziel abpasst? schob hämisch eindringliche Frage ins Bewusstsein. Dann kann ich es auch nicht ändern! Ich muss eben vorsichtig sein!
Bei den Grenzbäumen zum Grundstück des Landhauses stierte er misstrauisch in alle Winkel, wollte jeder unheimlichen Begegnung sofort ausweichen. - Keineswegs alberne Ängstlichkeit. Was nützt größter Mut, höchste Angriffslust, geht man gegen eine Art Gespenst an? Das ist nicht fassbar, jedem Zugriff flüchtig, kann aber selbst umso handgerechter eigene Vorhaben durchführen.
Nachdem aufmerksamen Blicken nichts Bedrohliches auffiel, glitt er rasch vor breite Aufgangsstufen, schnallte windschnell Schier ab, stellte sie hastig daneben. Erleichtert trat er ein, verriegelte sofort beide Türflügel. Wenigstens Wunschvorstellung gewährt, lauernde Schatten blieben ausgesperrt.
Benommen wankte er in die Halle, sank auf ein Sofa, sprang aber sofort wieder hoch, eilte zur Eingangstür, schaltete grelles Außenlicht an und überprüfte aufmerksam alles. - Nichts! Der ,Schwarze Mann' gab offenbar auf. Noch immer brannte jene Hautstelle seiner Schulter, wohin dessen heiße Hand greifen wollte. - Fast hätte er mich bekommen! - Er ging zur Hausbar und goss einen doppelten griechischen Weinbrand ein, welcher erkaltete Seelen angenehm wärmt.
Leidlich beruhigt, wollte er unbedingt mit Marga sprechen. Gleichgültig ob sie arbeitet. Er musste einfach mit jemandem reden, wer anderes ohnehin nicht greifbar. Diktiergeräte fand er für solchen Zweck ungeeignet. Telefon? Wen anrufen? Hagen Wiechert? - Nein, er brauchte unmittelbar einen Menschen zum Reden! Entschlossen klopfte er an die Tür des Arbeitszimmers.
"Ja! Was gibt's?" erscholl Margas Stimme.
Eckart öffnete und trat ein. Sie saß an ihrem Schreibcomputer. Bis auf danebenstehende Lampe, dunkel im Raum. Er wollte zum Schalter der Deckenbeleuchtung greifen, ließ es aber. - Besser nicht! Das Oberlicht ist wirklich eklig.
"Was gibt es denn?" fuhr Marga ihn geradezu an. "Warum störst du mich? Du weißt doch, dass ich das nicht gebrauchen kann, wenn ich arbeite. Ich finde das wenig rücksichtsvoll."
"Tut mir leid, aber ich habe einen wirklich wichtigen Grund."
Sie stand nicht auf, schob nur den Rollendrehstuhl vom Schreibtisch ab und schwang herum. Unwillig sah sie ihn an, verschränkte Arme vor der Brust, ruckelte währenddessen den Stuhl auf Rollen hin und her, meinte fast beißend: "Was ist denn los?"
"Es... es... Verdammt! Jemand hat mir aufgelauert, sich mir in den Weg gestellt, und ich glaube, dass er mich umbringen wollte!"
Margas Kopf ruckte hoch. "Ich hoffe doch sehr, du machst keinen albernen Witz. Das fände ich äußerst unangebracht."