Kring 02, 01. Kapitel, Seite 10


Eckart schaute noch aus dem Fenster und sah ihn einsteigen. Carl winkte, als der Wagen anfuhr. Nach wenigen Augenblicken bog das Fahrzeug links ab und beschleunigte, verschwand am Straßenende.

Er wollte gerade ins Zimmer zurückwenden... Stand plötzlich wie vom Blitz getroffen! Atem stockte, und trotz Wärme im Raum kroch harte Kälte. - Der Schwarze Mann! - Auf gegenüberliegender Straßenseite, in Lichtkegel dortiger Laterne noch knapp eingeschlossen, urplötzlich aus Gehsteigpflaster geboren.

Frost fraß Löcher in Gedanken. Durch den Schreck fiel es nicht sofort auf, aber dann spürte er um so deutlicher schleichende Furcht. Sie befiel alle Glieder, schlug beißende Schneisen im Kopf, ließ keinen Platz für vernünftige Überlegungen. Verzauberte Erlebnisse vergangenen Abends weggewischt und drückender Drohung gewichen. Jeglicher Erkenntnis entzogene Gefahr. Wartende Gestalt bewies: Keine Einbildung!

Wer beobachtet mich? Warum? Wozu? Wegen Nathalie vielleicht? - Unsinn! Einfältige Zicke! - Kann der Fremde auch ins Haus schleichen? Schließlich gelangte er schon in verschlossene Garage. Kommt er am Ende hier herein? Wo könnte der Verstecke finden, um dann überfallartig vor oder hinter mir aufzutauchen? Im Keller, in der Küche, auf dem Speicher oben, im Schlafzimmer unter dem Bett?

Also, jetzt mach' aber mal einen Punkt! Eckart Umgelter durchbrach wütend wirr tobende Befürchtungen. Der Schwarze Mann unterm Bett! Das ist kindisch! Vor so was haben kleine Kinder Angst oder alberne Frauenzimmer, aber doch kein erwachsener Mann. Das ist ja lächerlich! Verfall' jetzt nicht in dümmliche Hysterie, befahl er stumm, raffte innerlich und körperlich alles zusammen, stand gewollt aufrecht, wischte mit beiden Händen über seine Augen, als könne damit unstreitig Gesehenes ausgelöscht werden.

Plötzlich wild entschlossen, dem Unbekannten entgegentreten, zur Rede stellen, wenn nötig, gewaltsam vertreiben. - Aber was soll ich ihm vorwerfen? Düstere Blicke durch gläserne Restauranttüren werfen ist nicht verboten, besonders nicht durch italienische. Gleichfalls keine Untat, am Rande des Lichtkegels von Straßenlaternen wie bestellt und nicht abgeholt warten. Ich habe keinen Beweis, dass er in meine Garage eindrang. - Alles schoss in zuckenden Bruchteilen durch den Kopf. Dann öffnete er seine Lider wieder... Nichts mehr!

Draußen trieb früh eisig gewordener Novemberwind trockenes welkes Laub aufs Pflaster, heulte gespenstisch um Mauerecken, wuchtete übers Dach hinweg. Jetzt alles andere als geheuer. Aber jene schwarze Gestalt blieb aus dem Lichtkegel verschwunden. Und im blass verstreuten Licht, das neblige Leuchtkraft aus Laternenglühfäden Straße entlang webte, vermochte Eckart ebenfalls nichts mehr finden, was auf den ,Schwarzen Mann' hinwies. So schnell verdunstet, wie aufgetaucht. In dieser kurzen Zeit konnte auch niemand aufs Grundstück gelangen. Nur, wie und wohin verflüchtigte er dann?

Aufsteigende Panik. - Gab es diesen befremdlichen Unbekannten nun wirklich oder nur in meinem Kopf? Fürchte ich mich vor Hirngespinsten, wollte mit Schatten überspannter Einbildung kämpfen? Wollte ich etwas zur Rede stellen, was es gar nicht gab, jemand nicht vorhanden vertreiben?

Das darf nicht wahr sein! Das kann doch nicht wahr sein! - Oder doch?

Hör jetzt sofort auf damit! Du legst es fast darauf an, den Verstand zu verlieren. Bestimmt findet alles ganz einfache nüchterne Erklärung. Der Schatten in der Garage konnte wirklich Trugbild gewesen sein, verursacht durch Überarbeitung. Dann habe ich das Ganze auf zufällig aufgetauchte große Personen übertragen, die für mich so unglücklich standen, dass sie nur als hohe schwarze Gestalten erschienen.

Trotz folgerichtiger Überlegungen blieb Eckart weiterhin unruhig, überprüfte und verriegelte sämtliche Aus- und Eingänge des Hauses. Auch kein Fenster ausgespart. Alles versperrt und verrammelt! Fensterläden im Erdgeschosses besonders sorgfältig. Seit Zeiten seiner Eltern entsprechende Schlösser daran, seit deren Tod nie mehr benutzt, leisteten ungewohnter Aufgabe rostigen Widerstand. Dann saß er wieder im großen Wohnraum, fast starr.

Rastlos kehrst du abends
in betäubende Räume zurück
sitzt genau auf demselben Platz
wo du vorher noch mit anderen
Stillstand flüchtender Stunden hörtest

Fahl lähmt Unbehagen
aus dämmernden Wänden
Keine Traumzeit mehr - nirgendwo!
Nur deutliches Ticken der Uhr
verrät dir ständigen Wechsel

Fahriger Blick schweifte durch den großen Raum. Hintergrundbeleuchtete Regalschränke, buntlampige Musik- und Radioanlage, nebst hohen mattschwarzen Lautsprecherboxen. Dazwischen eine uralte, hässlich handbemalte Bauerntruhe, welche Nathalie hinreißend fand. - Ich muss diese Kitschorgie unbedingt endlich abschleifen!

Am schnurlosen Telefon verhalten... Soll ich mal eben Carl anrufen? Er könnte schon zu Hause sein. Aber was soll ich sagen? Dass ich mit ihm reden will, weil ich den ,Schwarzen Mann' gesehen habe? Nein, damit mache ich mich lächerlich!


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