"Darum allein mache ich mir bestimmt keine Gedanken", sagte Eckart fest. "Ich bin in der Filmbranche tätig, da kommt man sehr oft mit entsprechenden Leuten zusammen. Nein, Horst, ich scheue nicht vor Männerliebhabern zurück, habe selber auch nichts gegen eine innige und meinetwegen zärtliche Freundschaft. Ich muss dir aber fairerweise sagen, dass ich in dieser Richtung, hinsichtlich Bett und so, keine Neigungen habe. Ich könnte es mir nur vorstellen, wenn ich mit einem anderen Mann zusammen mit einer Frau schliefe. Habe es allerdings noch nicht ausprobiert. Also, sei dann bitte nicht enttäuscht, wenn ich diesbezüglich passe. Hinzu kommt noch: Ich bin stinknormal verliebt zur Zeit!"
"Das wäre zwar ein Grund, aber bestimmt kein Hindernis! Zudem ist unsere Bekanntschaft unter diesen Voraussetzungen ja auch nicht zustande gekommen", stellte Horst klar. "In der Dunkelheit draußen und bei dieser Entfernung konnte ich wirklich nicht sehen, dass da ein durchaus sehr knackiger Bursche in der Bredouille steckt. - Obwohl, ich muss gestehen, als ich dich dann hier bei Lichte sah, habe ich insgeheim gedacht: Donnerwetter! Der würde mir gefallen!" Sie lachten beide fröhlich und laut. Andere Gäste schauten wissbegierig herüber.
"Danke für das Kompliment, Horst", lachte Eckart.
Horst grinste wieder sein strahlendes Jungengrinsen. "Außerdem war das sowieso zu befürchten. Ich frage mich immer wieder, wie die anderen Typen das anstellen. Ich komme entweder zu spät, oder bin zu zurückhaltend, oder der Ersehnte ist ganz einfach nicht zu haben, weil: Wenn's nicht funkt, dann funkt's halt nicht! Da ist nichts zu machen."
"Und jetzt willst du mich sicherlich nicht mehr fahren, wie?" fragte Eckart verständnisvoll.
"Quatsch!" kam entschieden aus Horst Marguleits Mund gefahren. "Das war auch gar nicht die Voraussetzung. Erinnere dich bitte, dass ich es schon in der Düsternis des Parkplatzes angeboten habe. Und da war an derlei wirklich nicht zu denken, Eckart."
"Das ist wahr! Entschuldige bitte, wenn ich auch nur einen Augenblick so dachte. Du bist ein hilfsbereiter prima Kerl und ein großartig guter Kumpel. Wollen wir dann mal los? Ich muss auch aus den versauten Sachen endlich raus."
Sie brachen auf. Der junge Wachmann steuerte die antiquierte Mercedeslimousine ehrfürchtig begeistert zu Eckarts Haus. Dort lag alles vollkommen dunkel.
Gut dass Horst dabei ist, dachte Eckart dankbar, nervlich doch etwas angegriffen, nach neuerlicher Begegnung mit dem dunklen Fremden. Diesmal ausgesprochen angsteinflößend. Zudem wäre sein angeknackster Fuß beim Autofahren keine verlässliche Hilfe gewesen, schmerzte doch stärker. Er würde das Gelenk einige Tage schonen müssen. - Vorsichtshalber morgen einen Arzt aufsuchen!
Horst fuhr den Wagen gleich in die Garage. Eckart wechselte seine Kleidung und lud hilfsbereiten neuen Bekannten auf gemeinsames Abendessen vom Bringdienst ein. Dankbar angenommen. Kleiner Umtrunk folgte. Entspannt quatschten sie noch gute zwei Stunden ausführlich.
Mehrfach staunte Eckart. Noch nie sprach jemand dieser Neigung ihm gegenüber so freimütig über gehegte Vorlieben, Wünsche und Sehnsüchte. Zuvor wenig Ahnung gehabt! Außer in Richtung ihrer Begierden, bestanden kaum Unterschiede. Verstehen keineswegs mühsamer als mit anderen Bekannten. Im Gegenteil! Horst redete offenherzig. In Eckart keimte echter Einklang. Von Freundschaft mochte er nach so kurzer Kennlernzeit allerdings noch nicht sprechen.
Uhrzeiger rückten über zehn Uhr abends hinaus.
"Ich muss mich jetzt mal allmählich verabschieden", bedauerte Horst Marguleit. "Morgen habe ich die Frühschicht zu machen. Da muss ich um fünf aus den Federn sein."
"Du kannst gerne hier übernachten", bot Eckart an. "Wie du siehst, ist in diesem Haus wirklich Platz genug. Oben ist ein geräumiges Gästezimmer, das du gern benutzen darfst."
"Du, danke dir, Eckart, aber ich muss nach Hause, weil ich meine Dienstklamotten nicht hier habe. Sonst muss ich wohl bereits um vier aufstehen. Das ist mir dann doch ein wenig zu früh."
"Kann ich verstehen, mein Lieber. Aber mein Angebot steht, wenn du willst. Im Haus hier ist wirklich viel Platz und das Gästezimmer ist sehr bequem. Andererseits, wenn du los willst, dann rufe ich dir ein Taxi. Und ich bezahle den Fahrer sofort. - Nein, keine Einwände!" wischte Eckart beginnenden Widerspruch weg. Horst klappte geöffneten Mund wieder zu.
Wenig später kam das Taxi. Eckart begleitete humpelnd zur Haustür, wünschte gute Heimfahrt. "Vielleicht sehen wir uns bei Gelegenheit mal wieder, Horst?"
"Ja, gern! Das ist gut möglich. Außerdem haben wir Adressen und Rufnummern voneinander."
"Ich würde mich freuen."
"Ich hätte auch nichts dagegen", gestand Horst Marguleit und zeigte wieder sein Jungengrinsen.
Eckart gab ihm die Hand. "Nochmals vielen Dank für alles!"
"Ich habe es einfach gemacht, das ist alles. Und dabei machte ich auch noch eine tolle Bekanntschaft. Bestelle deiner Geliebten unbekannterweise einen Gruß von mir. Sag' ihr, sie sei ein Glückskind, ich würde sie sehr beneiden."
Der Wagen rollte Straße abwärts. Eckart schaute hinterher, winkte kurz, sah rote Rücklichter hinter nächster Kehre schwinden, ging zurück in seelenleeres Haus. Unwohles Ahnen kroch aus Wänden, während er Hinterlassenschaften geselligen Abends aufräumte.